Was ist nur aus dem guten alten Wilden Westen geworden? Spirou und sein Freund Fantasio sollen genau das in Erfahrung bringen. Doch in den Vereinigten Staaten angekommen scheint es von der Wildwest-Romantik keine Spur mehr zu geben.
Ein findiger Mann, der die enttäuschten Gespräche der beiden belauscht, fasst einen Plan. Die beiden jungen Männer wollen den Wilden Westen kennen lernen? Sie sollen ihn bekommen! Gleich am nächsten Tag bringt eine althergebrachte Postkutsche die beiden Freunde in die Prärie. Nicht lange danach wartet schon der erste Überfallversuch auf sie. Ehe sich die beiden versehen, haben sie mehr vom Wilden Westen, als ihnen lieb ist.
Wie bringt man einen Leser dazu, sich zu bewegen? Eines Abends kommt Spirou nach getaner Arbeit nach Hause. Er sehnt sich nur nach Gemütlichkeit, doch wenig später hängt er schwebend unter der Decke seines Wohnzimmers. Fantasio, wütend darüber, an diesem Abend gestört zu werden (weil eine Halskrause seinen schmerzenden Hals nur ungenügend schützt), macht sich auf den Weg, um Spirou zu helfen. Bei diesem Problem ist er allerdings auch machtlos.
Kurzzeitig scheint wenig später alles wieder in Ordnung zu sein, doch mitten in der Nacht geschieht es: Spirou schwebt schlafend an die Decke.
Spirou und die Froschmänner ist ein Abenteuer, das die beiden Freunde an die Küste führt. Fantasio gibt den forschen Kapitän und Steuermann. Ihre erste Küstenrundfahrt bringt sie prompt in Schwierigkeiten. In einer abgelegenen Bucht versagt plötzlich der Motor. Die Lady, die ihnen als Fahrgast vertraute, ist maßlos von den Fertigkeiten der beiden Freunde enttäuscht. Auch Fantasios loses Mundwerk stößt bei ihr auf keinerlei Begeisterung. Mit ihrer Schlagfertigkeit hat Fantasio nicht gerechnet.
Schmuggel beschäftigt die beiden Freunde im Rahmen einer Reportage über Rauschgifttransporte, die regelmäßig von dubiosen Figuren über die Grenze vorgenommen werden. Spirou und Fantasio machen sich ans Werk. Aber bei der Polizei ist man überhaupt nicht begeistert von ihrer Tatkraft. In zwei Tagen wollen die beiden den Fall gelöst haben, an dem die Polizei sich die Zähne ausgebissen hat? Das kann nicht sein!
Spirou im Wilden Westen ist eine Reise zurück in der Zeit, als eines der bekanntesten Duos – nein, Trios, denn Pips war auch schon dabei – also, Trios noch in den Anfängen steckte, aber nicht weniger aufregende Abenteuer erlebte als heutzutage. In frischer Farboptik darf der Leser die Anfänge von Fantasio miterleben, der von Zeichner Joseph Gillain aus der Taufe gehoben wurde. Zwischen 1940 und 1946 betreute er die Reihe um die beiden ungleichen Helden (um die drei natürlich). Die Bilder wurden erneut mit dem Computer bearbeitet, so dass die Farben frisch und extrabunt erstrahlen.
Wer sich ein wenig in den Zeichnungen der 40er Jahre auskennt, kann sich ein sehr gutes Bild davon machen, wie die Bilder von Spirou und Fantasio zu jener Zeit aussahen. Das Grundkonzept ist heute noch erkennbar, natürlich auch durch die spätere Betreuung durch Franquin. Gillain oder auch Jijé, wie der Zeichner in Kurzform genannt wird, gibt den beiden Helden eine deutlich kompaktere, massigere Form. Ihre Gliedmaßen sind nicht derartig spindeldürr, wie es von Franquin bekannt ist. Hals und Kopf machen bei Gillain manchmal den Eindruck, als gingen sie nahtlos ineinander über. Diese Unausgewogenheit wurde in späteren Jahren komplett entfernt. Aber vor den Zeichnungen der Zeit treffen die Bilder von Gillain voll ins Schwarze.
Der Aufbau der Seiten ist häufig klassisch durchstrukturiert mit drei oder vier Bilder pro Zeile und fünf Zeilen pro Seite. Das Format ist dem der üblichen Zeitungsstrips sehr ähnlich. Wer es einmal genau beobachtet, wird sehen, dass es am Ende jeder Zeilenfolge einen kleinen Clou, einen kleinen logischen oder witzigen Schluss. So erzählen zu können, ist eine kleine Kunst, weil es stets eine hohe Aufmerksamkeit des Autors erfordert. So betrachtet, ist Spirou im Wilden Westen nicht nur die Neuauflage eines Klassikers, sondern auch ein Lehrstück über die Grundlagen der (französisch-belgischen) Komödie.
Dieser Humor findet sich später nicht nur in den guten alten Louis de Funès-Filmen, sondern scheint immer noch die Vorgabe der Abenteuer von Spirou + Fantasio zu sein. – Vielleicht es sogar das Geheimnis ihres Erfolgs. Humor ist manchmal gleichbedeutend mit Slapstick. Wenn sich der Beiwagen des Motorrades löst, der Kommissar wild protestierend mit dem Helm auf dem Kopf in die Büsche schießt, dann ist das immer für ein Schmunzeln gut.
(Der Angler, dem hier ein Modellflugzeug an den Haken gerät, könnte ein Vorläufer von Rummelsdorf gewesen sein.)
Neben dem Humor finden sich natürlich auch Spannung und Rätsel. Besonders in den Folgen über den Wilden Westen, in den Abenteuern um die Froschmänner und den Schmuggel wird dies deutlich. Der Aufbau, der sich später auf Albenlänge findet, ist hier bereits in allen Einzelheiten vorhanden.
Spaß und Spannung am laufenden Band in diesen vier Episoden des vorliegenden Bandes. Spirou im Wilden Westen, das ist Cartoon-Unterhaltung in Reinkultur. Es hat den Anschein, als hätten alle die danach kamen, nur von den beiden Helden abgeschaut und Variationen abgeliefert. Fans kommen an den Urvätern der Cartoon-Abenteuer-Comedy nicht vorbei. 🙂
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