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Comic Blog


Samstag, 20. August 2005

Wann ist ein Held ein Held?

Filed under: SciFi,Superhelden — Michael um 21:13

Der neue PatriotDie dunkle Seite des amerikanischen Traums untertitelt der Vierteiler Der neue Patriot. Superhelden, genetisch gezüchtet, wandeln sich vom Traum zum amerikanischen Alptraum. Die Götter werden zu Vorboten des nahenden Untergangs.

Die Menschen erwarteten einen Aufschrei der Empörung, als England 51ster Staat der USA wurde. Aber wir hatten es schon so lange in unserer Tasche, dass es wohl keiner so richtig merkte.

Die Welt befindet sich im Wandel. Unbemerkt sind die gezüchteten Helden zu einer Eingreiftruppe rund um den Globus geworden. Als die Geschichte auffliegt, wird die neue amerikanische königliche Familie, so die Yellow Press Bezeichnung für die Optimen, die Übermenschen, in Krisenherden zur Befriedung eingesetzt.
Die Psi-begabten Übermenschen gehen ihrer Aufgabe auch zuerst zur Zufriedenheit der Oberen nach. Doch es gärt, nicht nur weltweit, sondern auch im Volk. Fanatiker, rechts wie religiös, rotten sich gegen die Optimen zusammen. Die Proteste gegen die neuen Patrioten werden immer schlimmer.

Wenn man eine Patriotin ist, befindet man sich in einer merkwürdigen Situation. Ich meine, wenn man heiratet – wer trägt dann wen über die Schwelle?

Zusätzlich zur künstlichen Evolution sind Übermenschen auch sexuell nicht mehr einzuordnen. Als ein Homosexuellentreff von Fanatikern gesprengt wird, nimmt einer der Optimen furchtbare Rache. Der Niedergang des Projekts ist eingeläutet.

Die Konzeption dieser Geschichte ist herausragend, weil sie die Thematik des (Comic-)Helden auf sehr ernsthafte Weise aufgreift. Es greift die Frage auf: Ist jemand zum Helden geboren?
Die Antwort lautet: Nein. In dem 1989 erschienenen Comic wird das gängige Superheldentum auf sehr drastische Art entzaubert. Edelmut wurde nur bei wenigen Helden noch hochgehalten, sogar Superman hatte seine finsteren Momente, aber nur ganz, ganz selten waren die Helden so menschlich wie hier.
Eine ähnliche Atmosphäre findet sich aktuell bei den Ultimativen, ebenfalls eine staatlich kontrollierte Gruppe.
Während dort der Hulk wegen vielfachen Mordes (und weil er schon mal jemanden auffrisst) angeklagt wird, leiten die Optimen den kompletten Niedergang der USA ein.

Autor John Smith hat hier eine Geschichte geschaffen, die wirklich universell einsetzbar gewesen wäre. Sie hätte auf der Leinwand wie auch als Roman funktioniert, zumal der Comic mit Zeitungsartikeln und Interviews angereichert wird. So entsteht hier zeitweilig eine erzählerische Mischform.
Zeichner Jim Baikie arbeitete an Batman, Teen Titans und Judge Dredd. Der zeichnerische Stil ist skizzenhaft, hingeworfen wie mit Tusche und Farbmarker. Aber das genügt. Für den dokumentarischen Aufbau der Geschichte braucht es nicht mehr und es ist manchmal gut, dass sich ein Zeichner auch zurückzunehmen weiß.

Ich glaube an unser Land und unseren Staatenbund. Ich glaube, dass der Heilige Geist gleichzeitig der amerikanische Geist ist.

Die Geschichte geht mit den USA hart ins Gericht. Die politische Einstellung wird in dieser Science Fiction Geschichte (zw. 2047 und 2064) unverblümt kritisiert. Vor dem Hintergrund des letzten Golfkrieges und des gemeinsam geführten Angriffs der USA und England beweist das Szenario eine gewisse Weitsicht.

Unter dem Strich bleibt eine sehr vielschichtige Handlung mit sehr echten Helden, deren Geburt beinahe in einer Art weiteren Vietnam-Tragödie für die USA mündet. Daumen hoch. 😀