Der Diebstahl gelingt. Der Dolch des Waltras ist in der Hand des frevelhaften Einbrechers. Aber viel Freude bleibt ihm nicht an seiner Beute. Bereits kurze Zeit später sind ihm die Wachen auf den Fersen.
In der neuen Arena von Jyllando führt Marlysa ein ruhiges Leben. Sofern man den Schaukampf vor hunderten von Zuschauern als ruhig bezeichnen kann. Marlysa allerdings genießt dieses Leben, ist es doch vergleichsweise gefahrlos zu ihren sonstigen Abenteuern. Neben der souveränen Handhabung ihrer Waffen ist ihr akrobatisches Geschick gefragt, welches sie zur Freude der Zuschauer über das normale Maß hinaus besitzt.
Ein Leben als schauspielernder Kämpfer hat ihr nicht lange etwas zu bieten. Was sie zurücklässt, sind viele gute Freunde, während ihr Freiheitsdrang sie wieder in die weite Ferne zieht – einem richtigen Abenteuer entgegen.
Ihre ereignislose wird schnell unterbrochen, als sich ihr ein unbekannter Wanderer in den Weg stellt. Für den Auftrag, den er ihr anträgt, hat sie wenig übrig. Eher rüde lehnt sie sein Ansinnen ab. Doch so leicht will der Fremde nicht aufgeben.
Baron Faradya hat einen Wunsch geäußert. Er will Marlysa kennenlernen. Die Abenteurerin, die diese Einladung hinter Gefängnisstäben in Empfang nimmt, ist nicht mehr in der Lage eine Ablehnung zu äußern. Ihre Überraschung währt nicht lange. Der Baron ist überaus entgegenkommend, und sein Anliegen ist sehr konkret. Ein Dolch wurde gestohlen, eine Waffe von großer Macht. Nur einer umherziehenden Kriegerin kann es während einer Jahrestagsfeier gelingen, in die schwer bewachte Festung des diebischen Fürsten Dormunt einzudringen.
Für eine Kämpferin wie Marlysa scheint die Aufgabe wie geschaffen zu sein. Ein Dolch sollte doch leicht zu stehlen sein. Hätte Marlysa zu diesem Zeitpunkt gewusst, wie attraktiv Dormunt ist, wäre ihre Begeisterung ganz anders ausgefallen – gut aussehende Männer waren in ihrem Leben schon oft für Ärger gut.
Mit der 7. Episode, einem Zweiteiler, Der Waltras kehrt Marlysa zurück. Wir sehen Marlysa eingangs, wie sie ein beschauliches Leben führt. In einer Arena hat sie zusammen mit einigen Freunden eine große Veranstaltung, heute würden wir sagen Show, auf die Beine gestellt, die Tausende von Zuschauern anlockt und regelmäßig begeistert. Die anderen Gladiatoren sind zufrieden mit diesem Leben und wissen auch, was sie daran haben und wem es zu verdanken ist, dass die Zuschauer so zahlreich kommen.
Gleich zu Beginn zeigt Autor Jean-Charles Gaudin auf eine sehr handlungsreiche, aber auch charmante Art, warum Marlysa in ihrer Welt so beliebt ist. Eine Figur, die derart sympathisch eingeführt wird, weiß auch den Leser schnell zu fesseln. Ihrer Freundlichkeit, ihrer Agilität und auch ihrer optische Erscheinung kann man sich nicht entziehen – nicht zuletzt ist es auch ihre Maske, jener geheimnisvolle Aspekt ihrer Identität, der Marlysa faszinierend erscheinen lässt.
Zeichner Jean-Pierre Danard hat sich mit ihrer Gestalt viel Mühe gemacht. Sie wirkt wie eine Brigitte Bardot, die in einer phantastischen Welt ihr Überleben sichert.
Marlysas Maske schadet ihrer Attraktivität keineswegs. Ihre knappe Bekleidung verdreht vielen Männern um sie herum den Kopf. – Wie sich nicht nur an Bösewicht Dormunt zeigt. Der Ritter, der ihr als Begleitung auf ihrer Reise zur Seite gestellt wird, Lowell, erliegt alsbald ihrem Charme. Es wäre falsch zu behaupten, dass Marlysas Bekleidung immer zweckmäßig ist – aber seien wir ehrlich: Eine knackig bekleidete junge Frau ist allemal besser anzuschauen als irgendein muskelbepackter Barbar.
Wer allerdings glaubt, der Einsatz von jungen Frauen in einem prallen Abenteuer ginge zu Lasten der Action, sieht sich gewaltig getäuscht.
Einige Szenen möchte ich ganz kurz herausstellen, weil sie wirklich bemerkenswert sind. Das Abenteuer beginnt mit einem bunten Spektakel, das sich erst nach dem Umblättern als Show entpuppt, bei der niemand zu Schaden kommt. Der Schaukampf in der Arena ist poppig bunt in Szene gesetzt. Fast könnte man meinen, pompöse Musik zu hören, die zu diesem Spektakel aufspielt.
Beeindruckender ist die Szenerie auf der Großen Achse geworden. Man stelle sich einen Highway vor – ohne Automobile, dafür mit phantastisch anmutenden Reittieren, einige recht überdimensional, welche die begradigte Strecke für ihre jeweilige Höchstgeschwindigkeit nutzen. Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, dass das Konzept der Autobahn so noch nicht im Bereich der Fantasy genutzt wurde.
Abschließend sei die Hetzjagd in den Kellergängen abseits des Verstecks des Waltras erwähnt. Wer bislang noch nicht von der Action überzeugt war, kann sich hier nicht mehr entziehen.
Die Welt von Marlysa ist eine Welt voller Details. Das macht sie sehr lebendig und liebenswert. Die Macher, Gaudin und Danard, orientieren sich an der Realität und steuern ein hohes Maß an eigenen Ideen bei. Ein gutes Beispiel für diesen Ideenreichtum ist der erste Auftritt von Dormunt. Angesichts der farblichen Pracht (eine tolle Arbeit von Yoann Guillo) und der Inszenierung fühlt man sich als Leser an eine indische Prozession aus alten Tagen erinnert, als noch Nabobs ihren Reichtum zur Schau stellten.
Man kann Marlysa nicht einfach nur spannend oder gut umgesetzt nennen. Dieses Fantasy-Abenteuer ist einfach schön und gehört zu den Comics, die man nach dem Lesen sehr zufrieden schließt – oder wieder von vorne beginnt.
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