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Comic Blog


Donnerstag, 18. Oktober 2007

Yiu – Die Auferstehung des Unreinen

Filed under: SciFi — Michael um 14:58

Yiu 2 - Die Auferstehung des UnreinenEin mörderischer Kampf. Noch einer. Für Yiu ist das nichts Neues. Kampf ist ihr Beruf, ihre Aufgabe, dafür lebt sie. Dieser Gegner jedoch ist außergewöhnlich. Das Schlachtfeld auch, denn um sie herum toben die Beobachter und lassen sich keine Bewegung entgehen.
Gegen den Krieger in der riesigen Rüstung wirkt Yiu verloren und klein. Ihre Aktionen besagen allerdings etwas anderes. Bereits seit über fünf Minuten ist der Zweikampf im Gange. Allein dies ist eine schier unmöglich lange Zeit, die so noch niemand geschafft hat. Doch schließlich passiert das, was jeder der Schaulustigen und ihr Gegner sowieso geahnt hat: Yiu fällt!

In einer Zeit, in der sich jeder seine Werte und Ideale selber macht, erhält Yiu die heikle Aufgabe in die Festung eines Kriegerclans einzudringen. Selbst für Yiu, die für den Kampf geboren zu sein scheint, ist diese Aufgabe die wohl schwierigste in ihrem ganzen Leben.

Die Ehre erhebt den Menschen und verschafft ihm Ruhm. Sie ist der Lebenssaft alles Göttlichen.
Wüsste Yiu, dass sie im Auftrag eines Wahnsinnigen unterwegs ist, wie würde sie darüber denken? Als Yiu tot ist, erlebt der Leser, wie es zu dieser Aufgabe kommen konnte. Wir erleben in vielen Details, wie Yiu auf ihre Aufgabe vorbereitet wird und zahlreiche Operationen über sich ergehen lassen muss. Aus der jungen Frau ist trotz ihrer vielen natürlichen Talente ein Cyborg geworden. Ein normaler Mensch ohne künstlich erzeugte Fähigkeiten hat in dieser Welt keine Chance mehr.

War der erste Teil der Yiu-Saga außerordentlich düster und ein Spießrutenlauf im wahrsten Sinne des Wortes, gewinnt die Zukunft um athletische Kämpferin mit dem zweiten Teil eine weitere Dimension hinzu.
Glaubte man als Leser, die Religiosität habe sämtliche sonstigen Ideale und Institutionen abgelöst, präsentieren uns Téhy, Vax und J.M. Yee eine Enklave, in der die uralten Werte asiatischer Kriegerkasten hoch gehalten werden. Ausgerechnet in ein solches Gebiet, in dem der Kampf alles ist, der Weg des Kriegers das Ziel, muss Yiu eindringen, um einen simplen Diebstahl zu vollbringen.

Im Vergleich zum ersten Teil sind die Räumlichkeiten und Entfernungen, die Yiu zurücklegen muss beinahe sauber, reinlich zu nennen. Reinheit ist ein zentrales Thema (auch schon im ersten Teil). Bei ihrer ersten Mission stand die genetische Reinheit im Vordergrund, der Wunsch als Klon nicht als Ersatzteillager für normal geborene Menschen zu dienen. Diese zweite Mission führt sie unter Menschen, deren Ideal die Ehre und der Kampf ist. Yiu kann in beiden Fällen bestehen, da sie nur ihren eigenen Idealen und Notwendigkeiten folgt. Ihr Körper wurde in eine Waffe verwandelt, die durch zahlreiche Komponenten gegen einen Totalausfall weitestgehend gefeit ist. – Was nicht heißen mag, dass Yiu keine Schmerzen empfindet. Davon erntet sie reichlich. Bei genauer Betrachtung ist diese Mission ein noch größerer Höllenritt als der vorherige. Die Autoren und Zeichner schenken Yiu wirklich nichts.
Wer den Endspurt betrachtet und sieht, wie Yiu zum ersten Mal Furcht im Angesicht ihrer Feinde empfindet – weil ihr doch noch ein Ehrbegriff innewohnt, eine letzte Grenze, die sie nie übertreten wollte.

