Samstag, 08. September 2007
Es ist der finale Kampf. In all dem Durcheinander ist es kaum noch ersichtlich wer hier wo auf wessen Seite kämpft. Zwar ist es nicht Brüder gegen Brüder, so doch Freunde gegen Freunde, die hier erbarmungslos aufeinander einschlagen. Und mittendrin einige der gefährlichsten Schurken, die jemals losgelassen wurden.
Im Gefecht erklingt der Ruf Rächer sammeln! und alle, die auf Captain Americas Seite stehen, nehmen den Ruf auf. Für einen geordneten Kampf bleibt aber kaum Zeit. Spider-Man hat sein altes Dress wieder angezogen. So überrascht er Iron Man.
Überraschender für Spidey ist jedoch der Angriff von Venom und Lady Deathstrike. Der Kampf tobt bislang in der Negativzone, wo er keinen Schaden anrichten kann. Die Uhr tickt. Wenn sich die Helden nicht beeilen, wird sich das Portal schließen. Die Gruppe um Captain America würde verlieren, so oder so.
Der einzige Ausweg scheint in einer Teleportation zu bestehen. Cloak, der bisher ein verlässlicher Gehilfe für unerwartete Auftritte war, soll nun alle Kämpfer zurück auf die Erde bringen. Für den Mann mit dem weiten Mantel, in dessen Schatten die Recken vormals jeden Platz erreichen konnten, scheint die Masse der Beteiligten ein unmögliches Unterfangen darzustellen. Dennoch: Er versucht es!
Vor dem Baxter Building wird es wieder hell. Sie fallen, ob Freund oder Feind. Captain America, Spider-Woman, Daredevil, Bullseye, Ms Marvel, wer nicht fliegen kann, stürzt. Immer weiter eskaliert der Kampf, bis es keinen Unterschied mehr zwischen Helden und Schurken gibt. Dann erfolgt die Erkenntnis!
Das Ende der umfassenden Umwälzungen namens Civil War bietet dank der vielen Schockeffekte, die Autor Mark Millar dem Leser vorsetzt, ein bombastisches Finale, das es so wohl noch nicht gegeben hat. Wer genau beobachtet, wer sich alles ins Kampfgetümmel stürzt – dank Steve McNiven grafisch höchst beeindruckend – kann schnell den Überblick verlieren.
Einige Schlüsselszenen fachen die Phantasie des Lesers enorm an. So ist der Auftritt von Namor mit seinem Schlachtruf Imperius Rex fast schon eine Gedankenreise für den nächsten F4-Kinofilm wert.
Andererseits zeigt der Kampf zwischen Herkules und dem falschen Thor, welche Gewalten auch ohne den Hulk entfesselt werden können. Wenn jemand wie der Punisher ein nachdenkliches Gesicht macht, dann will das einiges heißen.
Und nun?
Die Auflösung oder der Neuansatz, wie man es auch immer nennen will, erinnert im Grundsatz an eine andere Superheldengeschichte, die vor einigen Jahren außerhalb aller bekannten Superhelden-Universen erschien. In Der neue Patriot – Die dunkle Seite des amerikanischen Traums trat ein Held für jeden Bundesstaat in Erscheinung. Hier, im Anschluss des Civil War, ist es ein Team für jeden Bundesstaat. Iron Man nennt es die Initiative zur Rückerlangung des Vertrauens durch den amerikanischen Bürger.
In kleineren Bildern erfährt der Leser bruchstückhaft, was mit jenen Helden geschieht, die sich der neuen Ordnung verweigern. Entweder gehen sie in den Untergrund oder nach Kanada – was aus der Sicht eines US-Amerikaners vielleicht auf das Gleiche hinausläuft.
Es war einmal ein Schurke namens Nitro. Seine Explosion war der Auslöser des Civil War – oder wenigstens der Alibi-Auslöser.
Speedball, genauer sein ziviles Ego im Gefängnis, hat gelernt zu bereuen. Sein Gewissen quält ihn nach dem Tod von 612 Menschen, den er ganz alleine zu verantworten hat. Nitro ist nun frei. Er ist registriert und darf gehen.
Paul Jenkins beendet die Nebengeschichte um den Bösewicht, der unter der Last seines Gewissens zusammenzubrechen droht mit einem gelungenen Schluss, der schon wieder eine Vorankündigung ist. Was aus dieser neuen Kreatur wird, jener, die sich selber quält, bleibt abzuwarten. Man darf auf den Schlussakkord des Civil War gespannt sein.
Ein Paukenschlag zum Schluss, brutal, die Helden werden zu Boden geworfen, Millar entlarvt die Helden, unter denen es keine Gewinner gibt. Eine lesenswerte Serie, das Marvel-Universum auf der Schwelle zur Ultimativen Welt. 🙂
Dienstag, 11. Juli 2006
Der Mole King verliert. Die Fearsome Four vernichten sein unterirdisches Königreich, das die Herrschaft des Hauses Magnus niemals anerkannt hat. Nach dieser Untat kehren die Fearsome Four unter der Führung von Victor von Doom nach Latveria zurück.
