Mittwoch, 28. Februar 2007
Spirou und Fantasio sind auf Einladung ihres Freundes Itoh Kata in Japan angekommen. In einem Vergnügungspark, dem alten Edo nachempfunden, währt die Entspannung nur kurz. Bald sind die beiden Freunde – und Pips natürlich – wieder mitten drin in einem Abenteuer.
Die beiden Freunde sind stilecht dem Themenpark angepasst und tragen Kimonos. Fantasio, der sich eigentlich bemüht, nicht aufzufallen, tritt erst recht von einem Fettnäpfchen ins andere. Ihre scheinbar einfache Mission mündet sehr schnell in ein halsbrecherisches Desaster. Fantasio und Spirou hatten sich bereit erklärt, einen Jungen wiederzufinden.
Kow und Loon sind Geschwister mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, weshalb sie ganz besonders für verbrecherische Elemente interessant sind. Kow wurde bereits benutzt, um den Nachbau des historischen Edo in Rekordzeit zu realisieren. Loon möchte ihren Bruder gerne befreien. Auch Ninjas haben ein Interesse an dem kleinen Kow.
Aus dem zuerst harmlosen Ausflug wird ein handfester Kampf mit einer heftigen Verfolgungsjagd.
Aber so leicht geben Spirou und Fantasio nicht auf – Pips natürlich auch nicht.
Und der Feind auch nicht. Fantasio, der immer vorbeugen muss, hat im Gegensatz zu Spirou jegliche Papiere und Kreditkarten bei sich behalten. Mit dem Hotelschlüssel von Spirou nehmen die Yakuzas die Spur auf.
Obwohl die beiden Freunde unbehelligt im Hotel eintreffen, werden sie bereits erwartet – allerdings nicht von den Kriminellen.
Das Action-Karussell dreht sich immer schneller mit den beiden Freunden. Und sie sind nicht allein. Itoh Kata und seine magischen Freunde stehen Spirou und Fantasio zur Seite, damit Loon bald wieder an der Seite ihres Bruders ist.
Mit Spirou in Tokio ist Jean-David Morvan und José-Luis Munuera eine schöne cartooneske Verbeugung vor Japan gelungen. Eine Wiedergeburt der beiden Helden mochte aus Fan-Sicht schwierig sein, allerdings fand ich Spirou und Fantasio bereits mit Der Mann, der nicht sterben wollte sehr gut in die Neuzeit transportiert.
Morvan und Munuera lassen viele Aspekte Japans in ihre Geschichte einfließen, so dass die kulturelle Plattform der Geschichte gut ausgereizt wird, um ein ungewohntes Umfeld zu schaffen.
Legendär sind die Enge des Landes und die Höflichkeit. Mit diesen modernen Legenden spielt Morvan trefflich. Fantasio gelingt es sogar, diese Höflichkeit bis an seine Grenzen auszureizen – was nicht gerade einfach sein soll. Schade nur, dass Fantasio diese Grenzen an einem Sumo-Ringer austesten muss.
Die Enge des Landes äußert sich in vielen Lebensbereichen. Die beiden Freunde lernen sie besonders im Verkehr kennen. Wer in der U-Bahn einen Fuß anhebt, wird diesen vor der nächsten Station nicht mehr auf den Boden bekommen.
Legendär ist auch die Geschichte des Landes, die Krieger, Samurai wie auch Ninja, die Verbrecher, Yakuza, die ebenso berühmt berüchtigt sind wie die Mafiosi. Morvan bewegt sich immer auf einer humorvollen Ebene, belässt es aber nicht bei dem gezeigten Hintergrundmaterial, sondern flechtet Spirou in die Geschichte ein.
So wird aus dem allseits bekannten Pagen ein Kämpfer, der sich dem Yakuza in verschiedenen Zweikämpfen stellt. Parallelen zu zahlreichen Endkämpfen in so genannten Eastern werden wahrscheinlich nicht zufällig sein.
Ebenso wenig zufällig sind die Anspielungen auf Akira & Co. in Szenen, wenn Kow und Loon ihre Fähigkeiten spielen lassen. Wer sich die Szenen betrachtet, wird Ähnlichkeiten zu den allseits beliebten telekinetischen Schlachten feststellen können. Auch die Kampfroboter, Mechas, werden nicht außer Acht gelassen. Die Darstellung stellt Munueras Talente sehr oft auf die Probe.
