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Comic Blog


Freitag, 05. Oktober 2007

Gaston – Ausgewählte Katastrophen

Filed under: Cartoon — Michael um 19:31

Gaston - Ausgewählte KatastrophenGaston ist kein normaler Büroangestellter. Nichts liegt ihm ferner als seine eigentliche Arbeit. Post zu sortieren und zu beantworten ist absolut zweitrangig. Lieber tüftelt er etwas aus und raubt seinen Kollegen den letzten Nerv.
Für die Leute in seiner engsten Umgebung, nicht nur im Büro, ist die Nähe zu Gaston eine Art Abenteuerurlaub. Demel, ein Kollege mit Weisungsbefugnis (aber ohne echten Erfolg damit), gehört zu den Personen, die am meisten zu leiden haben. Es ist erstaunlich, aber bei all den Katastrophen, die das Leben für Gaston wie für die anderen bereithält, halten seine Kollegen ihn immer noch für liebenswert.

Die große Cartoon-Serie um den schmalen Bürojobber, von André Franquin, vorbildhaft für andere Cartoons, ist ein zeitloses Vergnügen für alle, die Comic mit Comedy in Reinform verbinden. In der vorliegenden Ausgabe zum 40jährigen Bestehen des Carlsen Verlages wurde Ausgewählte Katastrophen zu einem Band zusammengefasst.
Für Comic-Nostalgiker ist es eine vergnügliche Zeitreise, für Neulinge könnte es der Beginn einer wundervollen Freundschaft zum Medium Comic werden.

Gaston ist nicht faul, wie es zuerst den Anschein haben mag. Irgendwie wurde er von Franquin als verkapptes Genie konzipiert, dessen Aufmerksamkeitsspanne etwas kurz ist. Kurz, Gaston ist mit seiner Arbeit vollkommen unterfordert.

Seine Erfindungen sind zahllos, so hat es jedenfalls den Anschein. Die Leiter in der Bibliothek tauscht er gegen einen Stuhl aus, der sich an einem Zahngestänge nach oben kurbeln lässt. Nach einiger Zeit geht man auch nicht mehr über den Büroflur, sondern man fährt in bequemen Bürostühlen hängend an der Decke entlang. Pfannkuchen werden dank einer Zumischung von Latex zu kleinen Heißluftballons. Ein handelsüblicher Schirm mutiert zur Einmann-Wetterzone. Mit einem Gewehr werden Möhren zu Kaninchen geschossen, damit sie gestärkt den Jägern entkommen können. Ein neues Politurmittel wird zur unentrinnbaren Falle. Eine Erfindung zur Kaminsäuberung gerät ungewollt zu einer Flugabwehr, die einen Düsenjäger vom Himmel holt.

Freilich ist es für den Hobby-Koch damit nicht getan. Leider hat er auch noch außerordentliches Pech. Krankheiten wie Erkältungen quälen Gaston, Sonnenbrand, der er sich durch seine Erfindungen selber einhandelt und natürlich erkennen seine Freunde nicht sein Genie, weshalb er sich immer wieder so mancher Attacke ausgesetzt sieht.
Gaston ist herzensgut – wie die Frauen eher erkennen als die Männer. Fräulein Trudel kann von diesem jungen Mann, der ihr selbst gezüchtete Kakteen schenkt, gar nicht genug bekommen.

Franquins Humor ist nicht nur zeitlos. Eigentlich können Leser jeder Altersstufe über Gaston lachen. Vom feinen Humor, dem liebevollen Witz, der kurzen knackigen Pointe, dem Witz am laufenden Band (dem Running Gag) oder der puren Slapstick-Comedy ist alles dabei.
Dabei finden zahlreiche Beziehungen der auch Objekte immer wieder von Franquin Anwendung. Zu den klassischen Beziehungen gehören seine Kollegen Demel und Krause. Der Texter und der Zeichner sehen sich oft mit den neuesten Erfindungen konfrontiert oder anderen Einfällen, die entweder alles in Brüche gehen lassen oder anders für Chaos sorgen. Ein besonderes Ziel hierbei ist Herr Bruchmüller, der ein ums andere Mal in der Redaktion erscheint, um endlich die Verträge unter Dach und Fach zu bringen. Selbst als Gaston sogar eingeschlossen wird, vereitelt er indirekt die Vertragsunterzeichnung.

Gastons Tierliebe wird für seine Kollegen zusätzlich zur Belastungsprobe. Eine Katze, die dauernd nur Unsinn im Kopf hat (ihrem Herrchen damit sehr ähnlich ist), ist ebenso der Stein des Anstoßes wie die Lachmöwe, die ein Lächeln nur dann zustande bringt, wenn anderen etwas Schlimmes widerfährt.
Es ist Franquins Talent als Erzähler zu verdanken, dass aus kleinen Dingen ständig ein großer Lacher wird. – Wer das nicht glaubt, möge die kleinen Episoden um Gaston und eine Nuss einer näheren Begutachtung unterziehen.
Außerdem zeigt Franquin sehr schön, wie sehr es zu einem Bumerang werden kann, wenn man seine Mitmenschen triezt. Der Polizist, der kein gutes Haar an Gaston und seinem Oldtimer lässt, sieht sich jedes Mal einer Katastrophe mittlerer Größe ausgesetzt, sobald er neuerlich seinen Strafzettelblock zückt. – Für den Leser ist es ein Glück, dass der Schupo einfach nicht dazu lernt.

