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Comic Blog


Samstag, 23. Juni 2007

Die Sarkophage des 6. Kontinents – Alte Bekannte

Filed under: Abenteuer — Michael um 15:47

Die Abenteuer von Blake und Mortimer 13Februar 1958. Das dichte Schneetreiben verbirgt die Ankunft verschiedener hochrangiger Inder in einem herrschaftlichen Anwesen. Ebenso verborgen bleiben die beiden Agenten, die den russischen Wagen vor dem Haus halten sehen.
Die Entwicklungen, die zu diesem Treffen geführt haben, liegen weit in der Vergangenheit begraben. Vor vielen Jahren war auch Philip Angus Mortimer ein junger Mann. Eine Reise führt ihn auf einem Besuch zu seinen Eltern nach Indien. Hier lernt er während einer Auseinandersetzung seinen späteren langjährigen Freund Francis Peroy Blake kennen. Ein kleiner Inder bewahrt die beiden Engländer vor Schlimmerem. Jedermann um sie herum zollt dem Eingreifen des Mahatma Ghandi Respekt. Sofort sind die Gewalttätigkeiten beendet.

Jene vergangenen Tage sind für Mortimer spannend und auch glücklich. Indien ist nicht mehr bereit, das Joch der englischen Kolonialisten zu tragen. Der Nationalstolz wächst, nicht zuletzt durch Ghandi. Doch nicht jeder ist bereit, den gewaltlosen Weg Ghandis mit zu gehen. Mortimer hatte sich darauf gefreut, seinen alten indischen Freund Sushil wiederzusehen. Doch nun muss er feststellen, dass Freundschaften zwischen den Menschen verschiedener Kulturen nicht mehr möglich sein sollen. Sushil lässt sich durch den Überschwang der Gefühle seines Freundes erweichen und nimmt sogar ein Geschenk von ihm an.

Mortimer gerät immer tiefer in die Geschehnisse Indiens im Jahre 1933. Neben Ghandi macht auch ein Kaiser von Indien namens Asoka von sich Reden. Dieser geheimnisvolle Mann, der nie ohne Maske zu sehen ist, wiegelt zum Aufstand auf. Gemäßigter und für Mortimer viel eindrucksvoller ist seine Tochter Gita. Es entwickelt sich eine zarte Liebe, die Asoka voller Misstrauen und Unbehagen beobachtet. Eine Tragödie naht.

Jahre später in der Gegenwart des Jahres 1958. Die Vorbereitungen zur Weltausstellung in Brüssel sind in vollem Gange. Mortimer ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter verschiedenen Projekten zugetan. Seit kurzer Zeit plagen ihn geheimnisvolle und furchtbare Alpträume, die alle mit seiner Vergangenheit zu tun haben. Sie sind jedoch nur die Vorboten für wirkliches Übel, das sehr bald die Weltausstellung heimsuchen wird.

Blake und Mortimer gehören zu den Abenteuer-Duos, die sich einen festen Platz erobert haben. Das liegt an der liebevollen und sehr strukturierten Erzählung wie auch an einer sehr penibel ausgeführten grafischen Umsetzung. Dank dieser feinen Bilder werden vergangene Zeiten lebendig und trotzdem finden sich viele phantastische Elemente, wie sie so oft mit dem Zeitalter des Kalten Krieges verknüpft wurden.

Autor Yves Sente hat eine vielschichtige Geschichte geschaffen, in der alles zu finden ist, was zu einem guten Abenteuer dieses Genres gehört. Die Jugendzeit unserer Helden wird zu einem wichtigen Bestandteil der Erzählung, weshalb auch Neueinsteiger der Serie sich sehr gut einfinden können. Der Leser sieht, wie die Charaktere der jungen Männer geformt wurden, insbesondere von Mortimer dessen Herz in Indien gebrochen wurde. Die Darstellung der gesellschaftlichen Verhältnisse Indiens, als sich hinter Ghandi eine landesweite Bewegung formierte, ist eindringlich und für einen Abenteuer-Comic eher ungewöhnlich. Das Land und die realistisch geschilderten Menschen sind die Grundlage für das phantastische Element des Kaisers Asoka. Dieser historische Herrscher, der wohl eher friedvoll orientiert war, wandelt hier auf kriegerischen Spuren und umgibt sich mit riesigen weißen Pavianen, einer Art tierischer Leibgarde.

Asoka ist der Supergegner, der Feind aus der Vergangenheit, der nach Jahrzehnten wieder erscheint und Mortimer erneut bedroht, weil er sich an ihm rächen will. Anfänglich noch ein Freiheitskämpfer wird aus ihm später ein Terrorist, der sich der Technik bedient, nur um Unheil zu verbreiten – denn als die ersten Gewaltakte über die Aufbauten der Weltausstellung hereinbrechen sind noch keinerlei Forderungen gestellt worden.

Die bedrohliche Atmosphäre und der Irrsinn des Asoka, den Sente von Seite zu Seite entwickelt, bieten einen sehr schönen Spannungsbogen, der bis zum Schluss anhält. Auf die Auflösung muss der Leser leider bis zum zweiten Teil warten.

Die Zeichnungen werden von André Juillard übernommen. Seine Figuren sind technisch gesehen aus bester frankobelgischer Schule. Die Abbildungen der Welt aus den 30er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts sorgen dafür, dass ein sehr echtes und nostalgisches Flair entsteht. Der Wechsel der Schauplätze birgt ein weiteres Spannungselement. Belgien, Indien, Antarktis – verschiedener könnten die Standorte dieser Geschichte nicht sein. Dieser Gegensatz lädt zu immer neuen Entdeckungen ein, weshalb man nicht nur liest, sondern sich auch noch in aller Ruhe die Szenen anschaut. Die Abbildungen von Fahrzeugen, Gebäuden, Landschaften, aber auch von Kleidungen lassen sich regelrecht genießen. – Wer mag, sollte modische und technische Eigenheiten dieser Zeitabschnitte recherchieren und vergleichen. Die fundierte Darstellung im Comic wird bestimmt für Erstaunen sorgen.

Abenteuer pur, Zeitgeschichte, Liebe, Freundschaft, Tragödie, Supergegner, spannende Wendungen, Blake und Mortimer zeigen, wie Abenteuer erzählt werden können. Daran kommen Comic-Fans gepflegter Erzählungen nicht vorbei. 😀

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