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Comic Blog


Samstag, 27. Oktober 2007

Das Einhorn – Der letzte Tempel des Asklepios

Filed under: Mystery — Michael um 20:36

Das Einhorn 1 – Der letzte Tempel des AsklepiosIm Jahre 1565 hat Conrad Gessner keinerlei Hoffnung mehr. Gefesselt an den Pfahl des Scheiterhaufens erwartet er die Vollstreckung des Todesurteils. Plötzlich taucht ein Monster aus der Nacht auf und greift die Versammelten an. Doch für Gessner kommt jede Hilfe zu spät.
Der Jäger schenkt dem Toten auf dem Scheiterhaufen keine Beachtung mehr. Das Monster ist es, dem er hinterher jagen muss. Diese Aufgabe ist nicht leicht, denn die Kreatur scheint stärker zu sein als die bisher bekannten Wesen. Der Jäger verschwindet in der stürmischen Winternacht.

Da Vinci und Van Helsing treffen den Namen der Rose.

Das Einhorn: Es gab eine Zeit, bevor Halbgötter in Weiß das Land bevölkerten und Ausstellungen mit plastinierten Leichen um die Welt reisten. In jenen Tagen ließ sich das Studium am menschlichen Körper nur mit dem Aufschneiden bewerkstelligen. Von diesen Tagen und Erfahrungen, den ersten Operationen, die sich bewährt hatten (oder auch nicht) künden heute noch alte Gemälde aus jener Zeit. Im Geheimen trafen sich gelehrte Männer, auch gegen die Weisung der Kirche, und vertieften ihr Wissen. Autor Mathieu Gabella und Zeichner Anthony Jean nutzen diese geschichtlichen Hintergrundinformationen, um eine Welt wiederzubeleben, in der Wissen bestraft werden konnte. Sie setzen eine zweite Säule aus dunkler Fantasy und eine dritte Säule mit opulenter Ausstattung hinzu. Heraus kommt eine äußerst innovative Geschichte, die auf ihre Art vorerst unvergleichlich ist.

Historie und Fantasy haben sich schon immer gut vertragen. Neben der realen Bedrohung, mit der sich die Ärzte jener Zeit auseinandersetzen müssen, entführt das Element der Mystery den Leser in ein sehr geheimnisvolles Szenario. Aber im Klartext: Ambrosius Paré ist ein bärbeißiger Mann, der über ein – für seine Zeit – beachtliches Wissen auf dem Gebiet der Anatomie verfügt. Zwar ist er der Chirurg des Königs, doch für seine Kollegen mit geschultem Wissen in Latein und Griechisch ist er nur ein Barbier, der innerhalb ihrer Zunft eigentlich nichts zu suchen hat. Paré hat ein respektables Alter erreicht, er lässt sich nichts sagen und ist nur schwer zu beeindrucken. Wie groß sein Können ist, zeigt sich bei einem Eingriff an den Augen eines Patienten.

Alleine diese wenigen Ereignisse, die bereits zu Beginn stattfinden, sind derart aufregend, dass sie einfach fesseln. Aber Gabella hat seine Hausaufgaben gemacht. Er belässt es nicht bei der spannenden Schilderung eines Arztes der Renaissance. Im nächsten Augenblick verstirbt ein alter Freund in den Armen des Arztes. Glaubt man sich in einem historischen Thriller, findet sich kurz darauf ein großzügiger Umgang mit Blut und Innereien, nur um wenig später erneut einem phantastischen Geschöpf zu begegnen. Diese Mischung aus Golem und Homunkulus bringt ein gruseliges, magisches Element mit ein.
Durch die Augen von Ambrosius taucht der Leser immer tiefer in die Geheimnisse der Geschichte ein. Die Bilder, die sich ihm dabei offenbaren, sind mystisch, grausam, einfallsreich – vor allem sind sie von einer ungeheuer guten Inszenierung beseelt.

Denn grafisch kommt Anthony Jean nicht nur mit einem ganz eigenen Stil daher. Als Zeichner und Kolorist in Personalunion ist er maßgeblich für die schaurige Atmosphäre der Handlung verantwortlich. In dieser Zeit des geistigen Aufbruchs trennte sich das Licht von den Schatten, und es scheint, als habe Jean diesen Grundgedanken wörtlich genommen.
Ob es sich um Außen- oder Innenaufnahmen, tagsüber oder nachts, ob es Straßen, Gassen, Gebäude oder Landschaften, ob es Menschen oder Monster sind, alles ist perfekt aufeinander abgestimmt.
Bilder wie die Übersicht über Paris hätte man gerne ohne Textkästen gesehen. Bilder von Innenräumen, in bräunliches oder graues Licht getaucht, sind nur wenige Beispiele für eine elegante Inszenierung, die ein Beleuchter eines Kinofilms nicht besser bewerkstelligen könnte.

Sicherlich arbeiten Autor und Zeichner hier auch sehr gut Hand in Hand. Beide scheinen in gewisser Weise auch das Abstruse zu lieben. Wann gab es schon Schlägereien mit Knochen oder wurde die Flüssigkeit von Innereien zur Ablenkung eingesetzt. Es entsteht eine mythische düstere Stimmung, die sich vielleicht mit einem Film wie Der Pakt der Wölfe vergleichen lässt.
Nach einem Gespräch zwischen Ambrosius und dem legendären Nostradamus verdichtet sich die Geschichte immer mehr – und es ist wirklich beeindruckend, wie viel Information und Handlung das Duo in diesem Album zu erzählen vermag, ohne zu langweilen oder zu aufdringlich zu sein. Jemand, der sich einen Umberto Eco mit Action und hohem Gruselfaktor vorstellen kann, findet in dieser Geschichte perfekte Unterhaltung.

Faszinierend erzählt und gestaltet, grafisch eine Perle auf dem Gebiet der Comics, von Gabella und Jean an der Grenze zu einem neuen Genre geschrieben und gezeichnet. Der Auftakt von Das Einhorn straft alle jene Lügen, die den Comic immer noch für eine oberflächliche Angelegenheit halten. Wenn Gabella und Jean ihre eigene Steilvorlage aufnehmen können, sollte aus dieser Reihe ein Meilenstein des phantastischen Comics werden. 😀

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