Doch Doom wäre nicht jenes finstere Genie, gäbe er sich mit solch kleinen Vernichtungsfeldzügen zufrieden. Sein Ziel ist die absolute Macht. Doch dem entgegen steht das Haus von Magnus. Magneto befiehlt Doom wie einem Handlanger, etwas, das sich der Wissenschaftler und Magier nur mit ungeheurem Widerwillen gefallen lässt. Er schmiedet einen Plan, um das Haus, das sich zur Weltherrschaft aufgeschwungen hat, endgültig von der Erde zu verbannen.
Australien. Der Hulk (wie auch Bruce Banner) hat endlich eine Heimat gefunden. Die Aborigines haben ihn freundlich aufgenommen. Allerdings kann Bruce Banner nicht der Gewalt und somit seinem Alter Ego entkommen. Menschen, die hofften, sie könnten in der Einöde des Outbacks der Schreckensherrschaft der Mutanten entkommen, werden eines Besseren belehrt. Hulk greift ein und erledigt das Problem auf handgreifliche Art.
Obwohl dem Gouverneur von Australien von Magneto nahe gelegt wird, sich nicht mit dem Hulk anzulegen, ignoriert dieser den guten Rat. Ein Fehler! Hulk beginnt, die Angelegenheit sehr persönlich zu nehmen. Plötzlich sieht sich Bruce Banner mit einem Regierungsamt konfrontiert, eine Aufgabe, die er nie gewollt hat. Es war ihm einzig daran gelegen, das Volk der Aborigines zu schützen.
Die Intrigen, in die er nun hineingezogen wird, kann am Ende nur einer beseitigen: der Hulk.
Was tun, wenn man eigentlich tot sein sollte? Dieser Frage muss sich Hawkeye stellen. Und die Antwort gefällt ihm überhaupt nicht.
Auch Magneto hat ein Problem. Illoyales Verhalten kann der überhaupt nicht dulden. Der Black Panther, Held und Herrscher über Wakanda, hat sich den Zorn des Hauses Magnus zugezogen. Doch der Black Panther ist nicht nur der König eines Landes, in einer anderen Realität war er auch einmal ein Rächer. Er ist jemand, der sich zu wehren weiß und auch Freunde hat.
Abschließend lässt Captain America noch einmal die Zeit an sich vorüber ziehen. Er sieht, wie die Mutanten die Oberhand gewannen und die Gesellschaft sich wandelte. Jetzt ist er nur noch ein Fossil aus längst vergangenen Tagen. Oder doch nicht?
Verschiedene Geschichten, verschiedene Stile und Zeichner, beste Unterhaltung. Zwei längere Geschichten ragen besonders aus diesem Band heraus, der sich der verschobenen Realität um das Haus von Magnus annimmt.
Was wäre, wenn Reed Richards alias Mr. Fantastic nie die Gelegenheit erhalten hätte, das Team der Fantastischen Vier zusammen zu schweißen? Dies wäre vielleicht die Stunde des Dr. Doom gewesen. Vielleicht hätte dieser Schurke seine eigenen Vier aus der Taufe gehoben. Vielleicht hätte er seinen Terror ungestraft in die Welt tragen können. Auf grafisch wirklich beeindruckende Weise von Scot Eaton in Szene gesetzt und von John Layman erzählt, lässt es auf spannende Weise verfolgen, wie Doom gegen das Haus von Magnus aufbegehrt.
Eaton ist mit verschiedenen Arbeiten für Marvel bekannt (Spider-Man, X-Men u. a.), aber er lieferte auch tolle Arbeiten für die Serie Sigil aus dem Crossgen-Universum ab. (Wo er nach Meinung auch die besten Bilder der Serie ablieferte.) Hier gibt er den Fearsome Four ein Gesicht. Es zeigt sich, dass Eaton phantastisch mit Science-Fiction-Elementen arbeiten kann. So entsteht ein beeindruckender völlig neuer Doom, der dank seiner neuen Mimik noch gruseliger ist, da er nun seinen Gefühlen Ausdruck verleihen kann. (Und selten hat das Ding, besser das Es mir so Leid getan wie in dieser Geschichte.)
Der Hulk in Australien zu Hause? Nicht zum ersten Mal kann eine mystisch orientierte Kultur einem verlorenen Helden eine Heimat anbieten. Bruce Banner will dieses Kleinod beschützen, genauer, der Hulk nimmt ihm diese Arbeit ab. Hulks Kampf besticht durch faszinierende Einfälle, viel Dramatik und natürlich auch Humor. (Den der Hulk selber zwar bestreiten würde, doch seine Einfältigkeit bringt so manch komische Situation mit sich – für den Leser, weniger für seine imaginären Gegner.)
