Dr. Julien Saunière ist auf seine Art ein guter Mensch in dieser Welt. Es kommt vor, dass er Menschen für kleines oder auch gar kein Geld behandelt. Er hilft oft und gerne. Doch der Tag, an dem er sich entschloss, Pater Marin zu helfen, gehört zu den schwärzesten seines Lebens.
Tief unter der Stadt ist Pater Marin für die sorgsame Aufbewahrung wichtiger kirchlicher Manuskripte verantwortlich. Eines Tages geschieht etwas Seltsames. Marin schreitet in die Tiefe. Noch nie hat er selber die verborgenen Räume betreten. Der Geruch, den er riecht, ist teuflisch, schwefelig – und ein Manuskript fehlt. Dr. Saunière ist der einzige Mensch, dem Marin vertrauen kann. Saunière verspricht, den Dingen auf den Grund zu gehen. Bald schon bereut er diese Zusage.
Die erste Spur führt in ein schlimmes Viertel. Pater Marin hatte Kontakte, die einem Pater nicht zustehen. Die Frau, die im Kontakt zu ihm stand, hat ihre Aufgabe, die ihr bei dem Diebstahl aufgetragen war, ebenfalls längst bereut. Der Anblick, der sich Dr. Saunière bei ihrem Fund bietet, geht unter die Haut.
Eigentlich ist für Saunière zu diesem Zeitpunkt auch der Fall erledigt. Er ist schließlich kein Kriminalist. Fälle wie dieser wird die Inquisition auf den Plan rufen. Niemand, der bei klarem Verstand ist, wird sich in Ermittlungen der Inquisition einmischen. Aus dem guten Vorsatz wird allerdings nichts, denn ein geheimnisvoller Killer geht in Paris um.
Eine alte Liebe meldet sich in Saunières Leben zurück. Leider kann er ihr nicht die Aufmerksamkeit widmen, die ihr zustünde. Der Doktor ist bald kein Ermittler mehr, sondern ein Gejagter, dessen Leben an einem seidenen Faden hängt.
Rex Mundi nimmt den Mystery-Kenner auf eine Reise in eine andere Welt. Sie kommt uns bekannt vor, aber irgendwie hat sie sich nicht so entwickelt, wie wir es gewohnt sind.
Verschiedene große Reiche teilen die Welt unter sich auf. Das Emirat Cordoba, Frankreich, das Preußische Reich, das Heilige Römische Reich, das Vereinigte Königreich und viele andere. Die katholische Kirche hat ihre weltliche Macht niemals verloren und wirkt stets an allen wichtigen Bereichen des täglichen Lebens in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts mit. Berufe sind in Gilden organisiert. Undenkbar einer vernünftigen Arbeit nachzugehen, ohne einer Gilde anzugehören.
Und es existieren Magie und Hexerei. – Und wer weiß, was es sonst noch gibt und sich lieber hinter den Kulissen versteckt.
Inquisition erklärt dem Verbrechen den Krieg.
Diese Welt ist unheimlich und von Autor Arvid Nelson hervorragend beschrieben. Als Leser kann es einem nur kalt den Rücken hinunterlaufen bei der Vorstellung, eine Institution wie die Inquisition könne in der heutigen Welt noch eine derartige Macht besitzen und sogar als eine Art Polizei fungieren. Der andersartigen Aufteilung dieser Welt fügt Nelson viele uns bekannte Versatzstücke hinzu. Im Hintergrund der Handlung keimt ein großer Konflikt zwischen den Weltreligionen heran. Der Islam scheint bereit zu sein, sich noch weiter auszudehnen. Außerdem sind die großen europäischen Staaten immer noch auf Kolonisation ausgerichtet. In Frankreich melden sich Stimmen, die den europäischen Nachbarn ihre Erfolge auf diesem Gebiet nicht gönnen.
Aber bislang weigert sich der französische König noch, diesen Stimmen zu folgen. – Die politische Situation, die sich in Gesprächen und Zeitungsartikeln äußert, ist ebenso spannend wie der unheimliche Kriminalfall, dem Dr. Saunière nachgeht.
Auf der anderen Seite ruft uns Nelson die Geheimbünde des Altertums ins Gedächtnis. Der Einfluss solcher Geheimbünde wird heute immer wieder angeführt, in der beschriebenen fiktiven Welt sind sie überhaupt nicht von der Hand zu weisen und finstere Realität. Die Magie, die hier etwas verschwommen im Spiel ist, wird von Kapitel zu Kapitel zur größeren Bedrohung. Wie sich letztlich ins Bild setzt, ist gruselig gelungen. – Wenn das Böse auf jegliche Worte verzichtet, ist seine Wirkung auf den Leser oder Zuschauer meist noch effektiver. So ist es auch hier.
Grafisch teilen sich Zeichner EricJ und Kolorist Jeromy Cox die vortreffliche Gestaltung. Sie tanzen durch die unterschiedlichsten Seitenaufteilungen und Perspektiven. Die düstere Welt schlägt sich auch in den Bildern nieder. Dunkle Farben sind hier vornehm, die Inquisition trägt glänzende Masken, während ausgerechnet der Engel des Todes in Weiß gekleidet ist. Arvid Nelson kann sich voll und ganz auf EricJ verlassen, denn streckenweise kommt die Geschichte mit dem allernotwendigsten Text aus.
Ein außerordentlich gelungener Mystery-Thriller, dessen Düsternis toll durch die Grafiken unterstrichen wird! Wegen seiner Ansiedlung in einer Parallelwelt ist er für viele Überraschungen gut. 😀
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