Die Optik ist kolossal. In vielen Einstellungen präsentiert sich dem Leser zu Beginn ein wahres Schlachtengemälde, eine Art Mischung aus französischen und japanischen Merkmalen. Kampfläufer sind in der Tat nichts anderes als vielläufige wandelnde gigantische Schusswaffen. Krieger in martialischen Rüstungen rücken schnell vor, und gepanzerte Kamele tragen ihre Reiter in die Schlacht.
Yius Gegner, dem sie sich in einer Arena stellen muss, scheint in seiner prachtvollen Rüstung zu versinken. Mit Verzierungen versehen und von Abwehrstacheln gekrönt sind diese Details nur die Vorschau auf eine gewaltige Festung, die wie ein eigenständiges Wesen aus dem verseuchten Dreck des Landes emporragt. Riesige Gesichter asiatischer Dämonen prangen mit aufgerissenen Mäulern auf der Außenmauer und warnen jeden potentiellen Eindringling.

Doch nicht nur das. Die Technik, in der Schlacht bereits gesehen, äußert sich in den Bereichen der Medizin mit sehr kompliziert aussehenden Apparaturen, in der Fortbewegung in riesigen fliegenden Festungen.
Der Technik gegenüber steht die Mystik, eine archaische Religiosität die einen totalen bildhaften Gegensatz zur übertechnisierten Welt dieser furchtbaren Zukunft bildet. Jene Bilder, Installationen, in bester Bühnenbildmanier ausgeführten Grafiken sind fantastisch anzusehen wie auch fantastisch im Hinblick auf einen dunklen Fantasy-Effekt.

Dass bei all der Pracht die Geschichte nicht verliert, ist Yiu und einigen Einstreuungen zu verdanken, die auf den ersten Blick unwichtig erscheinen, aber später für eine gelungene Pointe sorgen.
Yiu, bei all ihrer kämpferischen Natur, ist überaus menschlich. Sie hat sich ein Herz bewahrt, einen Funken Anstand, Mitleid und sie besitzt die notwendige Intelligenz und Entschlossenheit, um die Dinge, wenn schon nicht zu ihren Gunsten, so doch wenigstens in Bahnen zu lenken, die ihr eine gewisse Genugtuung geben.

SciFi, knallhart, packend, schnell und doch bleibt genügend Zeit, damit Yiu als sympathische wie auch zerrissene Person dargestellt wird. Eine zynische, bitterböse Betrachtung einer Menschheitsentwicklung und einer Welt, in der das Leben nichts mehr Wert ist oder falsche Ideale es wertlos machen. Vielschichtige Unterhaltung, die auch nach mehrmaligem Lesen immer Neues zutage fördert. Erste Klasse. 😀

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Donnerstag, 13. September 2007

Yiu – Die Armee des Neo-Mülls

Filed under: SciFi — Michael um 19:58

Yiu - Die Armee des Neo-MüllsYiu lebt in einer trostlosen Zukunft. Das Leben der Menschen ist stark verlängert. Aus heutiger Sicht ließe sich vielleicht auch von Unsterblichkeit sprechen. Doch im Sinne eines medizinischen Systems, dass immer teurer und unerschwinglicher wird, können nur noch die Reichen sich eine entsprechende Versorgung leisten.

In dieser Welt, öde, trostlos, lebensfeindlich, verdorben, ist ein richtiges Kind, geboren von einer richtigen Frau, eine Besonderheit, fast schon etwas Heiliges. Ein solches Kind verdient jegliche Beachtung, die nur möglich ist. Ein solches Kind zieht auch die Aufmerksamkeit krimineller Elemente und Terroristen auf sich. In dieser Zukunft sind die Bedingungen allerdings anders als in unserer Gegenwart: Neid kann zu einem wichtigen Antrieb für den Terrorismus sein. In diesem Fall ist es der Neid auf eine natürlich geborene Existenz.

Das Kind wird entführt. Die Forderung lautet: 198.000 Dollar. Trifft das Geld innerhalb von 48 Stunden ein, stirbt das Kind einen sauberen und schnellen Tod. Ansonsten wird es leiden, 72 Stunden lang.
Es geht nicht mehr um Leben und Sterben. Es geht nur noch darum, wie man stirbt.

In der Welt von Yiu sind Lebensformen entstanden, die es eigentlich so nicht geben dürfte. Diese Wesen ließen sich Menschen nennen – wenn sie es denn selber so wollten. Ihre Existenz ist brutal, einsam. Sie sind Die Armee des Neo-Mülls. Menschliche Körper, die nur dazu gezüchtet wurden, um ausgeschlachtet zu werden, als Ersatzteillager für den originalen Menschen, dessen Klon sie sind. Diese Wesen haben nichts zu verlieren, nur zu gewinnen.
Yiu ist nur 16 Jahre alt, als sie den Auftrag annimmt, das Kind zu befreien. Das kleine Mädchen befindet sich in einem elendig langen und schwer bewaffneten Zug, der sich seinen Weg durch eine verschneite Landschaft bahnt. Yiu hat nicht mehr viel Zeit, doch sie bewältigt die schwierige Aufgabe scheinbar mit absoluter Leichtigkeit.