In dieser Geschichte (Terra Incognita), wie in der Vorgängergeschichte um Dr. Doom, erlebt der Leser die Handlung aus der Sicht von Nicht-Mutanten. Der Hulk gehört zu den mächtigsten Wesen des Marvel-Universums (auch in dieser Realität), so mächtig, dass sich sogar Magneto lieber mit dem grünen Giganten arrangiert. Obwohl eigentlich Doom für düstere Szenarien geschaffen ist (auch dank seiner magischen Ausflüge), bringt die Geschichte um Hulk deutliche Endzeitstimmung mit. Sie gehört zu den Szenarien, die sich wirklich in einem Zug lesen lassen (müssen).
Der Black Panther zeigt dem Leser, wie die Selbstheilungskräfte eines Sabretooth auch nichts mehr nützen. Diese Botschaft erreicht auch Magneto recht deutlich. Seltsamerweise nimmt er die Herausforderung nicht an, sondern schickt weiterhin seine Handlanger. Das ist nicht so stimmig. Andererseits mag es der Autor Reginald Hudlin als unter Magnetos Würde erachtet haben, dass der Herrscher sich persönlich mit dem König von Wakanda auseinandersetzt.
Letztlich ist es auch die Suche nach dem Haar in der Suppe, denn die Geschichten sind allesamt auf ihre Art gut und bereichern die Saga um das House Of M auf für mich treffliche Weise.
Wer als Leser nicht gerade dem Ultimativen Universum zugetan ist, sollte einen Blick in die Marvel Monster Edition 13 werfen. Dramatik und Action in tollen Szenarien sind garantiert. 😀
Sonntag, 31. Juli 2005
Der 11. September 2001 brachte Weltbilder ins Wanken, Kriege wurden in seiner Folge geführt und die Welt sitzt, so scheint es, auf einem globalen Pulverfass.
Auch die Comics blieben von diesem erschütternden Ereignis nicht verschont, dass nicht nur die Skyline von New York, sondern auch das Gesicht unseres Planeten ähnlich nachhaltig veränderte wie der Zweite Weltkrieg.
Kriege und Terrorismus sind Themen, die in Comics oft recht nachlässig behandelt wurden. Wenn ich mir Buck Danny-Comics betrachte, in Bänden wie Himmel in Flammen oder Operation Apokalypse, bei denen es um die Planung und Durchführung eines Anschlages auf den amerikanischen Präsidenten mittels Atomwaffen geht, ist das rückblickend mehr als nur erscheckend.
Beinahe minutiös und sehr detailgetreu wird hier geschildert, wie Terroristen der Diebstahl gelingt. Von Amerikanern ausgebildete Araber sollen die Bomben mittels gestohlener Tomcats ins Ziel bringen.
Naja, werden viele gedacht haben, so ein Anschlag konnte doch während der Reagan-Ära gar nicht realisiert werden. Doch was Charlier und Bergèse da ausgeheckt haben, lässt einem die Haare zu Berge stehen.
Wie es auf sehr einfache Art geht, mit einem Flugzeug in ein Regierungsviertel vorzudringen, hat der Absturz des Leichtflugzeuges vor dem Reichstagsgebäude gezeigt. Und das hatte nichts mit Comic zu tun.
Der Anschlag des 11. September machte auch den Comic-Autoren und –Verlagen zu schaffen. Marvel verarbeitete dieses Thema auf unterschiedliche Weise. Die Kurzepisode, in der sich die diversen Marvel-Helden und –Bösewichter an Ground Zero einfinden, ist wohl eine der menschlichsten und erschreckensten Episoden in der Geschichte der Comics.
Und sie ist gleichermaßen ein Appell: Nicht aufgeben, zusammenstehen. Zugleich zeigt es den Amerikaner: den Weißen, den Indianer, den Schwarzen, den Araber, den Asiaten und viele andere Volksstämme. – Die Kurzgeschichte kann sich bei aller Tragik allerdings nicht von einer gewissen Naivität freimachen.
In der Captain America-Geschichte Feind, die kaum ein Jahr nach dem 11. September in den USA erschien (bei uns ca. 1 1/2 Jahre später), ist die Reaktion eine ganz andere.
Einerseits wird dem Leser verdeutlicht, dass der Feind der (amerikanischen) Demokratie von außen kommt, andererseits erhält er in dieser Geschichte ein Gesicht, einen Gegner, den Cap bekämpfen kann.
Dazu wird freilich erst einmal ein neuer Horror geschaffen, ein weiteres Terror-Szenario. Wo eben noch ein typisches amerikanisches Dorf war, ist nur noch eine Ruine. Männer, Frauen und Kinder: Alle tot.
Wie weit soll sich ein Comic der Realität annähern?
Nach meiner Meinung sollte es nicht zuviel sein. Comic kann kritisch sein und darf sich hier die gleichen Rechte wie Roman und Film herausnehmen. Doch wie jedes Medium sollte er auch seine Zielgruppe beachten. In Anbetracht der Bilder im Fernsehen zum 11. September gab es diverse Diskussionen, was Eltern ihren Kindern im Fernsehen noch zumuten sollen. Comic muss keine heile Welt sein, aber Comic muss auch nicht die Welt sein.