Wer sich die Mechas anschaut, die sich aus den unterschiedlichsten Gegenständen zusammensetzen (eine Hand besteht aus einem Schulbus und einem Truck), kann selbst als Laie die viele Fleißarbeit nachvollziehen, die Munuera hier geleistet hat.
Die abschließende Galerie zeigt seine zeichnerischen Fähigkeiten noch einmal im Detail. Besonders eindrucksvoll ist die Evolution eines Comic-Bildes, bei der die Entstehung einer der Schlüsselszenen mehrstufig gezeigt wird.
Der Humor gegenüber Japans Eigenarten ist (aus meiner Sicht) niemals gemein. Morvan versäumt es nämlich auch nicht, einen Fantasio zu zeigen, der regelrecht auf Japans technische kulturelle und technische Errungenschaften abfährt. Fantasio kann dank seiner Kreditkarte kaum an einem Geschäft vorbeigehen.
Sehr schön ist Fantasios Beziehung zur erweckten Hachiko-Statue, jenes Hundes der jahrelang auf sein Herrchen wartete.
Sei es architektonisch oder kulturell, Morvan und Munuera ist es gelungen, eine vollkommen andere Atmosphäre in der 47. Ausgabe von Spirou und Fantasio einzufangen.
Für die Fans sind auch Itoh Kata und seine magischen Gefährten dabei – zudem die superputzigen rosafarbenen Kaninchen, die ihm auch mal behilflich sind.
Heiter, spannend, ungewöhnlich neu erleben Spirou und Fantasio ihr neues Abenteuer, unterstützt durch einen Erzähler, der sich auch schon mal von Pips zurechtweisen lassen muss. Top Unterhaltung mit einem der Comic-Duos schlechthin. 😀
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Dienstag, 13. Februar 2007
Wolverine hat sich seinen Urlaub redlich verdient. Nach all seinen Kämpfen gegen Superschurken und normale Gauner trifft er in Brasilien ein. Natürlich hält er Kontakt nach Hause. Xavier hat einen Mutanten entdeckt, dem Wolverine nachgehen soll.
Nachgehen ist das richtige Wort, denn kaum hat Wolverine das Telefonat beeendet, wird sein Motorrad gestohlen. Seltsamerweise gelingt es drei Kindern, dieses Kunststück zu vollbringen. Eines der drei hat eine ungewöhnliche Fähigkeit. Es kann den Gleichgewichtssinn eines Menschen vollkommen durcheinander bringen. Auch Wolverine bleibt davon nicht ausgenommen. Binnen Sekunden findet er sich am Boden wieder.
Wolverine macht sich auf die Suche. Bald geht es um mehr als um ein Motorrad. Aus eigener Erfahrung weiß Wolverine, wie schwer es Kinder haben können. In der brasilianischen Gegend, in der er gelandet ist, verhält es sich noch etwas anders. Diese Kinder werden gejagt. Jemand bezahlt Todeskommandos, um ihm Kinder zu bringen. Zu welchem Zweck dies geschieht, bleibt vorerst noch im Dunkeln.
Logan stöbert die Kinder und sein Motorrad auf. Schnell versteht er sich gut mit den Kids, spricht er doch ihre Sprache und ist so ganz anders als andere Erwachsene. Doch die Situation gerät außer Kontrolle. Die Todesschwadron, der die Kinder einmal entkommen sind, findet sie wieder. Wolverines Urlaub wächst sich zu purem Grauen aus.
Wolverine – Saudade ist ein außergewöhnliches Abenteuer aus Wolverines Leben. Einerseits ist es sehr realitätsnah geworden (nicht zuletzt wegen seines Handlungsortes), andererseits hat sich ein europäisches Erfolgsduo des Superhelden angenommen: Jean-David Morvan und Philippe Buchet sind die Macher hinter der erfolgreichen Sillage-Reihe. Die beiden Comic-Veteranen beantworten auf eindrucksvolle Weise die Frage, was geschieht, wenn europäische Comic-Künstler auf amerrikanische Comic-Legenden treffen.
Wieder einmal verlässt Wolverine seine angestammte Umgebung. Slums und Freaks, die andere Menschen jagen, kannte er bereits aus früheren Jahren. Die gezielte Jagd auf Kinder ist jedoch auch für ihn nicht alltäglich – sieht man einmal von der Jagd auf Mutanten jeglichen Alters ab.
