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Comic Blog


Montag, 05. März 2007

Renaissance

Filed under: SciFi,Thriller — Michael um 20:47

RenaissanceParis im Jahre 2054. Avalons Werbung findet sich in der ganzen Stadt. Schönheit und Gesundheit werden zu jeder Tages- und Nachtzeit propagiert. Ein Entführung ruft den Polizisten Karas auf den Plan.
Ilona Tasuiev ist einfach verschwunden. Sie arbeitete als Wissenschaftlerin für Avalon. Als höchst intelligente und aufstrebende Fachkraft hat Avalon ein starkes Interesse daran, dass Ilona schnellstmöglich wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt.
Karas macht bald die Bekanntschaft von Bislane, Ilonas Schwester. Sein Interesse an Bislane wächst während der Ermittlungen. So persönlich angesprochen, verliert er bald den nötigen Abstand zu dem Fall.

Karas hat aber noch andere Probleme. Ilona ist nicht einfach nur verschwunden. Sie hat etwas herausgefunden, das einerseits weit in die Vergangenheit reicht und andererseits für Avalon von höchster Wichtigkeit ist.

Vor langer Zeit forschte Dr. Müller an Kindern, um offiziell ein Heilmittel gegen eine tückische Krankheit zu finden. Inoffiziell waren die Ziele seiner Forschung ganz andere. Ihre Zielsetzungen waren so weitreichend, dass bei Erreichen der Forschungsziele die Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert werden würden.
Karas’ Ermittlungen bleiben nicht unbeobachtet. Jemand will verhindern, dass er zu viel an der Lösung des Falles vorbei ermittelt. Menschen werden ermordet, je näher Karas in die Geheimnisse von Avalon vordringt. Der Polizist will nicht kleinbeigeben. Trotz diverser Warnungen will er sich mit einem multinationalen Konzern anlegen.

Nach einer Geschichte von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière sowie der filmischen Vorlage von Christian Volckman schufen der Zeichner Julien Renoult und der Szenarist Greg Newman einen absoluten düsteren Science Fiction Thriller, der grafisch einen außergewöhnlichen Weg beschreitet.

Dunkelheit ist in dieser Geschichte das oberste Gebot – und es spielt keine Rolle, ob es Tag oder Nacht ist. Diese Welt im Jahre 2054 ist kalt, sie ist sehr sauber und sie duldet keine Abweichler. Unter der Oberfläche nehmen sich die, die kalt lächelnd über die Regeln hinwegschauen, was sie wollen. In Paris, der Stadt, in der Historie und Moderne aufeinandertreffen, ist alles zu einer Kulisse verkommen, in der sich eigentlich niemand wohlfühlen kann.

Derart gestylt wie die Stadt ist, ist auch die grafische Umsetzung. Ganz selten kann ein Comic die Atmosphäre so dicht transportieren. – Renaissance gelingt dies auf fast schon spektakuläre Weise.
Die Grafiken funktionieren auf verschiedenen Ebenen. Die Hintergründe wurden fotorealistisch umgesetzt. Sieben Grafiker waren an diesen Arbeiten beteiligt. Sehr fein ausgearbeitete Fahrzeuge wie Automobile und Hubschrauber, detailgetreue Pflanzen erhöhen den filmischen Charakter der Handlung – ich kenne den Film nicht, aber angesichts der Umsetzung wächst die Vermutung bei mir, dass die Comic-Umsetzung sehr nah an der Vorlage angelehnt ist. Die Darstellung trifft die Kühle, die sich in so manchem französischen Film findet, der extrem mit Bildern arbeitet.

Schwarzweiß ist auch die Zeichnung der Menschen, insbesondere der Gesichter, die toll in die Hintergründe eingearbeitet sind.
Nur selten dominieren Weiß und Grau. Lediglich an zwei Stellen existiert Farbe in dieser Geschichte, nämlich dann, wenn kindliche Phantasie für einen winzigen Moment gezeigt wird. – Die Kürze dieser Darstellung zeigt auch, dass es für dergleichen in dieser Welt keinen Platz gibt.

Der Mensch agiert zwar in dieser Handlung, aber dennoch bleibt er ein Statist, denn der wahre Hauptdarsteller ist die Stadt, die sich einerseits nicht verändert zu haben scheint und dennoch ganz anders ist.
Die Pointe der Geschichte soll hier nicht verraten werden, aber es sagt viel über den menschlichen Charakter der Menschen in dieser Geschichte aus, die in dieser Stadt, ja, in dieser Welt leben wollen. Ebenso bezeichnend ist es, dass eine derartige Aussage über einen Comic überhaupt gemacht werden kann.
Comics bewegen sich häufig stark an der Oberfläche. Renaissance nimmt den Leser mit wie unter eine Wasseroberfläche.

Der Name der Firma, Avalon, ist nicht willkürlich gewählt. Der Name steht für Träume, eine abgeschiedene Welt – die in Teilen tatsächlich abgebildet wird. Natur findet sich in kleinen Refugien, die hinter Glas gehalten werden. Aber es ist auch eine abgeschiedene Welt von Menschen, die sich bewusst isolieren, weil sie es sich leisten können.
Hier wird die Zukunft zu einem kalten Inferno, dass unter der Oberfläche alles weggebrannt zu haben scheint, was noch an Menschlichkeit übrig war. Ein solches Szenario, was während des Zuschauens/Lesens ähnliche Gefühle auslöste, fand sich auch in Blade Runner. Während Blade Runner im Schmutz versank, erstickt Renaissance in Sauberkeit. Gemein ist beiden ein philosophischer Ansatz.

Hintergründig ist Renaissance eine realistisch anmutende Zukunftsvision, vordergründig ein spannender Thriller in einer technischen Welt. Daraus wurde ein fast experimenteller Comic, der wegen seiner Andersartigkeit höchst neugierig macht: Gelungen! 😀

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