Dwight McCarthy hat einen Auftrag, einen sehr persönlichen Auftrag: Rache. Mit der kleinen Japanerin Miho an seiner Seite wird dies eine der blutigsten Nächte, die Sin City jemals erlebt hat.
Alles beginnt mit einer anderen Rache. Nach vielen Jahren hat Don Magliozzi endlich erfahren, wer seine geliebte Nichte Andrea ermordete. Bruno, ein Killer, der sich inzwischen als Politiker einen Namen in Sin City gemacht hat, musste seine Missetat zum Bettgespräch machen. Ein großer Fehler, wie er bald beim Essen in einem seiner Lieblingsrestaurants feststellen muss.
Dieser Anschlag, dessen Fakten Dwight aus einer verlorenen Seele herauslockt, birgt ein Geheimnis, weshalb Dwight und Miho eine Falle aufstellen.
Die Falle schnappt alsbald zu und Miho zeigt einmal mehr, wozu sie in der Lage ist. Die kleine Japanerin ist einerseits attraktiv, andererseits ist sie im wahrsten Sinne des Wortes ein Todesengel. Dwight kann sich glücklich schätzen, sie an seiner Seite zu haben. Zwar hat Miho auch einen eigenen Willen, wie sie eindrucksvoll unter Beweis stellt, wenn man sie beleidigt, aber sie gehorcht, wenn es ihr angebracht erscheint und sie jemanden unter ihren Schutz gestellt hat.
Langsam aber sicher nähern sich Dwight und Miho ihrem Ziel. Im Sinne eines alten Filmtitels lässt sich sagen: Leichen pflastern ihren Weg. Die beiden Rächer schenken ihren Feinden nichts. Am Ende geht es um Familie und ein Mafiaboss muss erkennen, dass nicht nur Italiener den Wert einer Familie zu schätzen wissen.
Zurück in Sin City!
Rache ist ein häufiges Thema in Sin City, es schwingt wenigstens unterschwellig mit, wenn es nicht sogar absolut in den Mittelpunkt gestellt wird wie hier. Obwohl Frank Miller dieses Thema oft verwendet, wird es trotzdem nicht langweilig, da Miller seine Charaktere sehr sorgfältig gestaltet und auf diese Weise immer neue Wege beschreiten kann.
Dwight darf hier beweisen, dass er nicht nur der knallharte Typ ist, der sich an der Seite der Prostituierten eisenharte Gefechte mit Kriminellen liefert. Der Ausspruch Harte Schale, weicher Kern ist auf ihn absolut zutreffend. Wie er sich seine Informationen beschafft, wie er sich auch um Miho sorgt (obwohl sie das überhaupt nicht nötig hat), sein Verständnis für die Ursache der Vendetta, all das stellt ihn in bester Tradition eines Verbrechers und Gauners mit Herz dar.
Miho! Es fällt schwer, etwas über Miho zu schreiben. Miho spricht nicht, ihre Taten sprechen für sie. Selten, wirklich sehr selten, hat das Thriller-Genre eine derart brutale und gewalttätige Frau gesehen, die außerdem ihr Handwerk mit höchster Eleganz ausübt.
Und Miller wäre nicht Miller, würde er nicht mit seinen Figuren spielen. Im Gegensatz zu allen anderen, ganz besonders im Gegensatz zu ihrem Handwerk wird Miho in blütenreinem Weiß dargestellt. Für Miller muss sie ein Racheengel sein und niemand würde einem Racheengel einen Vorwurf über das machen, was ein Racheengel eben tun muss. Bei aller Artistik, die sie bei ihrer Arbeit an den Tag legt, verliert sie nie ein Wort. Das nährt die Idee des Racheengels, der absolut emotionslos seinen Auftrag ausführt, weil er von der Gerechtigkeit seines Handelns überzeugt ist.
Die Gegenspieler, die Miller kreiert, sind nicht eindimensional, sie haben durchaus Charakter. Aber sie sind immer sehr schlecht, jeder auf seine Art, der eine aus reiner Bosheit, der nächste vielleicht aus Verzweiflung. Miller spielt mit diesen Figuren. Er hetzt sie auch aufeinander und ich unterstelle ihm einfach einmal, dass er sich auch selbst davon überraschen lässt, was passieren wird.
Als Dwight dem kleinen Gangster Vito die Wahl lässt, ob dieser seinen Kumpanen umlegt oder selber durch die Hand Mihos stirbt, ist der Ausgang dieser kleinen Episode doch nicht so gewiss, wie es zunächst den Anschein hat. Es sind genau diese Kleinigkeiten, die Millers Geschichten ausmachen.
Grafisch sind wieder sehr schöne Einstellungen dabei – wenn man es so nennen kann, da der Begriff eher dem Film zugeordnet ist, aber mit etwas Glück werden wir diese Geschichte auch auf der Leinwand sehen.
Die Umgebung ist wieder einmal düster geraten. Es ist wieder Nacht in Sin City und der Leser gewinnt den Eindruck eines Settings aus der Zeit der schwarzen Serie. Dunkle Ecken, Abgründe, festungsähnliche Villen und monströse Gauner und Verbrecher. Der Mafiaboss sieht aus, wie es das Klischee will. Hager, teuflisch, gebückt. Er ist, um ihn mit Schauspielern zu vergleichen, kein Brando, eher ein magerer Davi. Zum Schluss fährt Dwight endlich den alten Cadillac, den er die ganze Zeit haben wollte. Damit schließt sich der Kreis von Millers Anspielungen, die hier in dieser Geschichte etwas offenkundiger zutage treten.
Ich habe die Geschichte sehr genossen. Sie beginnt langsam, fast freundlich, sogar mit einer Prise Humor. (Ich möchte behaupten, dass sich Miller hier selbst als Barkeeper karikiert.) Später driftet der Humor in Tarantino-Sphären ab. (Wer Kill Bill gesehen hat, wird verstehen, was ich meine.) Während der Zeit des Lesens war ich richtig gebannt und wollte mich auch durch nichts ablenken lassen. Besseres lässt sich kaum über eine Geschichte sagen: Sin City 5 – Familienbande fesselt einfach.
Thriller- und Miller-Fans kommen auch an dieser Geschichte nicht vorbei. 😀