Freitag, 28. Juli 2006
Eigentlich sollte es nur ein kleiner Rundflug über der unberührten Natur von Brasilien werden. Doch Bob Morane und sein Freund Bill Ballantine haben enormes Pech. Ihr kleines Sportflugzeug versagt ausgerechnet über dem Dschungel den Dienst. Morane bringt die Maschine in einem kontrollierten Absturz zu Boden.
Die beiden Männer gehen mit der Situation auf männlich bärbeißige Art um. Irgendwo in diesem undurchdringlichen Grün muss es einen Weg nach Hause geben. Später als beiden lieb ist, stoßen sie auf eine winzige Ortschaft im Nirgendwo. Sao Francisco beherbergt feindselige Gesellen, die die Fremden am liebsten sofort wieder los wären – sogar tot, wenn es sein muss.
Moranes und Ballantines Glück ist es, dass Piloten gebraucht werden. Und die beiden Männer sind ziemlich neugierig, als ein undurchsichtiger Jorge Serena ihnen einen Job anbietet. Die beiden Männer nehmen an, schließlich wollen sie auch aus dem Dschungel wieder heraus und dies scheint dafür auch die beste Gelegenheit zu sein. Serenas Luftflotte ist alt, aber gut gewartet. Gleich beim ersten Auftrag nehmen sie eine merkwürdige Fracht auf. Zeit, um die Neugier zu befriedigen, bleibt nicht. Sobald sie wieder in der Luft sind, werden die beiden Freunde von zwei Düsenjägern angegriffen. Werden die beiden in ihrer DC3 eine Chance haben?
Bob Morane – Die Atomschmuggler ist ein ganz klassischer Abenteuer-Comic aus jenen Tagen, als Männer noch Männer waren, die Whisky und Bier tranken und nebenbei aus jeder Misere wieder herauskamen. Es sind Männer wie Buck Danny, Andy Morgan, Dan Cooper oder eben Bob Morane, die wissen, was ein Mann tun muss. – Spaß beiseite. Ich liebe diese doch recht klassischen Abenteuer-Geschichten. Ein kurzer Auftakt und es geht los.
Selbstverständlich kann ein Mann wie Bob Morane nicht alle Facetten eines Mannes abdecken, weshalb wenigstens ein Duo erforderlich ist. Bob hat Bill Ballantine an seiner Seite, trinkfest, draufgängerisch, immer etwas zu schnell mit den Fäusten und einer großen Klappe bei der Sache.
Charakterlich ist Bob Morane der vernünftige der beiden Männer – eigentlich ist er derjenige, der weniger Spaß macht während des Lesens. Zwar bringt sich Ballantine viel schneller in Schwierigkeiten, aber er sorgt auch für spannende Situationen – er ist die Art von Charakter, den der Leser sympathisch findet und sich gleichzeitig die Haare über so viel Unvernunft rauft. (Wie kann er nur!? – Diese Frage stellt man sich spätestens, wenn Ballantine bereit ist, sich wegen einer Büchse Bier zu schlagen.)
Bob Morane startete in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts in Comic-Form und ist, wenn man es so nennen kann, ein Ableger einer Romanserie. Seine Grundthematik wird wohl mit einer realistischen Science Fiction umschrieben. Morane muss sich mit diversen Feinden herumschlagen. Eine davon, die geheimnisvolle Miss Ylang Ylang, zieht auch im vorliegenden Band ihre Fäden im Hintergrund. Von Science Fiction ist allerdings in dieser Geschichte nichts zu spüren. Die Atomschmuggler ist ein sehr geradliniger Abenteuer-Band und sehr techniklastig. (Wer Buck Danny wegen seiner technischen Ausstattung mag, wird sich bei Bob Morane in diesem Band wie zu Hause fühlen.)
