Jackie Estacado ist am Boden zerstört. Jenny ist tot. Die einzige Frau in seinem Leben, die ihm jemals etwas bedeutet hat, wurde geradezu hingerichtet. Sein Onkel schickte ihm ein Video. Nichts ahnend legte er das Band ein und sah den Tod des Menschen, den er aufrichtig liebte.
Dabei war es nicht Jenny, die etwas falsch gemacht hatte. Jackie hatte den Fehler begangen, jemanden in sein Leben zu lassen, der am Ende für seine Vergehen büsste. Ein Druckmittel, ein Rachemittel. Sein Onkel nutzte die Gelegenheit, um seinem Neffen für die Schmach bezahlen zu lassen. Atemlos beobachtet Jackie, wie Jenny von der tödlichen Kugel getroffen wird.
Aber Jackies Onkel hat einen großen Fehler gemacht. Nein, sogar zwei große Fehler. Erstens tötete er das Wertvollste, was Jackie in seinem Leben begegnet war. Zweitens glaubte Jackies Onkel, er habe es mit seinem Neffen mit einem ganz normalen Killer zu tun.
Jackies Rache fällt furchtbar und ohne Mitleid aus. – Denn Jackie ist kein einfacher Mafioso, sondern der Träger der Darkness, jedenfalls solange er sich der Liebe und dem Sex entzieht. Ein Verhältnis mit einer echten Frau bedeutet das sofortige Ende. In diesem Fall würde die Darkness auf den nächsten Träger übergehen. Die Frau, zu der er ein familiäres Verhältnis pflegte, die er wie eine Schwester liebte, war seine letzte Verbindung zu einem normalen Leben. Jetzt gibt es nur noch die Darklings, Gnome und Monster, geboren aus der Dunkelheit und Jackie hündisch ergeben, bereit, jeden seiner Befehle auszuführen.
Jackie glaubt zunächst, dass mit dem Tod seines Onkels die Angelegenheit ausgestanden sei. Auch er unterliegt einem Irrtum, denn die Nachfolger stehen schon in den Startlöchern. Der kleine Gangster, der sich am Ziel seiner Träume glaubt und der neue Pate wird, will auch Jackie in seine Schranken weisen. Estacado muss an seine Grenzen gehen. Plötzlich begegnen ihm Menschen, die auch ohne Darkness monströs sind und gnadenlos agieren.
Paul Jenkins hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen unter den Comic-Autoren gemacht. Die Darkness lebt unter seiner Federführung von einer gut durchdachten Geschichte ebenso wie von dunklem Humor, der natürlich über die Darklings zum Ausdruck kommt.
Eine Figur wie die Darkness ist nicht leicht zu treffen, weder emotional noch körperlich. Am Tage, bei Licht ist sie verletzlich. In der Nacht, in der Dunkelheit ist sie (scheinbar) unbesiegbar. Jenkins verletzt Estacado über einen Umweg, die einzige Lösung die plausibel erscheint. Jenkins lässt die Darkness Selbstmord begehen und überrascht mit dieser Vorgehensweise den Leser völlig.
Estacados Abgang ist grafisch beeindruckend, durch den Auftritt der Darklings mit dem nötigen bösen Witz versehen. Jackie wirft nur ein brennendes Feuerzeug in die Benzinlache, die sich über den gesamten Hallenboden ausbreitet. Die Darklings werfen sogleich noch mehr Feuerzeuge wie Konfetti hinterdrein.
Die Darkness stirbt!
Mit dem Tod, und natürlich der Wiederkehr, gehen neue Fähigkeiten einher, eigentlich Visionen, die sogar den mit allen Wassern gewaschenen Killer erschrecken. Seine Rekonstruktion, seine Bilder wie auch die Endergebnisse seiner Racheakte sind optische Horrorszenarien, die dem Leser keine Phantasie mehr abverlangen. Immerhin, Jackie ist eine jener Charaktere, die mitunter durch ihre eigenen Taten doch noch erschreckt werden kann.
Interessant wird es, wenn dem Killer ein Trio gegenüber gestellt wird, dass sich selbst als den ultimativen Alptraum begreift und Ideen umsetzt, die der Phantasie von Jackies Darklings in nichts nachstehen. Noch interessanter wird es, wenn dieses Trio begreift, dass es gegen die Macht der Darkness keine Chance besitzt.
Hier findet sich auch eine kleine Schwäche dieser Geschichte, die ansonsten sehr stimmig und auch kurzweilig umgesetzt ist: Jackie ist über kurz oder lang zu mächtig, um sich überhaupt von jemandem aufhalten zu lassen. Was ihm letztlich immer wieder einmal im Weg steht, sind seine restlichen Skrupel – am Ende verdankt er es seinen Feinden, dass davon immer weniger übrig bleiben. So zwingt der Nachfolger von Jackies Nachfolger die Darkness geradezu zum Amoklauf.
Grafisch ist dieser Sammelband, ob man Horror mag oder nicht, ein ziemlicher Höhepunkt. Beide Zeichner, Dale Keown und Keu Cha, liefern eine tolle Arbeit ab. Außerdem nähern sie sich optisch so sehr einander an, dass es nur geringe Unterschiede gibt und der Gesamteindruck beibehalten bleibt. Die Arbeit eines einzigen Inkers, Jason Gorder, tut ihr Übriges, um die Handlung wie aus einem Guss erscheinen zu lassen. John Starr und Matt Milla haben das sehr gelungene Farbenspiel übernommen. Besonders Milla, der ein Faible für milchig ineinander übergehende Farben hat, zeigt hier wieder einmal, wie stark und eindrucksvoll er eine Kolorierung umzusetzen weiß.
Mafiosi unter sich: Gangster können noch viel grausamer sein, wenn eine Kreatur des Grauens unter ihnen wandelt. Diese Horror-Vision von Paul Jenkins hat es dank einer sehr gelungenen Umsetzung in sich und setzt sich positiv von anderen Produktionen ab. Sofern man bei einer Horror-Produktion von einer liebevollen Arbeit sprechen kann, trifft dies hier voll zu. 🙂