Morvan und Buchet geben dem Thema Wolverine noch mehr Ernsthaftigkeit mit, als der Leser es von diesem Charakter ohnehin gewohnt ist. Logan alias Wolverine ist schon immer ein Charakter gewesen, der so manche Angelegenheit persönlich genommen hat und der sich sehr schnell als Beschützer für bedrohte Menschen hervorgetan hat. Ganz besonders Frauen und Kinder konnten immer mit seinem Schutz rechnen.
Hier setzt er sich für Kinder ein, die tagtäglich Bedrohungen ausgesetzt sind, wie wir sie hier auf der anderen Seite des Erdballs nur aus Reportagen her kennen. Morvan und Buchet versuchen diese Bedrohung so realistisch wie möglich zu schildern. Sehr selten nur wurde Wolverine derart zugerichtet, wie es hier der Fall ist. Das Erfolgsduo erspart ihm rein gar nichts.
Die Bedrohung, auf rein realistische Art, ist bereits gefährlich genug. Surrealer, aber nicht weniger drastisch wird es, als Wolverine dem Feind, der bislang hinter den Kulissen agierte, gegenüber steht. Dergestalt hat sich Logan wohl noch nie zur Wehr setzen müssen.
Ohne über diesen Feind zu viel zu verraten, lässt es sich doch sagen, dass dieser Feind eine durchaus zwiespältige Erscheinung ist, denn er ist nicht durch und durch böse, obwohl er sich durch sein Werk auch bereichert. Man könnte diesen Charakter mit der Überschrift versehen: Der Zweck heiligt die Mittel. Nicht umsonst haben Morvan und Buchet diesem Wunderheiler ein messiasähnliches Äußeres gegeben – eigentlich eine bitterböse Anspielung und auch ein gelungener Coup, denn die beiden Erzähler spielen geschickt mit der Erwartungshaltung des Lesers, um sie sogleich abgrundtief zu enttäuschen.
Buchet hat bereits mit Sillage bewiesen, zu welch außerordentlich guten Bildern er in der Lage ist. Hier muss er die Phantasie einer SciFi-Saga hinter sich lassen und sich der echten Welt widmen. Buchets Bilder fangen den harten Alltag und die Umwelt Brasiliens sehr gut ein, aber sie lassen auch nicht das Lebensgefühl dieses Landes außen vor, das sich insbesondere auch die Musik und den Tanz ausdrückt. Wolverine eine Salsa tanzen zu sehen, ist eine schöne kleine Episode – zumal der Leser Wolverine nur sehr selten so heiter und ausgelassen sehen kann.
Umso drastischer fällt der Kontrast durch die Schießereien und Wolverines Verletzungen aus. Denn so ausgelassen Woverine hier ist, noch härter sind seine Verletzungen. Seine Selbstheilungskräfte werden auf eine harte Probe gestellt. Es bedarf sogar der Rettung von außen – nur anders als erwartet. Die übrigen X-Men kommen so gut wie gar nicht zum Zug.
Auch mit diesem Band zeigt Buchet, warum er mit zu den Top-Zeichnern im Bereich Graphic-Novel gehört.
Saudade: Es ist so eine Art Wehmut nach den Dingen, die man hätte erleben können. Morvan und Buchet verwenden eine grandiose und echt anmutende Kulisse für eine Erzählung aus dem Leben eines Comic-Urgesteins. Härter, menschlicher, echter, eine der besten Geschichten rund um den kleinen, stark behaarten Mutanten. 😀
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Freitag, 01. Dezember 2006
Mackel-Loos, Nävis’ alter Lehrer ist tot. Die junge Frau ist in Schweigen verfallen. Ihre Freunde wissen sich keinen Rat mehr. Nävis lebt in sich gekehrt, wendet sich ab. Eigentlich gäbe es nur eine Lösung: Man musste Nävis mit Menschen zusammenbringen. Bisher ist sie die einzige ihrer Art im Sillage. Allerdings werden Menschen in einem ganz bestimmten System vermutet. – Der Haken: Dieses System befindet sich in feindlichem Gebiet.
Eine Kontaktaufnahme mit Menschen zu unternehmen und gleichzeitig einen interstellaren Krieg riskieren – dieses Risiko wollen die Oberen des Sillage nicht auf sich nehmen. Doch Nävis hat Freunde, die es wollen.
