Ein Phantom treibt sein Unwesen. Genauer gesagt eine Phantomin, wenn man diesen Ausdruck verwenden kann. Ist schon die echte Calamity Jane ehrfurchtgebietend, jagt die gruselige Version den Menschen mehr als nur einen Schauer über den Rücken.
Die echte Calamity Jane will es sich nicht bieten lassen, dass mit ihrem Ruf Schindluder getrieben wird. Außerdem wird dieses Schauergespenst dazu verwendet, um Postkutschen zu überfallen. Für Jane ist es klar: Diese Gauner können sich warm anziehen.
Die Jagd nach dem Phantom muss sie jedoch nicht alleine bestreiten, denn auch Lucky Luke wurde mit der Suche nach einer verschwundenen Kutsche beauftragt. Die nächste Fahrt soll ein Köder sein. Lucky nimmt auf dem Kutschbock Platz, während Calamity eine schlichte Mitreisende mimen soll. Ihr Gewehr wird als Regenschirm getarnt, aber ihr Mundwerk und ihre Manieren lassen sich so leicht verstecken. So wird aus dieser Fahrt ein haarsträubendes Abenteuer mit so mancher Verwicklung, die nicht vorherzusehen war.
Lucky Luke gerade richtig zum High Noon in Hadley City zurück. Die Hochzeit des Sheriffs mit seiner Angebeteten steht bevor. Der Bestattungsunternehmer hat eine sehr schöne Zeremonie vorbereitet – denn einen Hochzeitsunternehmer gibt es nicht in Hadley City. Nur ein Ereignis trübt die Aussicht auf ein schönes Fest: Die Daltons sind erneut ausgebrochen, und haben ein Hühnchen mit dem Sheriff zu rupfen.
Hilfe ist vonnöten. Wie gut, dass Lucky Luke vor Ort ist, denn der Sheriff hat Hilfe bitter nötig. Mit seinen Schießkünsten ist es nämlich nicht mehr weit her. Ebenso schlimm: Niemand sonst im Ort ist bereit, dem alten Gesetzeshüter zu helfen.
Ein wahres Wunderwerk soll Die Brücke am ol’man river werden. Bis es freilich dazu kommen kann, müssen mannigfaltige Schwierigkeiten überwunden werden. Bisher funktionierte der Übergang über den Mississippi per Fähre. Klar, dass der Besitzer des Fährbetriebs alles andere als begeistert über den Bau der Brücke ist. So hagelt es eine Sabotage nach der anderen, und Lucky Luke hat wieder einmal alle Hände voll zu tun.
Im ersten Band dieser Zusammenfassung der Lucky-Luke-Erscheinungen von 1992 bis 1994 erzählt uns Lo Hartog van Banda ein Abenteuer mit einer Figur an Luckys Seite, die sich durch ihre Raubeinigkeit in die Herzen der Lucky-Luke-Leser gealbert hat: Calamity Jane. Dank der bewährten Cartoon-Technik von Morris ist der Auftritt von Jane ein Höhepunkt der Reihe. Lucky Luke ist zwar nett, aber neben dieser sehr ausdrucksstarken Frau (im wahrsten Sinne des Wortes) verblasst er doch sehr – aber ganz Gentleman, wie er nun einmal ist, lässt er ihr diesen Vortritt doch sehr gerne. Jedenfalls hat Van Banda diesen Band ganz auf die Wild-West-Frau zugeschnitten.
Der Humor entsteht natürlich maßgeblich dadurch, dass Jane ihre wahre Natur verschleiern muss, um nicht aufzufallen. Genau dieser Plan geht ziemlich nach hinten los. Trotz aller Tarnung kann Jane nicht aus ihrer Haut heraus. Außerdem fällt sie in der Gegenwart echter Damen sofort auf.
Ebenso ulkig ist der kleine Senator, der stets darauf bedacht ist, die Damen zu beschützen. Tapfer in der vordersten Reihe schießt er leider nicht halb so gut, wie er mutig ist. So erledigen Calamity Jane und Lucky Luke den Rest – schön zu sehen, dass Lucky durch Calamity echte Konkurrenz hat, was die Treffsicherheit anbelangt.
Nicht weniger humorvoll, dafür mit weitaus mehr Anspielungen angereichert ist die nächste Episode aus Lucky Lukes Abenteuern. High Noon in Hadley City ist eine wunderschöne Hommage an den wahrscheinlich klassischsten Western aller Zeiten: High Noon (12 Uhr mittags). Ähnlich wie der Sheriff in Hadley City stand auch Gary Cooper in seiner Rolle kurz vor seiner Hochzeit, dort mit der sehr jungen Grace Kelly. Gleichwohl setzt die Handlung um Samuel, den Sheriff, der auch mal Hilfe braucht ganz auf Komik und lässt das tragische Element außer Acht. Wenn schließlich Lucky Luke erschossen wird und sein Schatten ihm einen Trauerkranz zukommen lässt stellt sich eigentlich nur eine Frage:
Wer kann besser humorvoll erzählen? Lo Hartog van Banda aus der vorhergehenden Geschichte oder die beiden Autoren Xavier Fauche und Jean Léthurgie, die sich der Geschichte um den einsamen Sheriff angenommen haben.
Ich kann ehrlich gesagt keinen Unterschied entdecken. Alle drei Autoren gehen mit dem gleichen Elan zur Sache. Was besser gefällt, ist reine Ansichtssache.
Am ol’man river, dem alten Mann, dem Fluss, der schon Mark Twain begeisterte, spielt das letzte Abenteuer dieses Sammelbandes. Jolly Jumper, das beste Pferd der Welt (vor Fury), lässt es sich auch nicht nehmen, in einer kleinen Pause in Tom Sawyer zu lesen. Außerdem finden sich mit zwei Bootsleuten alte Bekannte aus einem alten Lucky-Abenteuer. (Am Mississippi)
Luckys Gegenspieler, ein Zigarre rauchender gedrungener Geschäftsmann, bietet alle möglichen Ideen auf, um den Bau der Brücke aufzuhalten. Fauche und Léthurgie haben sicherlich nicht jeden Witz selbst erdacht – denn anders kann ich mir die kleine Termite mit der Augenklappe nicht erklären, die Morris so liebevoll mit zwei Kumpanen in einer Schachtel abgebildet hat.
So schön kann der Wilde Westen sein: Mit alten Bekannten, einem Humor, der selbst den ältesten Gaul zum Lachen bringt (herrlich, wenn Jolly Jumper als Postkutschenpferd in die Lehre geht). Fans kommen sowieso nicht an Lucky vorbei, alle anderen, die einen intelligenten wie auch klamaukigen Humor mögen, lesen und einfach mal die Zeit verstreichen lassen.
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