Gregory ist ein kleiner Junge in einer Zwangsjacke. Irgendwo in einer Anstalt weggesperrt lebt er in seiner ganz eigenen Welt.
Gregory soll geheilt werden, jedenfalls werden diverse Anstrengungen unternommen, um zu Gregory vorzudringen. Mit Tests, einer neuen Umgebung, sogar mit der Freiheit. Aber Gregory weiß auch, was gut für ihn ist.
Ick Gregory, sagt er und mehr muss er auch nicht wissen.
Gregory schwimmt absolut gegen den Strom und nimmt sich jede Freiheit, die sich ein Comic nehmen kann. Autor Marc Hempel lässt seinen Gregory, einen kleinen Jungen, der eine Zelle in einer Nervenheilanstalt bewohnt, Abenteuer erleben, das Leben erleben, wie der Leser es aus dieser Sicht kaum kennen kann. – Verrückt? Das sind die anderen!
Gregory ist keine Figur, mit der man Mitleid haben muss, weil sie so traurig und verloren ist, weil sie möglicherweise so krank ist.
Ich musste herzhaft mit Gregory lachen, nicht über ihn. Gregory nimmt das Leben selber von der lustigen Seite. Warum nicht einmal lachen, einfach darüber, dass man da sein darf – wo auch immer. Gregory hat diese Fähigkeit. Aber er lebt auch in dieser kleinen Welt, die überschaubar ist.
Da ist die Zwangsjacke, der Abfluss, das Zellengitter und die Tür und noch ein paar Kleinigkeiten, die sich bequem alle aufzählen lassen.
Seine Arme kann er nicht benutzen, aber es besteht auch keine Veranlassung dazu, da es nichts gibt, was sich mit den Händen bewegen lässt. Viel lieber schreit Gregory seine Begeisterung heraus. – Denn wie es sich auch zeigt, machen Hände und Freiheit so viel Spaß auch nicht. Zuerst ist es ganz schön, aber dann? Irgendwann ist alles ausprobiert. Was dann noch bleibt, ist die Angst vor der eigenen Courage. Wieviel bequemer ist doch da eine Zwangsjacke, die einem alle Entscheidungen abnimmt?
Nein, Gregory ist nicht so anders wie wir.
Nur ein einziges Mal hat man wirkliches Mitleid mit Gregory: Als Gregory entlassen wird. Die Welt da draußen bringt in nicht dazu, sich zu bewegen. Dazu ist sie bereits so schon hektisch genug. Der Mikrokosmos eines einzelnen Individuums scheint hier nicht mehr möglich zu sein. Allein, hilflos und vollkommen überfordert bleibt Gregory da stehen, wo man ihn frei gelassen hat.
Sein Sozialarbeiter sieht ihn stundenlang draußen stehen, vielleicht tagelang. Schließlich ist der kleine Gregory so erbarmungswürdig, dass sie ihn wieder hereinholen.
Aber warum lassen sie ihn überhaupt frei? – Weil einer wie Gregory da draußen gar nicht auffällt.
Dieser Eindruck entsteht jedenfalls, wenn man sich die kleinen Geschichten von Marc Hempel durchliest – und dies mit wachsender Begeisterung, weil der Spaß hier mit dem Lesen kommt. Man muss einfach wissen, was noch mit Gregory passiert.
Hempel muss gewusst haben, dass eine Figur wie Gregory alleine nicht besteht. Aus diesem Grund erhält er Mitstreiter, freiwillige Insassen, wenn auch keine menschlichen. Herman Vermin ist eine vorlaute schwarze Ratte, die einen richtigen Narren an Gregory gefressen hat. In seiner Begleitung taucht öfter die kleine Maus Wendell auf, deren Interesse nur auf Käse ausgerichtet ist.
Eigentlich ist Gregory eine Philosophie des täglichen Wahnsinns in uns selbst, doch die Ratte Vermin legt noch einen drauf. Vermin hat seine eigenen Vorstellungen vom Leben – und vom Tod. Er hat das Pech öfters von Gregorys Pfleger mit einer Schaufel platt gehauen zu werden. Vermin muss jedem von seinen Vorstellungen erzählen. So falsch liegt er damit nicht, leider verstehen ihn insbesondere menschliche Zuhörer nicht. Daher verkommt seine Philosophie zu einem tierischen Kabinettstückchen.
Zeichnerisch sind die Bilder schwarzweiß gehalten, skizziert, sehr anarchisch – sofern man Zeichnungen so betiteln kann. Einfach und schlicht, aber trotzdem entsteht nicht der Eindruck, dass etwas fehlt. Die Welt, die Hempel in kleinen, unterschiedlich langen Episoden erzählt, braucht nicht mehr, schließlich erfährt der Leser sie zumeist durch die Augen von Gregory (an der Seite von Gregory).
Wichtiger als die Zeichnungen ist vielmehr die Art des Erzählens. Hempel lässt sich nicht allein auf einen Weg ein, sondern variiert vielfach. Da finden sich reine Bilderabfolgen, die nur von Lauten unterbrochen werden – Laute, die Gregory hört oder selber ausstößt. Es gibt Erzähler, die aus dem Off um die Wette streiten, was als nächstes passieren wird. Da ist die Sicht aus Gregorys Augen, als sich die Erwachsenen seines Falles annehmen. Und schlussendlich gibt es die beiden Nager, die sich in Gregorys Welt einschleichen und diese mit ihrem Aktionismus bereichern, was Gregory zuweilen doch recht verdutzt dreinschauen lässt.
Gregory: Das bedeutet Spaß von Anfang bis Ende, ein intelligenter Humor, der einen hinterrücks trifft, der einen grinsen lässt, schmunzeln und lauthals lachen. Gregory ist eine Überraschung und zeigt, wie Comics auch funktionieren können! 😀
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