Der Aufbruch der Reise gestaltet sich heikel. Wewehs Fürsprache ist es zu verdanken, dass die Crew mit dem kleinen Schiff weiterfliegen kann.
Und tatsächlich, sie finden Menschen – aber sie sind so ganz anders, als sie es sich vorgestellt haben.
Nävis beobachtet sie, lange, von Tag zu Tag zögert sie den Zeitpunkt der Kontaktaufnahme heraus. Eines Tages kann sie sich nicht länger entziehen. Eine äußerst bedrohliche Situation erfordert ihr Eingreifen. – Seltsamerweise sieht sich von den anderen Menschen sonst niemand genötigt einem aus der eigenen Gemeinschaft zu helfen. Dies ist nur der Auftakt zu einem merkwürdigen Verhalten, dem Nävis sich allzu bald anschließt.
Weweh und Snivel stehen vor einem Rätsel. Schließlich reagiert Weweh beleidigt. Die Tragödie nimmt ihren Lauf.
Mit Die menschliche Natur geht die Reihe Sillage in die achte Folge. Die Science Fiction Serie besticht durch einen hohen Einfallsreichtum, sympathische Hauptfiguren, aber auch durch ein recht pessimistisches und zuweilen trauriges Szenario.
Nävis ist einsam. Zwar hat sie eine recht behütete Kindheit genossen (siehe auch die Spin-Off- Serie Nävis) und befindet sich als Erwachsene in Gesellschaft vieler interessanter und auch liebenswerter Lebewesen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ihr andere Menschen fehlen. Auch Sillage, der riesige Weltraumkonvoi, hat darauf keine Antwort, denn bislang sind ihm noch keine anderen Menschen begegnet. Bisher konnte ein richtiger Niedergang von Nävis’ Stimmung beobachtet werden, der mit dem Tod von Mackel-Loos gipfelte.
Man kann es dem Autoren Jean David Morvan hoch anrechnen, dass dieser rote Faden so lange konsequent durchgehalten wurde.
Es bleibt für den Leser zu hoffen, dass sich Nävis’ Leben auch wieder zum Besseren wendet.
Nävis’ ist eine Art weiblicher Rambo, jedenfalls wird sie so behandelt, wie Rambo einst selbst gesehen werden wollte. Nützlich, gerne benutzt dank vielfältiger Fähigkeiten und doch nie richtig dazu gehörend als Diplomatische Agentin – hier liegt die Betonung eindeutig auf Agentin, weniger auf Diplomatie.
In Die menschliche Natur gerät Nävis’ Kriegsbemalung deutlich in den Hintergrund. Sie wird von Morvan und Zeichner Philippe Buchet viel gelöster dargestellt. Sehr schön anzuschauen sind die Szenen, wie Nävis sich nicht entschließen kann, den Kontakt zu den Menschen aufzunehmen und sie lieber aus der Ferne beobachtet – und ihre Umgangsformen zu studieren.
Manchmal liest man ein Album und es hat den Anschein, dass etwas hakt. Hier stimmt einfach alles. Die Zusammenarbeit zwischen Morvan und Buchet muss sehr gut funktionieren. Außerdem kennen sie das Genre.
Als Nävis den ersten Kontakt aufnimmt, fühlt sich der Fan an die Szene aus Die Zeitmaschine, wenn der Zeitreisende einen der Eloy aus dem Wasser holt, während die anderen nur teilnahmslos einem der ihren beim Ertrinken zuschauen.
Die Menschen, auf die Nävis stößt, führen ein seliges Blumenkinderleben. Entsprechend drastisch ist der Wechsel in der Erzählung, als sich herausstellt, dass die Menschen nicht nur Eloy sondern auch Morlok in einem sind und den unterirdisch lebenden Wesen aus der Zeitmaschine in Sachen Brutalität noch einiges voraus haben.
Die Entwicklung der Handlung und die Qualität der Zeichnungen stimmen auch im achten Band der Sillage-Reihe. Sillage, das ist Science Fiction, die sich bei all seinen Ideen sehr ernst nimmt. Sillage ist Science Fiction, die gegen die Erwartung des Lesers erzählt wird. Spannung mit Tiefgang, exzellent gezeichnet. 😀
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