Yiu – Die Armee des Neo-Mülls von Téhy, J.M. Vee und Vax entführt in eine Zukunft, die grauenhaft, düster ist. Eine Welt, in der sich High-Tech und tragische Gestalten treffen, eine Mischung aus Blade Runner und Runaway Train, schnell, wie der Zug, auf dem die Handlung stattfindet.

Téhy und J.M. Vee sind für das Szenario verantwortlich, das wohl zu den schlimmsten Zukunftsbildern der letzten Jahre im Comic-Genre, vielleicht auch im Science Fiction-Genre gehören dürfte. Die Autoren haben eine Hauptfigur geschaffen, die selber nicht ganz freiwillig diesen gefährlichen Auftrag übernimmt. Yiu ist selbst noch ein Kind, jedoch ein selbst ein gefährliches, hier sogar ein tödliches, dessen Fähigkeiten ein wenig an starke junge Frauen wie Dark Angel erinnern.
Der Start der Geschichte bietet eine kurze Einleitung, bevor Yiu zu Werke geht. Ihr Einsatz beginnt mit einem Absprung, den sie im freien Flug bewältigt. Noch im Flug gerät sie unter Beschuss, gleich bei ihrer Landung tötet sie ihre ersten Gegner. Yiu führt ihren Kampf mit äußerster Brutalität, aus der Not geboren, sie tötet, wie es sich gerade ergibt. Nicht elegant, so doch wenigstens so schnell wie möglich.

Zuerst ist es nicht ersichtlich, wohin sich die Geschichte bewegt. Sicherlich ist eine gelungene Action-Handlung unterhaltsam, aber sie hinterlässt keinen nachhaltigen Eindruck.
Yius Einsatz erfährt immer mehr Tiefe, je mehr Informationen sie über den vorliegenden Fall erhält. Es mag schwierig sein, Mitleid mit diesen Kreaturen zu empfinden, die das Kind entführt haben, aber ihre Motivation erfährt eine glasklare Begründung – jedenfalls aus einer verzweifelten, verdrehten Sicht heraus.
Denn verzweifelt sind diese Wesen, die sich bemühen, mittels zahlreicher Implantate doch ein Leben zu führen, wenigstens irgendein Leben.

Je mehr die Geschichte ihren Lauf nimmt, desto mehr raubt sie Illusionen über eine gute Wendung. Die Autoren lassen den Leser voll auflaufen. Ungewöhnlich, aber drastisch, realistisch, denn ein möglicherweise zu Herzen gehender Schluss hätte nicht gepasst – obwohl, bei genauer Betrachtung geht auch dieser Schluss zu Herzen, nur eben ganz anders, als man es erwartet hätte.

Die drastische Geschichte bringt hier auch eine drastische Optik mit sich. Téhy, der hier zweigleisig arbeitet, und Vax erschaffen hier zusammen mit dem kolorierenden Team von Oxom FX eine ungeheuer düstere Sicht auf die Handlung. Die Technik, das Design der Anzüge wie auch der Kreaturen könnte den Hirnen der Erfinder der Borg entsprungen sein. Wer sich diese SciFi-Wesen in einer verwahrlosten Zukunft vorstellt, die Star Trek so niemals zeigen würde, kommt der Atmosphäre, die sich bei Lesen einstellt, schon recht nahe.

Yiu ist keine Geschichte für Fans von Hochglanz-Science Fiction. Hier wird geschossen, geschlagen, seziert, zersäbelt, explodiert. Brutalität ist hier ein Abbild des Grundgefühls dieser Welt. Die Wesen des Neo-Mülls sind nichts wert und werden gnadenlos beseitigt. Die bildliche Darstellung fällt entsprechend aus und versteckt nichts.
Nichtsdestotrotz ist der Auftakt von Yiu grafisch höchst beeindruckend und aufwändig gestaltet. Hier werden viele Möglichkeiten der computerunterstützten Kolorierung bis an die Grenze ausgereizt.

Ultra spannend, aber auch ultra brutal, ein sehr genau durchstrukturiertes Szenario mit viel Hintergrundwissen der eigens erfundenen Welt in Szene gesetzt, man nehme zur Sounduntermalung einen fetzigen Heavy Metal Track und tauche ab in absolut düstere SciFi – nichts für schwache Gemüter! 🙂

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