Zeichner William Vance zeichnet Männer mit kantigen Zügen, eckigen Kinnpartien und strengen Blicken. Seine Gangster sehen wie Gangster aus, entweder gelackt wie ein Papagallo oder unrasiert, ungepflegt und düster. Vance gestaltet seine Figuren mit starken Tuschestrichen. Infolge der Kolorierung wirken die Bilder ein wenig altmodisch – andererseits gibt es mittlerweile Arbeiten aus jüngerer Zeit, die ähnliche Stile haben und so einen entsprechenden Effekt erzielen.
Ich finde solche Bilder sehr gelungen, weil auch die Geschichte Spaß macht und Abenteuer pur ist. Wenn eine Staffel aus Corsairs und Messerschmidts angreift und einen Bandenkrieg thematisiert, bricht ein richtiges Actionfeuerwerk los. Da lösen Sturz- und enge Kurvenflüge einander ab, knattern die MGs und werden Napalmbomben abgeworfen. – Es ist erstaunlich, dass eine französische Frauenzeitschrift (Femme d’Aujourd’hui) an Vernes mit der Idee herantrat, aus Bob Morane eine Comic-Serie zu gestalten. Nun, wahrscheinlich war der metrosexuelle Mann damals noch kein Thema und kantige Kerle wie Belmondo faszinierten die Frauen.
(Wer sich noch mehr für Vance’ Arbeiten interessiert, mag vielleicht die Serie Ramiro, seinerzeit Splitter Verlag, ein eher mittelalterliches Szenario, aber sehr spannend.)
Bei genauer Betrachtung reiht sich Morane auch in die Riege von Bond ein – spätestens aus dessen Plots sollten die Leser/Zuschauer die ominöse Verbrecherorganisation kennen, die im Hintergrund ihr Unwesen treibt.
So gesehen, ist Bob Morane auch ein Wegbereiter solider Agenten- und Thrillergeschichten. Künstlerisch hat er optisch und handwerklich einiges zu bieten, weshalb Comic-Freunde, die schon ähnliche Comic-Helden, die echte Kerle sind, in ihrer Sammlung bevorzugen, hier bedenkenlos zugreifen können.
Ich jedenfalls freue mich auf die nächste Ausgabe. 😀
Donnerstag, 27. Juli 2006
Guillaume besucht eine ganz besondere Schule, das unsichtbare College. Leider sind seine Leistungen ebenso unsichtbar. Als Magier ist er einfach schlecht. Aber Guillaume ist nicht dumm. Eine Schummelei macht ihn in Windeseile zum Klassenbesten. Was eigentlich eine gute Sache ist, wird für Guillaume der Auftakt zu einem rasanten Abenteuer, das er sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt hätte.
Seine Mitschüler sind nicht davon begeistert, plötzlich in die zweite Reihe gedrängt zu werden, hielten sie Guillaume doch bisher für eine Niete. Auch Guillaume hat Probleme mit seiner plötzlichen Popularität. – Denn das absolut Böse geht um!
Auch das sollte Guillaume nicht weiter interessieren, gäbe es nicht das kleine Volk, Trolle, Elfen und andere Fabelwesen, die glauben, nur der Oberzauberer könne sie vom absoluten Bösen befreien. Und wer könnte wohl der nächste Oberzauberer werden, wenn nicht der Klassenbeste des unsichtbaren Colleges?
Ehe Guillaume sich versieht, ist er nicht nur der Besitzer eines kleinen Drachen, er befindet sich außerdem im Kampf mit dem absolut Bösen.
Ein Schüler an einer Schule für Magier ist sicherlich nicht die neueste Idee. Doch es kommt auf die Umsetzung an, die hier ziemlich von einem anderen bekannten Zauberschüler abweicht. Guillaume wird von der Handlung eher mitgerissen, er bestimmt sie nur zu einem kleinen Teil selbst.
