Die Bundespolizei hat die Falle ausgelegt. Die Männer sind postiert. Jetzt müssen die Schmuggler nur noch festgenommen werden. Das ist ein Kinderspiel. Ethan traut der Angelegenheit nicht. Sollte den Einsatzleuten ein Fehler unterlaufen, könnte seine Tarnung auffliegen. Diese Tarnung ist wichtiger denn je. Ethan genießt inzwischen ein großes Vertrauen im Kreise seines Chefs Van Rhinelander. Mehr noch: Ethan fühlt sich in Gesellschaft dieser Männer immer wohler.
Der Wilde Westen will nicht mehr wild sein. Das schließt den gesamten nordamerikanischen Kontinent mit ein. Neue Technik bedeutet Zukunft. Ethans Chef, Van Rhinelander, will diese Zukunft mit der Entwicklung eines autonomen Wagens ohne Pferde mitgestalten. Denis-Pierre Filippi erzählt mit einem Augenzwinkern, wie schwierig sich derlei Entwicklungen getan haben und wie sehr das Fortschrittsdenken von Unternehmern und Erfindern immer wieder auf eine sehr große Geduldsprobe gestellt wurde. Der Spott, hier von den Journalisten, darf dabei nicht vergessen werden. Doch es ist nicht nur eine schief gelaufene Premiere eines Automobils, die der Leser hier bestaunen kann. Filippi beschreibt den Zwiespalt zwischen einer echten unternehmerischen Tätigkeit und Gaunerei. Besser gesagt: organisiertem Verbrechen.
Nachdem der Leser bisher die vermeintliche Sicherheit des alten New Yorks kennen gelernt hat, brechen die Männer rund um Van Rhinelander auf in das Hinterland. Und hier, abseits einer vorsintflutlichen New Yorks, dem jedoch schon viele moderne Merkmale anhaften, ist der Wilde Westen, ebenfalls mit allen Merkmalen, allerdings den altmodischen. Mitten im Nirgendwo plant Van Rhinelander eine Fabrik. Zwei Standorte sind zur Auswahl auserkoren. Der Plan wurde bekannt. Wer das Auswahlverfahren mit dem heutiger Szenarien vergleicht, wird keinerlei Parallelen feststellen. Hier ist man seitens der Einwohner bereit, sich mit Mord und Totschlag für eine Standortentscheidung stark zu machen.
Innerhalb dieser Rahmenbedingungen bewegt sich der junge Ethan Ringler. Seine Erfahrungen, die bisher für einen jungen Mann seines Alters außergewöhnlich gefährlich waren, wenden sich nun auch etwas schöneren Angelegenheiten zu: Liebe und Freundschaft. Filippi hat seinen Helden mit einem gesunden Misstrauen ausgestattet. Für einen Menschen in seiner Position, der als Doppelagent beschrieben werden kann, ist dies auch notwendig. Jedoch hat er sich mit dieser Einstellung sehr von seinem Umfeld ausgegrenzt. Er ist der junge Mann, der für seinen Mut bewundert wird, für seine Schussfertigkeit, auch für seine Loyalität, aber sicherlich nicht für seine überbordende Herzlichkeit.
Ethan lässt sich zaghaft auf die Liebe ein, ebenso auf die Freundschaft. Andere müssen vor erkennen, auf welch menschlichen Pfade er sich begibt.
Ethan findet gerade einen Freund. Vielleicht seinen ersten. Ich respektiere das. Und Sie sollten das auch tun.
Missgunst findet sich selbst auf diesem Terrain. Autor Denis-Pierre Filippi belässt es nicht bei den eher unpersönlichen Begebenheiten des Verbrechens, sondern er gräbt tiefer als zuvor im Charakter seines Helden, entblößt, macht ihn viel menschlicher und sympathischer. Aber Autoren sind auch gemein zu ihren Helden. Filippi macht da keine Ausnahme. Ist der Held erst einmal sympathisch, lässt es sich für den Leser viel leichter mit ihm leiden. Und Filippi erreicht genau das. Da sich die Geschichte im wilderen Westen bewegt, geht er dafür, wie kann es anders sein, über Leichen.
Gilles Mezzomo zeichnet mit dem gewohnten leichten Strich. In jugendlichen Gesichtern findet er nicht immer die nötigen Unterscheidungsmerkmale, bei einprägsameren Charakteren wie Van Rhinelander und einigen seiner Gehilfen aber finden sich sehr urige Typen, die weit von einem Dutzendgesicht entfernt sind. Angesiedelt ist dieser dritte Teil der Handlung im Winter. Damals wie heute ist der Winter eine Herausforderung, hier gleichzeitig für Mensch und Tier. Eine dichte und unberührte Schneedecke liegt über dem Land. Mezzomo macht daraus etwas unwirtliches und unwirkliches. Diese kleine Ortschaft mit ihren Holzbaracken und roh gezimmerten Häusern wirkt in dieser natürlichen Umgebung wie ein Fremdkörper. Mezzomo lässt diese Atmosphäre in Unsichtbare Schatten sehr schön erlebbar werden.
Mit einer gut gegliederten und schön geschilderten Geschichte gelangt der dritte Band auf den ersten Platz. Die Titelfigur Ethan Ringler lässt den Leser an sich heran, er wirkt sympathischer als bisher. Filippi und Mezzomo liefern hier ihr Gesellenstück am Rande zur Meisterschaft ab. 🙂
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