Mittwoch, 15. August 2007
Einer lebt, einer stirbt. Doch wenn ein Zwilling stirbt, hat der Überlebende die Kraft von Zweien! Wer vermag zu sagen, ob Elvis tatsächlich als kleiner Junge zusammengeschlagen wurde und danach die Worte ausrief: Eines Tages werdet ihr euch dafür schämen!
Elvis fand schnell den Weg zur Musik. Es begann mit dem Gospel, der schwarzen Kirchenmusik und Lobpreisung Gottes, die so ganz anders war als der übliche Kirchengesang. Es war diese Musik, die Elvis einen Weg eröffnete, wie ihn nur wenige Menschen finden. Wenig später, noch ein Kind, wagt sich Elvis an seinen allerersten Auftritt. Der zweite Platz eines Gesangswettbewerbs, fünf Dollar und freie Fahrt auf allen Karussells sind der Lohn für seine Mühen. Zu seinem elften Geburtstag bekommt der Junge seine erste Gitarre geschenkt.
Elvis hat sich den Traum vom Glanz eines Sängers in den Kopf gesetzt. Ein Sänger braucht das richtige Outfit. Aber ein ansprechendes Erscheinungsbild hat seinen Preis – den Elvis nicht bezahlen kann. Es trifft sich, dass so mancher in Elvis etwas entdeckt. So auch Mr Lansky, der Elvis mit einigen guten Kleidungsstücken weiterhilft: Der Junge hat was. Von dem werden wir noch ne Menge hören oder er fällt gewaltig auf die Schnauze.
Mr Lansky hatte mit beidem Recht.
Anders als die anderen! In einer Zeit der Vorurteile war es für Elvis ein Glück, dass es einen Plattenproduzenten gab, der einen Weißen suchte, der klang wie ein Schwarzer. Bald ist es soweit. Die erste Single sitzt. Mr Lansky, der Herrenausstatter, bekommt alle Hände voll zu tun, diesmal auch gegen sofortige Bezahlung. Elvis’ Aufstieg beginnt. Der Colonel tritt in Elvis’ Leben. Der Mann hinter dem zukünftigen King legt einen Grundstein, aber auch einen Stein, der alles andere ins Rollen bringt. Elvis wird Schauspieler. Elvis kauft Graceland. Elvis kauft und verschenkt Caddys. Als die Army ruft, hat Elvis einen der Höhepunkte seines Lebens erreicht. 1958 wird er einberufen, er ist 23 Jahre alt. Die Folgezeit seines Armeedienstes ist tragisch und glücklich zugleich. Seine von ihm sehr geliebte Mutter stirbt. Aber er lernt in Deutschland auch seine spätere Frau Priscilla kennen.
Schließlich wird es immer kälter um Elvis. Seine spendable Art lässt nicht mehr erkennen, wer sein wahrer Freund ist und wer nicht. Mit dem Zusammenbruch seiner kleinen Familie beginnt ein unaufhaltsamer Abstieg, der nur durch einige wunderbare Glanzlichter unterbrochen wird. Am 16. August 1977 stirbt Elvis Presley, der King, doch er stirbt nicht wirklich, denn seine Musik macht ihn unsterblich.
30 Jahre nach seinem Tod erscheint nun die Die illustrierte Biografie von Elvis, die einige wichtige Episoden seines Lebens zusammenstellt. Unter der Federführung von Reinhard Kleist und Titus Ackermann haben verschiedenste Zeichner ihren Beitrag geleistet, um einen Teil von Elvis’ Leben zu Papier zu bringen. Bela B., Ärzte-Rocker mit langjährigem Hang zum Comic, schrieb das Vorwort zu diesem Projekt.
Die gestalterische Auswahl, die sich dem Leser hier präsentiert, wird wahrscheinlich nicht jedem gefallen. Zu unterschiedlich fallen die Ergebnisse der einzelnen Episoden aus. Einige haben einen schon kindlichen Zeichencharakter, andere sind in höchstem Maße ausgefeilt und können entweder als Comic oder als professionelle Illustration bestehen. Als Leser ist es ratsam, die Bilder stets mit dem jeweiligen Alter von Elvis in Verbindung zu bringen. Nimmt man sich vor, die Bilderwelt mit dem Zusammenhang in Beziehung zu setzen, lernt man außerdem ein Gefühl für Elvis’ Welt und Zeit kennen.
So gestaltet sich Elvis’ Kindheit eher simpel. Die Erinnerungen sind schlicht und entsprechen dem Gemüt eines Kindes, wie auch seinen Fähigkeiten, sich auszudrücken. Es ist eine eher graue Welt mit nur wenigen Farbtupfern, aus der Elvis spätestens mit einer knallroten Jacke ausbricht – in Farbe und Schnitt ein Kleidungsstück, das auch dem Rebell James Dean zum zeitweiligen Idol-Status verhalf.
Holzschnittartig, eher düster, eine Zeit der Plackerei, so zeigt sich der Weg bis zu Elvis’ Durchbruch, bevor seine wahrscheinlich beste Zeit anbricht.