Schlechte Laune? Gaston lesen, schon ist wieder ein Lächeln da. Für jeden Humor-Typ ist etwas dabei. Eine der außergewöhnlichsten (scheinbar) Endloskomödien in der Literatur mit Witz, Charme und sehr viel Menschlichkeit. Die ausgewählten Katastrophen bringen Licht in einen regnerischen Herbstabend. 😀 😀 😀

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Dienstag, 03. Januar 2006

Gaston

Filed under: Cartoon — Michael um 20:45

FAZ Klassiker der Comic-Literatur 18 - GastonEin kleines Büro. Hier wird der Alltag zum täglichen Wahnsinn. Fantasio, ein dünner Mann, um Ruhe bemüht und doch in Hektik verfallend, mit gelben Haaren, versucht seine Arbeit zu bewältigen. Das wäre eine Leichtigkeit, gäbe es da nicht einen anderen dünnen Mann, vielleicht etwas jünger, aber in jedem Fall nicht so verantwortungsbewusst wie sein Vorgesetzter Fantasio.
Der Name dieses jungen Mannes, der immer einen grünen Rollkragenpullover, eine Jeans und ausgelatschte Schuhe trägt, lautet: Gaston.

Gaston könnte übersetzt heißen: Nervensäge, nutzloser Unhold oder der helle Wahnsinn. Ähnlich lautende Antworten sollte der Leser von Fantasio erhalten – wenn Fantasio leben würde und antworten könnte.
Was Fantasio so alles mitmacht, ist auch kaum zu ertragen. Eine Arbeit ist verrichtet: Gaston wird sie zunichte machen. Fantasio ist ausgeglichen und heiter: Gaston wird ihn zu Tode erschrecken. Ein Geschäft befindet sich endlich vor dem Abschluss: Gaston sei Dank, es wird nicht vollendet werden. Und sollte das alles noch nicht genug Chaos verursacht haben, bringt Gaston eben eine Kuh oder einen Igel ins Büro.

Nebenrollen wie Spirou und Herr Bruchmüller sorgen für zusätzliche Erheiterung oder auch Running Gags. (Im Falle von Spirou ist es eigentlich jemand, bei dem sich Fantasio endlich einmal über Gaston ausweinen kann.)

Umgesetzt hat Gaston der legendäre Zeichner André Franquin, der sich auch für die Serie Spirou und Fantasio verantwortlich zeichnet.
Die Zusammenstellung in der vorliegenden 18. Ausgabe ist fast schon ein kleines Denkmal für Franquin, dessen Ende eher tragisch und weit vom Humor dieses Mannes entfernt war. Die Episoden mögen einzeln betrachtet nicht so viel hergeben. Ihr Humor ist nett, spaßig mit ein wenig Slapstick. Doch zusammengenommen, in dieser Fülle, ergibt sich daraus ein Feuerwerk.
Eine einzelne Episode ist ein Witz, aber in dieser Sammlung ergibt sich sogar eine Art Handlung. Ob dieses Gesamtbild beabsichtigt war, lässt sich nicht sagen. Höchstwahrscheinlich hat es sich wohl eher zufällig ergeben.

Gaston, der hier in Deutschland auch in alter Zeit als Jojo unterwegs war, ist in bester frankobelgischer Cartoon-Manier gezeichnet, in jener klassischen Form, die diese Art von Humor berühmt gemacht hat.
Sehr schön zu sehen an dieser Sammlung ist auch die Veränderung, die mit Gaston vor sich geht. Lange Zeit ist die Darstellung einheitlich, später kommt es zu minimalen Veränderungen am Kopf und an den Haaren. Gegen Ende sind die Veränderungen und der viel schneller ausgeführte Zeichenstil deutlicher. In dieser Phase erhält das Büro Verstärkung und Gaston bekommt neue Zielscheiben, denen er das Leben schwer machen kann.
Franquins Einfallsreichtum bleibt während jeder Phase seines Schaffens ungeheuer gut. (Mag es durch seine gesundheitliche Angeschlagenheit auch zu Einbrüchen gekommen sein, in der Gesamtheit ist dies nicht zu erkennen. Ich glaube nicht, dass jemand Unterschiede in der Humorqualität erkennt, denn jeder fasst Spaß sowieso anders auf.)

In dieser ausgewählten Reihe der FAZ Klassiker der Comic-Literatur ist Gaston für mich ein absolutes Highlight. (Vor allem, weil hier ein Lacher auf den nächsten folgt, fast ein bißchen wie eine persönliche Sitcom. 😀 )