Der Auftakt zeigt Abgesandte des kleinen Volkes, die alle ihre Tricks anwenden, um in das unsichtbare College vorzudringen. Diese kleinen Details machen die Geschichte sehr amüsant. Wenn eine Dame des kleinen Volkes Guillaume ihr Dekolleté ihm geradezu aufdrängt, damit er auf sie aufmerksam wird, dann ist das schon einen Schmunzler wert. Zuvor hatte sie gemeinsam mit ihren Freunden in seinem Kleiderschrank gehockt und gewunken. Guillaume hatte sie trotzdem nicht gesehen. – Spätestens nachdem eine weitere Abgesandte, die Feenkönigin, von Guillaumes Drachen verschluckt wurde, lässt sich das Lachen nicht mehr halten.
Werwölfe, die mit Katzen Ball spielen, Drachen, die in eine Handtasche passen und trotzdem eine fürchterliche Bedrohung sind, weil sie Feuer spucken können wie ein Großer.
Erstaunlicherweise wird es mit dem Auftauchen des absoluten Bösen auch absolut blutrünstig – das passt irgendwie nicht so sehr zu der zuvor doch sehr humorvollen Handlung, und auch nicht zum eher humorvollen Schluss. Diesen Schnitzer von Autor Ange kann ich mir nicht erklären, denn er wäre so nicht nötig gewesen.
Zeichner Donsimoni beherrscht einen zeichnerischen Stil, der sich zwischen Disneyscher Tradition und der neuen Generation im Sinne eines Humberto Ramos bewegt. Mit wenigen Strichen erreicht er sehr viel Volumen, was durch die Farbgebung von Besson noch verstärkt wird. Die magische Welt, mit ihren schönen Einfällen, erwacht durch Donsimoni zu einem eher knuffigen und fein anzuschauenden Leben.
Wer hätte gedacht, dass eine magische Schule ähnlich einem Ausbildungszentrum des britischen Geheimdienstes über einen Kampfschulungsraum verfügt.
Der kleine Drache dürfte wohl das putzigste Maskottchen (oder auch Haustier) seit langem sein – gegen diese Kulleraugen kommt selbst eine Post holende Eule nicht an. Da scheint es schwer verständlich, dass ein magischer Ausbilder nicht dem Charme dieses Drachens erliegt – nun, erlegen will er den Drachen schon.
Wer das Ende aufmerksam verfolgt, ganz besonders den Schluss, kommt nicht umhin, Vergleiche ganz anderer Art anzustellen. Es war einmal in einer weit, weit entfernten Galaxis, da zerstörte ein junger Mann den Todesstern und wurde auf einer Feier geehrt. Wer sich die Perspektive anschaut, vergleicht wie die Charaktere sich aufgestellt haben, wird kleines Déjà-vu erleben.
Ein absolut kurzweiliges und lustiges Abenteuer in einer neuen magischen Welt, das wegen seiner Anspielungen und vielen Details richtig Spaß macht. Ich bin wirklich auf Guilaumes weitere Abenteuer gespannt (deren Fortsetzung bereits angekündigt ist). 😀
Mittwoch, 19. Juli 2006
Eben noch war Harrison Banks einer der mächtigsten Männer der Welt, nun ist er ein gesuchter Verbrecher. Natürlich versucht er sich vor der Polizei für die Vergehen, die man ihm zur Last legt, zu verteidigen. Die Beamten kommen sogar seinem Ansinnen nach, seine Sekretärin auf Golden City zu kontaktieren. Doch leider wartet dort auch ein anderer Harrison Banks auf den Anruf. Bei zwei Banks’ ist einer zuviel: So wird der (vermeintliche) gemeingefährliche (und doch echte) Doppelgänger im wahrsten Sinne des Wortes in einer Zelle versenkt.
Allerdings ist auch ein vermeintlicher Doppelgänger für die Intriganten im Hintergrund eine Schwachstelle. Harrison Banks muss sterben, eine andere Lösung kann es nicht geben. So wird eine Auftragsmörderin auf Banks angesetzt. Inmitten der Slums auf den Küstenstreifen des Kontinents existieren genügend verbrecherische Seelen, die für ihr Auskommen beinahe jeden Auftrag übernehmen.