Reinhard Kleist gestaltet die gelungenen Abschnitte um den G.I. Blues und Das Elvis-Produkt. Grafisch in höchstem Maße perfekt ausgeführt und mit außerordentlicher Wärme gezeichnet ist die Episode Der Colonel von Thomas von Kummant. Es ist die Zeit, in der Elvis strahlt und sein Lächeln die Menschen in seiner Nähe schlicht umhaut. Es ist die Zeit des Aufbruchs, eines grenzenlosen Tatendrangs, eine Zeit, von der Elvis immer geträumt hat. Kummant trifft den Ton dieser Zeit absolut.
Isabel Kreitz widmet ihre Episode der Zeit nach Elvis’ Militärdienst. Seine ersten Auftritte, seine Zweifel, ob das Publikum ihn noch will – in einer Art Stil, der an Bernie Wrightson erinnert, ihn aber nicht erreicht.
Schließlich geht Elvis’ Leben in eine Art Schussfahrt über. Die Episoden werden brutaler. Elvis ist Emotionalität pur, aber so überschäumend, dass er die kleinen, die wichtigen Gefühle übersieht. Glaubt man der Biografie, so bringt er auf diesem Weg seine Ehe zu Fall, die ihm doch den wichtigsten Halt nach dem Tode seiner Mutter gegeben hat.
Je näher Elvis dem kommt, was er sich immer gewünscht hat, umso abstrakter wird sein Leben – auch optisch. Am Ende bleibt nur ein Zerrbild. Da ist nichts Schönes mehr, nicht in seiner Musik, nicht in seinen Auftritten. Elvis ist zur Maschine geworden, die als Treibstoff Tabletten einwirft. Uli Oesterle und Frank Schmolke karikieren und demontieren den King, der sich selbst nicht mehr im Griff hatte und die Realitäten nicht sehen konnte. Selbst als der Colonel ihm die Pleite vor Augen hält, will der King sich der Realität nicht stellen.
Es stellt sich der Eindruck ein, dass diese Biografie auch ein Urteil fällt. Man mag einige Bilder nicht mögen, andere lieben, im Kontext jedenfalls sind sie passend und aussagekräftig. Ein aufregendes und tragisches Leben in Episoden, die es in sich haben. 🙂
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Montag, 09. April 2007
Wer von Deutschlands großen Denkern spricht, spricht von Goethe. Wer von Literatur spricht, denkt an Goethe. Goethe ist in den Köpfen der Deutschen wie auch der Welt, der Literat Deutschlands. Als Dichter und universaler Denker hat er den Olymp der Kunstfertigen bestiegen. Sein Faust hat ihn unsterblich gemacht.
Es hat der Autor, wenn er schreibt, so was Gewisses, das ihn treibt.
In jungen Jahren ist Goethe noch kein Getriebener. Natürlich wird sein Talent sichtbar, aber er lässt sich auch treiben, was seinem Vater manchmal die Sorgenfalten auf die Stirn treibt.
Nach einer sorgenfreien Jugendzeit zieht es den 16jährigen Goethe zum Studium der Juristerei nach Leipzig. Die Stadt mit ihren Messen und ihrer Weltoffenheit ist eine so ganz andere Welt, als er sie bisher kennengelernt hat. Die Privilegien, die er infolge seiner Abstammung genießt, nützt er weidlich mit seiner Unterkunft aus. Sein Studium hingegen verfolgt er ausreichend, aber bei weitem nicht mit dem gebotenen Ehrgeiz. Die schönen Künste haben es ihm angetan. Er schreibt und dichtet selber, er liebt das Theater und die Musik und natürlich erfreut er sich an den Ausschweifungen des Studentenlebens. In Leipzig hört er die ersten Legenden über den Herrn Doktor Faust.
In der ersten Geschichte über die jungen Jahre Goethes tragen der Autor Friedemann Bedürftig und der Zeichner Christoph Kirsch verschiedene Details über Goethes erste Schritte in der Welt zusammen. Die Erzählung ist ein Mosaik, bruchstückhaft und konzentriert sich in dieser Form auf die Kleinigkeiten, die Goethes späteres Leben maßgeblich beeinflusst haben. Neben den zahlreichen kulturellen Einflüssen waren das freilich auch die Menschen. Allen voran die Mitglieder seiner Familie, aber auch die Frauen, die ihn liebten und zu denen er sich hingezogen fühlte.
Es war eine Zeit einer gewissen Naivität in Goethes Leben, jedenfalls macht es den Anschein und drückt sich auch in den Zeichnungen so aus, die eine heile Welt um Goethe herum abbilden.
Goethe wird Anwalt, doch seine Liebe gilt der Dichtkunst. Sein Vater deutet das juristische Desinteresse als Faulheit und schickt den jungen Mann zur weiteren Ausbildung nach Wetzlar. Dieser Gang wird zum Wendepunkt in Goethes Leben. Die Liebe verleitet ihn zu seinem Roman Die Leiden des jungen Werther, der ihn über Nacht berühmt, aber auch berüchtigt macht. Das Ende der Romanfigur wird zum Vorbild manches lebenden unglücklich Verliebten. Sie erschießen sich. Die Kirche geht mit Goethes Werk hart ins Gericht.
