2051. Es ist eine andere Welt. Sie ist von einem fremden Licht durchstrahlt, aber ihre Leichtigkeit täuscht, wie besonders zwei Besucher bald erkennen müssen. Auch hier kann die Strafe auf dem Fuß folgen. Nur wer noch gebraucht wird, kann der Auslöschung entgehen.
Eine Droge ist es, die den Erleuchteten dieser Welt ihre Macht schenkt. Diese Macht ist nicht für jeden gedacht, und ihre Wirkung ist ebenso umkehrbar. Schnell kann aus dem Segen eine zerstörerische Kraft werden, die das Bewusstsein eines Unglücklichen sprengt. Abseits dieser künstlichen Welt existiert die Realität. Gnade existiert hier ebenso wenig. Im Augenblick der künstlichen Zwistigkeiten kommt es im Vereinigten Amerika zu einem furchtbaren Zwischenfall. Es ist nicht nur ein Experiment, was soeben stattfindet, sondern es das Experiment. 15000 Menschen nehmen an ihm teil. Die Kameras zeichnen gerade ein Interview mit dem leitenden Wissenschaftler auf, als das Experiment grauenhaft beendet wird. Soldaten dringen in die Forschungsstation ein und begehen ein Massaker.
Diese furchtbaren Ereignisse haben auch Auswirkungen jenseits des Atlantiks. In Portugal lebt Alex Boniak ein halbwegs normales Leben in einer verschmutzten Atmosphäre und unter einer Lichteinstrahlung, die ebenfalls schädlich ist. An diesem besonderen Tag besuchen ihn alte Freunde aus Amerika – und nicht zu vergessen Ana, die Frau, die Alex einmal nachhaltig beeindruckt hat.
Inzwischen weiten sich die Geschehnisse im Labor im Vereinigten Amerika zu einer landesweiten Revolte aus. Die Bilder, die im Fernsehen übertragen werden, sind erschütternd.
Der Besuch der Freunde kommt nicht zufällig. Was zunächst nach einer spielerischen Tour von Alex mit Petro und Bajdo durch Lissabon aussieht, wird bald zu einer Offenbarung, der Alex nicht so leicht trauen kann. Denn Drogen betrügen seine Sinne. Oder zeigen sie ihm tatsächlich die Wahrheit? Sieht er all das wirklich oder bildet er es sich nur ein? Sind diese Drogen nützlich?
In Experiment Alpha lebt Alex im Jahre 2051 ein ganz normales Leben. An die Luftverschmutzung und die Überschwemmungen im übervölkerten Lissabon hat er sich gewöhnt. Die eingeschränkte Lebensweise in dieser High-Tech-Welt ist zur Normalität geworden. Doch da ist noch mehr. Es existiert noch eine andere Welt dahinter. Diese Welt ist vollgestopft mit Anweisungen und Befehlen, die jedem in allen Details vorschreiben, wie er sich zu verhalten hat.
SciFi-Begeisterte werden sicherlich die eine oder andere Parallele zu bekannten Genre-Geschichten herstellen können. Dieses 2051 wird durchzogen von Anweisungen, die den Bürger zu Gehorsam und Konsum anhalten. Die berühmteste Vorgabe ist sicherlich 1984. Die Idee, als Romanvorlage wie auch in der späteren Verfilmung, findet sich außerdem wieder im Film von John Carpenter mit dem Namen Sie leben!. Hier erliegen die Menschen allerdings einer außerirdischen Indoktrination. Sind es dort Fernsehsignale, die den Bürger beeinflussen, sind es hier Drogen. In normalem Maß genossen (sofern das geht), helfen sie der Administration bei der Beeinflussung. Bei einer Überdosis (sofern man diese überlebt) sieht man plötzlich klar.
Alex ist der Held dieser Geschichte. Er ist jung, etwas naiv vielleicht. Er gönnt sich den Luxus eines Haustiers in dieser Welt, in denen Städte sich bis zum Horizont hinziehen. (Obwohl es das bereits gibt.) Im Gegensatz zu manchen anderen ist er in einer Art privilegierter Stellung. Er wirft einen Blick auf eine Welt, in der Sauberkeit und Ordnung und verwahrloste Stadtteile nah beieinander liegen. Alex stellt keine Fragen. Er lebt so vor sich hin. Die Antworten, die er von Petro und Bajdo erhält, gehören zu Fragen, die er niemals selbst gestellt hätte. Und wenn er es recht betrachtet, überfordern ihn die Antworten sogar, denn sie sind derart unglaublich, dass sie sein gesamtes Weltbild von einem Augenblick zum anderen in Frage stellen.
Die Figur und die Welt, die der Autor, Zeichner und Kolorist in Personalunion Vukasin Gajic hier entwirft, sind absolut stimmig geworden. Zunächst fällt der Einstieg etwas schwer, weil die Szenerie sehr ungewöhnlich ist. Es ist ein Sprung ins kalte Wasser, denn zuerst sieht der Leser die Welt so, wie sie nur von Wenigen gesehen wird. Diese Welt kennen SciFi-Fans aus Cyberspace-Geschichten, aber auch eine Spur Magie lässt sich nicht verleugnen. Diese Andersartigkeit wird bald von Realität abgelöst. Der Lichterglanz und all die klaren Strukturen des künstlichen Realismus stehen dem Dreck und den verschachtelten Straßenzügen gegenüber. Die Gewalt und Brutalität ist in beiden Welten gegenwärtig. Experiment Alpha lebt von diesen Gegensätzen und genau das macht auch den Reiz daran aus.
Durch Gajic ist auch eine Geschichte wie aus einem Guss entstanden. Sie ist aufregend, beunruhigend, spannend und sie hat, alleine was die Geschichte selbst betrifft, das Zeug zu einem Comic-Klassiker.
Darüber hinaus ist sicherlich auch die grafische Umsetzung wegweisend. Vollkommen zu Recht verlässt sich Gajic auf die farbliche Gestaltung. Kommen Figuren mit einer Outline aus, ist jegliche Schattierung und Oberflächenstruktur so formvollendet eingesetzt, dass sich vor dieser Perfektion der Computer-Kolorierung nur der Hut ziehen lässt.
Ein SciFi-Erlebnis der besonderen Art. Bekannte Elemente verschmelzen mit neuen Aspekten vor einer grandiosen grafischen Gestaltung, die auf einem sehr hohen Level zeigt, was im Comic möglich ist. So toll kann Science Fiction erzählt werden.
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