So muss Banks lernen, dass Polizeigewahrsam nicht mit Schutz gleichzusetzen ist. Aber er lernt die Gesetze dieser andersartigen Welt, in der es Menschen gibt, die für einen vergleichsweise geringen Einsatz alles gewillt sind zu riskieren.
Mifa, die Jugendliche, die ihm bereits einmal half, vertraut immer noch auf seine Worte, er werde sie mit einer ordentlichen Summe belohnen. Bald stellen sich diese Worte als Trugschluss heraus. Banks’ altes Leben wird mehr und mehr beschnitten.
Das Science Fiction Abenteuer Golden City geht weiter. Mit Banks gegen Banks steigt die Spannung einmal mehr mit der Geschichte um einen Mann, der eben noch alles besaß und im nächsten Moment nur noch um das nackte Überleben kämpfen kann.
Golden City verbindet die Elemente von Thriller und Science Fiction. Zur Erklärung: Der Titel der Serie bezeichnet eine gigantische schwimmende Stadt. Sie ist eine Wohnstatt für die Reichsten der Reichen dieses Planeten. Durch ihre Mobilität hält sie sich ständig außerhalb der Grenzen der bestehenden Länder – und somit außerhalb der Gesetze und (noch viel wichtiger) außerhalb der Steuervorschriften. Golden City wird auf diese Weise zu dem Steuerparadies auf Erden. Die Idee einer schwimmenden Stadt findet sich in diesen Tagen sogar in der Realität. Die Zielgruppe ist identisch mit jener, die der Autor Daniel Pecqueur anführt.
Die Umsetzung, eigens für diese Geschichte erdacht, fällt denn doch noch eine Spur phantastischer und technisch aufwändiger aus, als es die Realität bislang noch erlaubt. An der Wasseroberfläche ähnelt die Stadt einer Art überdimensionaler Kappe. Unter der Oberfläche, wie von Eisbergen her bekannt, ist die Hauptmasse von Golden City untergebracht. Alleine die technischen Finessen bieten eine unglaubliche Menge an Hintergrundmaterial. Dies und die übrige beschriebene (bzw. gezeigte) Welt trägt zur glaubwürdigen Erzählung der Geschichte bei.
Pecqueur lässt sich auch auf eine intensive Gestaltung seiner Charaktere ein und lässt dabei auch die verschiedensten Motivationen, die Mensch für sein Handeln anführen kann nicht aus: blankes Überleben, Habgier, Hass, Sex und vieles mehr.
In kurzen Abschnitten bringt der Autor seine Figuren dem Leser (also mir) nahe. Er schafft es, diese Charaktere sehr lebendig zu gestalten.
Der Zeichner Nicolas Malfin schafft es blendend die detailreiche und technische Seite der Handlung umzusetzen. Malfin hat ein Kameraauge. Die Blickwinkel sind wie eine Reise, auf die der Leser mitgenommen wird. Malfin lässt die Akteure auf den Betrachter zugehen. Es sind diese Situationen, in denen der Zuschauer (Leser) mehr weiß als die Protagonisten. Auf bekannte und neue Arten erzeugen Autor und Zeichner so Hand in Hand Spannung von der ersten bis zur letzten Seite.
Malfin hat außerdem eine sehr leichte Art der Darstellung, filigran und exakt. Sein Zeichenstil erinnert an ähnlich gezeichnete Mangas. Manche Zeichnung, in der Geschwindigkeit von Fahrzeugen oder Aktionen gezeigt wird, verweist sehr auf diese asiatischen Zeichentechniken. Malfin portiert diese Technik hervorragend in die europäische Erzählform und drückt ihr seinen eigenen Stempel auf.
Zusammen mit den Koloristen Pierre Schelle und Stéphane Rosa entsteht so eine richtige Bilderpracht, die wie Screenshots eines Animes ausschauen.
Toll erzählte Science Fiction in einer klasse Aufmachung! 😀