Doch wie es auch heute der Fall ist: Ein Werk, das verdammt wird, macht die Öffentlichkeit erst recht neugierig.
Mit Gefühlen kann er gut umgehen und sie beschreiben. Er selber ist nicht so leicht bereit sich ihnen zu stellen. Eine geplante Hochzeit lässt er platzen. Ein weiterer großer Wendepunkt in seinem Leben führt ihn nach Weimar, wo er von der Obrigkeit mit offenen Armen empfangen wird. Die Weimarer Zeit wird zu einem seiner wichtigsten Abschnitte in seinem Leben.
Bedürftig und Kirsch folgen diesen Tagen, in denen sich Goethe immer weiter entwickelt. Faust, Erlkönig und das dringende Bedürfnis, einmal das klassische Italien zu sehen sowie noch viele weitere Begebenheiten und Einflüsse bereichern Goethes Leben, der vom Treibenden endgültig zu einem Getriebenen wird.
Die inhaltliche Fülle, die alleine diese Lebensbeschreibung des Dichterfürsten und späterem Geheimrats zu bieten reicht nach noch für viel mehr, so dass Goethes zeitweilige Unzufriedenheit, so wie sie sich hier abbildet, kaum nachzuvollziehen ist. Auch lässt sich die mangelnde Reife nicht zur Gänze verstehen. Einzig, dass sie ihn bis zum Schluss antrieb, weil er durch ihre Neugier immer neuen Ansporn erfuhr, lässt sich sehr gut nachvollziehen.
Mit Goethes Heimkehr aus Italien endet die Episode Zum Sehen geboren.
Bedürftig erzählt das Leben Goethes fort mit Zum Schauen bestellt. Hier findet sich mit Thomas von Kummant ein neuer Zeichner, dessen Bilder von Benjamin von Eckartsberg koloriert wurden.
Die Bilder sind sehr viel ernsthafter gestaltet und befassen sich mit dem Leben und Wirken Goethes in dessen zweiter Lebenshälfte. Die Werke wurden schwerer, gewichtiger, die Beziehungen viel wichtiger, hier ganz besonders erwähnenswert die viel zu kurze Freundschaft zu Schiller.
Der zweite Teil beginnt zugleich mit dem Auftakt zu Faust und der verhängnisvollen Wette zwischen Gott und Mephisto. Doch das Leben ist auch so aufregend genug, denn der Krieg gegen Frankreich hält Europa in Atem. Goethe lässt sich nach dieser Erzählung nicht sehr von Ereignissen beirren, obwohl er sie hautnah erlebt.
Viel, viel wichtiger ist seine Beziehung zu Schiller, in dem er endlich einen Seelenverwandten gefunden zu haben scheint. Zwar hat Schiller auch seine Marotten, die dem Dichterfürsten ein merkwürdig vorkommen – so zum Beispiel Schillers Tick, verfaulte Äpfel aufzubewahren, weil er von dem Geruch einen rauschhaften Zustand erlangt. Es ist beeindruckend, wie Schiller gemeinsam mit Goethe den Wilhelm Tell spinnt.
Die Geschichts- und Deutschstunde ist viel spannender und aufschlussreicher, als es der eigentliche Unterricht je fertig gebracht hat. Zwei Dichter, zwei Vollblutkünstler entwickeln den Tell mit all seiner Dramatik und es wird deutlich, dass Theater bei aller Poesie und Tiefsinnigkeit auch immer Unterhaltung gewesen ist.
Das gegenseitige Lob der beiden treibt sie voran in ihrer Arbeit und beflügelt sie regelrecht. Bei einer derartig tiefen Freundschaft, wie sie auch durch diese Biographie deutlich wird, lässt sich der tief empfundene Verlust nachvollziehen, den Goethe bei dem Tode Schillers empfunden haben muss.
Goethe steigt weiter hinauf, in den Dichter-Olymp, wohin ihm nach Schillers Tod keiner zu folgen vermag. Freunde verlassen ihn außerdem, weil der Tod sie abberuft. Goethe wird einsamer als jemals zuvor. Er ist seine eigene Legende geworden, jemand, der mit Schillers Totenschädel spricht.
In seinen spätesten Jahren, 73, verliebt sich Goethe ein letztes Mal – in eine 19jährige. Der Geheimrat ist ein wenig richtungslos geworden und verfällt ein wenig in die Verhaltensweisen seiner Jugend. Tragisch erlebt er den Tod des Sohnes. Mit letzter Kraft schafft er den 2. Teil von Faust und beendet damit sein Lebenswerk.
Das rastlose, schaffensreiche Leben Goethes wird aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet, stets respektvoll, sehr ernsthaft, aber auch unterhaltsam, untermalt von Ausschnitten seines Schaffens. Die einzigartigen Facetten zeigen den Künstler und Menschen. Als Künstler einzigartig, als Mensch gewöhnlich mit allen Wünschen, Ängsten und Sorgen. Wer sich Goethe auf unkonventionelle Art nähern will, sollte diesen Comic lesen. 🙂
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