Liebe kann zu großen Problemen führen, auch bei den X-Men. Havok und Lorna versuchen ihre Probleme zu bewältigen. Gambit versucht seiner zwiespältigen Gefühle Herr zu werden. Rogue ist mehr als nur missmutig gestimmt. Die Neue, Foxx, ist ihr ein Dorn im Auge. Die Überraschung aller X-Men ist groß, als Foxx die Maske fallen lässt.
Der Fuchs im Hühnerstall, Mystique, hat das Alleinsein satt. Nachdem die Bruderschaft der Mutanten keine Rolle mehr spielt und ehemalige Bösewichte bei den X-Men Unterschlupf fanden, will sie auch kein Dasein am Rande mehr fristen. Freilich ist ihre Vorgehensweise nicht dazu angetan, Begeisterung unter den ehemaligen Gegnern hervorzurufen. Selbst ihre Kinder, Rogue und Nightcrawler alias Kurt Wagner, äußern ihren Unmut, jedes auf seine Weise. Während Rogue verabscheut, wie Mystique versuchte sie und Gambit auseinander zu bringen, ist Nightcrawler deutlich verhaltener in seiner Argumentation.
Und nicht nur das! Onyxx, ein Schüler, ein Riese und ähnlich steinern anzuschauen wie das Ding der Fantastischen Vier, ist ebenfalls in Foxx verliebt. Er kann es nicht ertragen, dass er durch Mystique genarrt wurde. Eine weitere Tragödie nimmt ihren Lauf.
Wenn die Realitäten sich verändern, kann dies Im Zeichen der Hexe geschehen. Eben noch kämpften die X-Men in Ostafrika gegen Hightech-Piraten, die Waffenmeister, da bricht, so scheint es, das Ende der Welt über sie herein. Plötzlich vermischen sich die Realitäten. Die Dimensionen gehen ineinander über. Zwar sind X-Men immer noch X-Men, aber es geht nicht mehr um Gerechtigkeit, sondern nur noch um das blanke Überleben.
Wenn einer sich amüsieren will, dann kann er was erleben. Ähnlich ergeht es Dr. Hank McCoy, dem Beast, in Eine Nacht in der Oper. Zusammen mit Kitty Pride möchte er einen schönen Abend erleben. Leider hat sich Hanks Äußeres mit den Jahren ziemlich verändert. Das Beast von einst existiert nicht mehr und hat einem katzenartigen Wesen mit blauem Fell Platz gemacht. Eben muss er sich noch mit einem hochnäsigen Portier herumärgern, als ihn die Welt der Verbrecher einholt und er wieder zeigen kann, was in ihm steckt.
Vier verschiedene Geschichten aus dem Universum der X-Men sind diesmal die Garanten für Spannung und Unterhaltung in der vorliegenden 65. Ausgabe der X-Men-Reihe. Der Auftakt ist auch gleichzeitig ein Abschluss einer Fortsetzungsgeschichte. Bizarres Liebesdreieck löst den Plan Mystiques auf. Die Idee der blauen Gestaltwandlerin kommt überraschend, aber ist nicht ungewöhnlich im Handlungsstrang der X-Men. So mancher Bösewicht hat bisher die Chance wahrgenommen, um die Seiten zu wechseln. Einer der bekanntesten dabei dürfte wohl der Juggernaut gewesen sein, der gleichzeitig auch zu einer sehr tragischen Figur gemacht wurde. Das Rezept, einem beinahe geläuterten Charakter einen neuen Tiefschlag zu versetzen, um ihn zu prüfen, funktionierte bei sehr exzellent. Mystique hingegen ist ein ganz anderes Kaliber. Sie produziert lieber Tragödien, als sich selbst in die Opferrolle zu begeben. So betrachtet verarbeitet Autor Peter Milligan Mystiques Charakter außergewöhnlich gut. Natürlich ist dem Leser sofort klar, dass Mystiques Plan, erst Unfrieden zu stiften, um dann in der Gemeinschaft der X-Men aufgenommen zu werden, nicht aufgehen kann. Zu sehr ist sie noch in ihren intriganten Verhaltensweisen verhaftet, die sie über die Jahre zu einer wahren Meisterschaft gebracht hat.
Zeichner Salvador Larroca setzt diesen Liebesreigen trefflich in Szene, der sich in Sachen Action deutlich zurücknimmt und stark auf die emotionale Ebene der X-Men abzielt. LIQUID!, das für die Farben verantwortliche Studio, liefert hier eine passable Leistung ab – passabel deshalb, weil LIQUID! Schon aufwändiger zu Werke ging. Dieser Qualitätslevel ist aber nur selten über längere Zeit aufrecht zu erhalten, denn letztlich dürfte es in der Produktion auch einen nicht unerheblichen Kostenfaktor ausmachen. Immerhin findet sich im Innenteil ein schönes Cover eines Kampfes zwischen Rogue und Gambit, koloriert von LIQUID!, das zeigt, wozu die Farbschmiede handwerklich in der Lage ist.
Der erste Teil der Geschichte Im Zeichen der Hexe bringt endlich einmal wieder die Arbeit eines meiner Lieblingszeichner: Alan Davis. Seine Bildkompositionen, die mich an das Zeichnerurgestein John Buscema erinnern, finde ich ungeheuer ausdrucksstark. Ich weiß nicht, wie groß die zeichnerische Freiheit von Davis war oder wie stark die Vorgaben von Autor Chris Claremont waren. Die doppelseitige Darstellung der Dimensionssprünge hat jedenfalls einige schöne Einfälle (der Hulk mit eigenem Dress, das Ding in X-Men-Uniform) und besticht durch eine tolle Dynamik.
Die Geschichte selbst ist eine gute Mischung zwischen Charakterentwicklung, einer gehörigen Portion Rätsel und natürlich mit viel Action abgeschmeckt.
Die letzten beiden Geschichten, die verstärkt auf Angel einerseits und das Beast andererseits eingehen, runden diese Ausgabe ab.
Wieder einmal bestätigt dieser Band, warum die X-Men zur erfolgreichsten Superhelden-Reihe (oder besser: Reihen) gehören. Ein pralles Lesevergnügen!