Jonny Double hat schon bessere Zeiten gesehen. Er kennt die 60er aus eigener Erfahrung, als man(n) sich half und sich gegen Cops und andere miese Typen beistand. Viel ist davon nicht mehr übrig.
Inzwischen ist Jonny ein Privatdetektiv, der keine großen Aufträge bekommt. Ständig ist es schwierig, an die Miete zu kommen und ein Drink will auch bezahlt werden können. Das Leben ist schon lange nicht mehr einfach. Schon deshalb nicht, weil Jonnys Klienten auch noch umgebracht werden. Und eines haben er und seine Klienten gemeinsam: Im Falle des Falles weint niemand ihnen eine Träne nach.
Aber auch der niedrigsten Kreatur wirft der Schöpfer einmal einen Knochen hin. So ähnlich muss sich Jonny fühlen, als dieses blonde langbeinige Gerät in sein Büro (an der Bar) marschiert und ihn in eine Geschichte um viel Geld verwickelt.
Der berühmte Al Capone hat auf seine alten Tage Geld beiseite gelegt, Geld, das heute dem gehört, dem es gelingt, es sich zu nehmen. Ausgerechnet eine Bande von kleinen Gaunern, gerade erst aus den Windeln raus und noch nicht trocken hinter den Ohren, braucht Jonny, um an das Geld zu kommen.
Und nicht nur das. Ein zweiter Auftrag eines gut situierten Herrn lässt Jonny noch mehr Morgenluft schnuppern. Ein Mädchen droht auf die schiefe Bahn zu kommen. Jonny soll auf sie aufpassen. Jonny macht sich keine großartigen Gedanken darüber, dass sie ausgerechnet der kleinen Gaunerbande angehört, die ihn einspannen will.
Es kommt noch besser. Als Jonny auf das Konto des alten Al Zugriff erhält, gelingt es ihm nur mangelhaft seine Überraschung im Zaum zu halten. Die Beute beträgt nicht 300000, sondern mehrere Millionen Dollar. Selbst einem abgetakelten Detektiv, der Jonny nun einmal ist, ist klar, dass die Geschichte ganz plötzlich vom Kopf her stinkt.
Doch zu diesem Zeitpunkt ist es für einen Rückzieher längst zu spät.
Mit Jonny Double zeigt das erfolgreiche Team von 100 Bullets, dass es auch einen Thriller zu gestalten versteht. Autor Brian Azzarello führt einen klassischen Verlierer vor. Jonny Double, dessen Ursprungsversion eines abgehalfterten Typen bereits der Hauptcharakter von vielen Geschichten war, lernen wir an einem Punkt in seinem Leben kennen, an dem es so nicht mehr weitergehen kann. Es ist der typische Wendepunkt. Entweder geht es komplett den Bach runter oder es geht aufwärts mit der begründeten Sicht auf Hoffnung. Jonny sieht letzteres auf sich zukommen.
Es ist ein klares Muster, das von Azzarello hier aufgenommen wird. Aber nach einem solchen Auftakt, weiß man nie, was kommt. Denn es ist das Gesetz eines solchen Thrillers, unerwartete Wendungen einzubauen, die den Leser ein ums andere Mal an der Nase herumführen. So verhält es sich auch mit Jonny Double. Bei all den Steinen, die dem Helden in den Weg gelegt werden, behält Jonny stets den Kopf oben und versucht, einen kühlen Kopf zu behalten. Die Betonung liegt auf versucht, denn auch Jonny stolpert über die drei Steine, die jedem Antiheld im Weg liegen: Frauen, Alkohol und aufkeimende Habgier.
Jeder Sprung über diese Hürden ist eine Meisterleistung, die Jonny von Mal zu Mal sympathischer werden lassen. Er mag ein Verlierer sein, aber er ist kein Aufgeber.
Azzarello beschreibt diesen Prozess, den Jonny durchläuft, spannend und zuweilen auch mit einem gehörigen Augenzwinkern. Dieser Humor findet sich besonders im Aufeinandertreffen der Generationen, in jenen Momenten, in denen sich Jonny ein wenig Vergangenheit und Jugend zurückholen möchte. Aber sie finden sich auch in Situationen, in denen es kaum brutaler zugehen könnte. Bezeichnend ist auch der Einbau von kleinen Nebenhandlungen wie hier das abrupte Ende einer Beziehung, in der sich die Fronten innerhalb weniger Bilder verschieben. Vergleicht man Jonny Double mit anderen Geschichten, wird schnell deutlich, dass Azzarello sich selbst treu bleibt und einen ganz eigenen Stil pflegt.
Eduardo Risso gibt Jonny ein Gesicht. Sein Zeichenstil ist von einer scheinbar bestechenden Einfachheit. Jonny hat ein Boxergesicht, einen Schmollmund wie Elvis, aber er mag auch ein bißchen Marv sein, mit einem Ehrbegriff versehen, der zu schwer für die Gegenwart ist und für einen gebeugten Gang sorgt. Besonders deutlich wird der Unterschied auf jenen Seiten, auf denen Risso den Helden in die Vergangenheit entführt. Das Gesicht ist frischer, jünger und optimistischer und nicht so abgebrüht wie bei den Kids der Gegenwart.
Über den lässigen Strich, den Risso pflegt, kann man auch dankbar sein, weil die Geschichte später einen Killer zwischen die Seiten entlässt, der auf althergebrachte Weise Diebe zu bestrafen versteht.
Solche Szenen sind starker Tobak, allerdings ist es direkt von Beginn an deutlich, dass Jonny Double keine Mainstream-Geschichte ist. Sie erfordert Konzentration. Im Kino müsste man sehr genau aufpassen, um den Anschluss nicht zu verlieren, im Comic hat man den Vorteil, auch einmal zurückblättern zu können. Die Straßen von San Francisco haben schon viele Krimis gesehen. Mit Jonny Double sehen sie einen Thriller in der Vielschichtigkeit eines Basic Instinct.
Jonny Double nimmt einen mit auf den Weg des Verlierers, der über sich selbst hinaus wächst. Mit zunehmender Sympathie für den Helden steigt auch die Spannung. Das Ende ist nicht vorhersehbar. Beste Krimiunterhaltung zwischen Comic-Seiten. 😀
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