Ein mörderischer Kampf. Noch einer. Für Yiu ist das nichts Neues. Kampf ist ihr Beruf, ihre Aufgabe, dafür lebt sie. Dieser Gegner jedoch ist außergewöhnlich. Das Schlachtfeld auch, denn um sie herum toben die Beobachter und lassen sich keine Bewegung entgehen.
Gegen den Krieger in der riesigen Rüstung wirkt Yiu verloren und klein. Ihre Aktionen besagen allerdings etwas anderes. Bereits seit über fünf Minuten ist der Zweikampf im Gange. Allein dies ist eine schier unmöglich lange Zeit, die so noch niemand geschafft hat. Doch schließlich passiert das, was jeder der Schaulustigen und ihr Gegner sowieso geahnt hat: Yiu fällt!
In einer Zeit, in der sich jeder seine Werte und Ideale selber macht, erhält Yiu die heikle Aufgabe in die Festung eines Kriegerclans einzudringen. Selbst für Yiu, die für den Kampf geboren zu sein scheint, ist diese Aufgabe die wohl schwierigste in ihrem ganzen Leben.
Die Ehre erhebt den Menschen und verschafft ihm Ruhm. Sie ist der Lebenssaft alles Göttlichen.
Wüsste Yiu, dass sie im Auftrag eines Wahnsinnigen unterwegs ist, wie würde sie darüber denken? Als Yiu tot ist, erlebt der Leser, wie es zu dieser Aufgabe kommen konnte. Wir erleben in vielen Details, wie Yiu auf ihre Aufgabe vorbereitet wird und zahlreiche Operationen über sich ergehen lassen muss. Aus der jungen Frau ist trotz ihrer vielen natürlichen Talente ein Cyborg geworden. Ein normaler Mensch ohne künstlich erzeugte Fähigkeiten hat in dieser Welt keine Chance mehr.
War der erste Teil der Yiu-Saga außerordentlich düster und ein Spießrutenlauf im wahrsten Sinne des Wortes, gewinnt die Zukunft um athletische Kämpferin mit dem zweiten Teil eine weitere Dimension hinzu.
Glaubte man als Leser, die Religiosität habe sämtliche sonstigen Ideale und Institutionen abgelöst, präsentieren uns Téhy, Vax und J.M. Yee eine Enklave, in der die uralten Werte asiatischer Kriegerkasten hoch gehalten werden. Ausgerechnet in ein solches Gebiet, in dem der Kampf alles ist, der Weg des Kriegers das Ziel, muss Yiu eindringen, um einen simplen Diebstahl zu vollbringen.
Im Vergleich zum ersten Teil sind die Räumlichkeiten und Entfernungen, die Yiu zurücklegen muss beinahe sauber, reinlich zu nennen. Reinheit ist ein zentrales Thema (auch schon im ersten Teil). Bei ihrer ersten Mission stand die genetische Reinheit im Vordergrund, der Wunsch als Klon nicht als Ersatzteillager für normal geborene Menschen zu dienen. Diese zweite Mission führt sie unter Menschen, deren Ideal die Ehre und der Kampf ist. Yiu kann in beiden Fällen bestehen, da sie nur ihren eigenen Idealen und Notwendigkeiten folgt. Ihr Körper wurde in eine Waffe verwandelt, die durch zahlreiche Komponenten gegen einen Totalausfall weitestgehend gefeit ist. – Was nicht heißen mag, dass Yiu keine Schmerzen empfindet. Davon erntet sie reichlich. Bei genauer Betrachtung ist diese Mission ein noch größerer Höllenritt als der vorherige. Die Autoren und Zeichner schenken Yiu wirklich nichts.
Wer den Endspurt betrachtet und sieht, wie Yiu zum ersten Mal Furcht im Angesicht ihrer Feinde empfindet – weil ihr doch noch ein Ehrbegriff innewohnt, eine letzte Grenze, die sie nie übertreten wollte.
Die Optik ist kolossal. In vielen Einstellungen präsentiert sich dem Leser zu Beginn ein wahres Schlachtengemälde, eine Art Mischung aus französischen und japanischen Merkmalen. Kampfläufer sind in der Tat nichts anderes als vielläufige wandelnde gigantische Schusswaffen. Krieger in martialischen Rüstungen rücken schnell vor, und gepanzerte Kamele tragen ihre Reiter in die Schlacht.
Yius Gegner, dem sie sich in einer Arena stellen muss, scheint in seiner prachtvollen Rüstung zu versinken. Mit Verzierungen versehen und von Abwehrstacheln gekrönt sind diese Details nur die Vorschau auf eine gewaltige Festung, die wie ein eigenständiges Wesen aus dem verseuchten Dreck des Landes emporragt. Riesige Gesichter asiatischer Dämonen prangen mit aufgerissenen Mäulern auf der Außenmauer und warnen jeden potentiellen Eindringling.
Doch nicht nur das. Die Technik, in der Schlacht bereits gesehen, äußert sich in den Bereichen der Medizin mit sehr kompliziert aussehenden Apparaturen, in der Fortbewegung in riesigen fliegenden Festungen.
Der Technik gegenüber steht die Mystik, eine archaische Religiosität die einen totalen bildhaften Gegensatz zur übertechnisierten Welt dieser furchtbaren Zukunft bildet. Jene Bilder, Installationen, in bester Bühnenbildmanier ausgeführten Grafiken sind fantastisch anzusehen wie auch fantastisch im Hinblick auf einen dunklen Fantasy-Effekt.
Dass bei all der Pracht die Geschichte nicht verliert, ist Yiu und einigen Einstreuungen zu verdanken, die auf den ersten Blick unwichtig erscheinen, aber später für eine gelungene Pointe sorgen.
Yiu, bei all ihrer kämpferischen Natur, ist überaus menschlich. Sie hat sich ein Herz bewahrt, einen Funken Anstand, Mitleid und sie besitzt die notwendige Intelligenz und Entschlossenheit, um die Dinge, wenn schon nicht zu ihren Gunsten, so doch wenigstens in Bahnen zu lenken, die ihr eine gewisse Genugtuung geben.
SciFi, knallhart, packend, schnell und doch bleibt genügend Zeit, damit Yiu als sympathische wie auch zerrissene Person dargestellt wird. Eine zynische, bitterböse Betrachtung einer Menschheitsentwicklung und einer Welt, in der das Leben nichts mehr Wert ist oder falsche Ideale es wertlos machen. Vielschichtige Unterhaltung, die auch nach mehrmaligem Lesen immer Neues zutage fördert. Erste Klasse. 😀
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