Der Drache kann nicht besiegt werden. Die Drachenritterin, die versuchte ihn zu töten, hat nicht überlebt. Die Schwestern der Rache greifen ein. Ihre Aktion ist schnell ausgeführt. Das Ergebnis ist gewaltig. In einem riesigen Umkreis überlebt nichts – auch kein Drache.
Kurze Zeit darauf kommt eine kleine Expedition in das Gebiet. Eigentlich sollten Hairin und seine Begleiter, die blinde Cousine Saira und seine kleine Nichte Amel, längst auf der Heimreise sein, denn Hairins Bruder erwartet sie längst zurück. So aber sind die drei die ersten, die das zerstörte Gebiet durchqueren und einige gute Funde machen. Darunter befindet sich auch das Schwert einer Drachenritterin – jener Ritterin, die den Kampf mit dem Monster nicht überlebte.
Derweil ist auch die Drachenritterin Mara auf dem Weg in ein verseuchtes Gebiet. Ihre Aufgabe muss gelöst werden, bevor die Schwestern der Rache eingreifen können. Ihre Ankunft in Ortschaften verbreitet sich stets wie ein Lauffeuer. Ein Drachenritter weckt Hoffnungen und zeugt von Abenteuern, die sich jene, die sie erblicken, gerne in Gedanken ausmalen.
Mara wird gebeten einen Fall zu entscheiden, um herauszufinden, ob es sich vielleicht um das von Drachen verbreitete Übel handelt. Hier kann Mara beweisen, dass Drachenritter viel mehr sind als nur Kriegerinnen. Ihr besonnenes Auftreten bringt ihr zusätzlichen Respekt bei den Menschen ein. Schnell kann der Verdacht beseitigt werden. Es ist nur die Pest – was schlimm genug ist.
Hairin, der inzwischen nach Hause zurückgekehrt ist, wird von seinem Bruder heftig zurechtgewiesen. Der kleine Abstecher in das ehemals verseuchte Land hat dem Familienunternehmen viel Zeit und Geld gekostet. Der große Bruder hat genug von den Eskapaden Hairins. Die nächste Expedition begleitet er selbst.
Ohne es zu wissen haben sie ein ähnliches Ziel wie die Drachenritterin. Schließlich geraten sie in einen Landstrich, der ohnehin nicht bewohnt ist, weil er seit jeher wüstenähnliche Eigenschaften besitzt. Nach und nach verändern sich die Verhaltensweisen der Reisenden. Immer mehr Aggression und körperliche Gewalt wird nach oben gespült. Als sich der Einfluss des Übels nicht mehr leugnen lässt, beginnen die ersten körperlichen Veränderungen. Es gibt kein Zurück mehr.
In der dritten inhaltlich abgeschlossenen Episode aus der Reihe Die Legende der Drachenritter mit dem Titel Das leblose Land breitet das Autorenduo Ange eine sehr tragische Geschichte vor dem Leser aus.
Wie in einer Tragödie ist das Ende vorgezeichnet. Der Weg dorthin allerdings hält Überraschungen bereit, die zeitweilig sehr mitreißend sind. Zwei Blickwinkel werden dem Leser gestattet. Amel, das kleine Mädchen, schaut diese Welt mit Augen, die Hoffnung und Wunder suchen. In diesen Augen sind Drachenritter besonders faszinierend. Mara ist die Drachenritterin. Sie ist sehr selbständig und professionell in ihrer Arbeit, doch die Grundlage für ihren Status nagt auch an ihr. Um den Drachen bekämpfen zu können, muss sie ihre Jungfräulichkeit bewahren, damit sie vor dem Übel gefeit ist. Doch zahlt sie mit diesem Preis auch dafür, niemals eine eigene Familie haben zu können.
Mara dürfte die Drachenritterin aus den bisherigen drei Bänden sein, die angesichts ihres jugendlichen Alters sehr erwachsen wirkt. Wie sie während der Pest-Diagnose gezeigt wird, während ihrer Auseinandersetzung mit Wegelagerern und im Gespräch mit Stadtoberen, ist in jeder Szene absolut auf den Punkt gebracht.
Sie ist aber auch ein Gegensatz zu Amel, in deren Familie es mehr Leid als alles andere gibt. Mara ist nur sich selbst und dem Orden verantwortlich. Zwar hat sie noch eine verheiratete Schwester, aber eine richtige Familie ist es nicht, da sie sich emotional davon lösen kann, um effektiv ihren Job zu verrichten.
In der Familie von Amel ist von Effektivität keine Spur zu sehen. Der älteste Bruder tyrannisiert die Familie aus einem Minderwertigkeitsgefühl heraus. In seinem Innersten ist er zutiefst verstört und auch einsam. Erst das Übel kehrt das Innerste nach außen. Die Auseinandersetzung, die der Leser daraufhin zu sehen bekommt, ist verstörend und gruselig.
Ange liefern hier ein Paradestück ab, dass aus der Feder eines Altmeisters wie Stephen King entsprungen sein könnte.
Der Zeichner Sylvain Guinebaud hat einen sehr schönen Zeichenstil, sehr realistisch, mit einer Spur Disney. Die fast schon heiter zu nennende Optik dieses Stils steht in einem guten Gegensatz zur Handlung, macht sie doch die zeitweise auftretenden Auswüchse besonders drastisch und erschreckend. Dies mag auch an der sehr gelungenen Farbgebung durch Stéphane Paitreau, der einen milchig, echten Farbauftrag pflegt.
Wie auch in den Vorgängerbänden liegt natürlich ein wichtiges Augenmerk auf den Drachen. Hier dürfen wir gleich zwei Exemplare sehen. Diese sind eher klassisch, ein wenig echsenhaft, bedrohlich anzuschauen, aber mehr realistisch ausgeführt. Das passt sehr gut in das Konzept des Bandes, dessen Schwerpunkt eindeutig in der Familie zu suchen ist, dort, wo das wirkliche Grauen am Ende ausbricht.
Interessant ist das Auftreten der Schwestern der Rache, die gleich zu Beginn ein wahres Inferno entfachen, das an die Explosion einer Atombombe erinnert. Es wäre wünschenswert, wenn Ange das Rätsel um diese magische Fähigkeit noch irgendwann lüften.
Perfekte Fantasy, sehr feinfühlig und realistisch erzählt. Der Zeichenstil unterstreicht die gelungene Atmosphäre, die in einem wahren Horrorszenario mündet. Top! 😀
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