Sonntag, 27. Februar 2022
Eine ganz normale Familie. OWEN JOHNSON lebt in einer ganz normalen amerikanischen Bilderbuchnachbarschaft. Einfamilienhäuser rignsherum. Man kennt sich. Man hat familiäre Bindungen über mehrere Generationen. Man hat Freunde. Man lädt zum Gartenfest, zum Barbecue. OWEN JOHNSON hat sich gut im Leben eingerichtet. Er ist ein guter Vater, liebt seine beiden Kinder. Er verkauft Möbel, seine Frau ist Polizistin. OWEN JOHNSON genießt allgemein Respekt. Die Vergangenheit ist Vergangenheit. Aber vergessen kann er sie nicht. Denn auch jene Menschen aus besagter Vergangenheit haben ihn nicht vergessen. Obwohl derart viele Jahre vergangen sind und OWEN JOHNSON längst auf einem anderen Kontinent lebt.
Die Serie FIRE POWER von COMIC-IKONE ROBERT KIRKMAN geht in die zweite Runde. War der erste Teil eine Verbeugung vor den EASTERN der 1980er Jahre und gleichzeitig ein gelungenes ACTION-FEUERWERK, verändert er hier völlig das Setting und präsentiert fast einen Neuanfang, der auch ohne den ersten Teil stehen könnte. Denn ähnliche Ausgangssituationen gibt es häufiger im amerikanischen KINTOPP. Der von der Vergangenheit eingeholte Held muss sein neues Leben verteidigen. Hier ist ähnlich. Es beginnt schleichend mit dem Auftauchen eines Freundes von einst.
ROBERT KIRKMAN nimmt den Leser sachte mit auf die Reise dieses zweiten Bandes. Ein erster Kampf endet noch versöhnlich. Die nächste Attacke erfolgt ohne Vorwarnung, im eigenen Zuhause. Damit wendet sich alles, denn von nun an kann OWEN JOHNSON die Ereignisse nicht mehr aufhalten. ROBERT KIRKMAN spielt mit dem amerikanischen Vorstadtleben, auch den typischen Geschehnissen, mit denen ein COP tagtäglich umzugehen hat. Hier wird OWENS Frau ziemlich tough und wehrhaft präsentiert. Sie mag nicht ganz über die asiatischen Kampftechniken ihres Mannes verfügen. Doch sie kämpft mit harten Bandagen, überlegt, scheinbar furchtlos. Derart starke Paare finden sich in Geschichten selten. Eine erfrischende Neuerung (oder Ausnahme, ganz wie man will, es dürfte durchaus Schule machen).
Keine Bange! Trotz der Eingangsbeschreibung hagelt es reichlich Kämpfe. Je mehr die Handlung fortschreitet, wird den fantastischen Kämpfen eines asiatischen Kinos umso mehr gehuldigt. Natürlich sind solche Auseinandersetzungen geradezu übermenschlich. Nicht zuletzt verfügt OWEN JOHNSON, wie das Titelbild verrät und Kenner des ersten Bandes wissen, über die Gabe, Feuerbälle zu erzeugen. Es wird jedoch, dank ROBERT KIRKMANS ausgezeichneter Erzählweise, nicht einfach durch die Gegend gekämpft. Wegen der eingangs geschilderten familiären Befindlichkeiten wird es höchst dramatisch, weil keiner aus der vierköpfigen Familie unbetroffen bleibt.
CHRIS SAMNEE pflegt einen Zeichenstil, der auf den Punkt kommt. Seine in mancher Hinsicht reduzierten Grafiken weisen Parallelen zu einem frühen MIKE MIGNOLA auf (z.B. wie in FAFHRD UND DER GRAUE MAUSLING), als dieser zwar einem abgespeckten Zeichenstil frönte, aber immer noch detailreicher war als heute. CHRIS SAMNEE trifft sich mit seiner Arbeit aber auch auf Augenhöhe mit Zeichnern wie GABRIEL BÁ und TONY MOORE. Seine Technik könnte als Verschmelzung aus ihrer beider Stilistiken gedeutet werden. Es gibt durchaus die mit dünnen Strichen erzeugten Figuren in kleineren Ansichten oder solchen, die mit mehr Charakteren und Hintergründen versehen sind. Darüber hinaus wird er aber in Nahaufnahmen fetter im Strich, realistischer, während in der Verkleinerung Gesichter schonmal mangahaft entgleisen.
Familie? Dann ist alles eitel Sonnenschein. VON WEGEN! Die Kolorierung von MATT WILSON markiert gerade diese besonders normalen Tage mit Sonnenlicht. Der Rest des Abenteuers ist bald von Nacht und düsterer Flucht geprägt. Farbe trägt hier stark zur Stimmung bei. Das Kampftraining der Familie fällt, bei Tageslicht im heimischen Garten ausgeführt, heiter aus. Romantische Beleuchtung trifft das Augen, wenn OWEN JOHNSON und seine Frau sich einen schönen Abend in einem Restaurant gönnen. Aber, wie es heißt, der Schein trügt. Denn im selben Licht greift der Feind an. Was vorher anheimelnd wirkte, ist schließlich bloß die Ankündigung von Gewalt und Blut. Bricht erst echte nächtliche Stimmung herein, steigt auch die Spannung der handlung rasant an.
ROBERT KIRKMAN strickt gerne bestehende Regeln um, mischt neue Elemente hinzu und bastelt etwas Andersartiges. Ein Ergebnis davon ist der zweite Band von FIRE POWER, der es sich erlaubt, dank eines ordentlichen Zeitsprungs, wesentlich andere Wege zu gehen als sein Vorgängerband. Eindrücklich und mit Kameraauge von CHRIS SAMNEE und MATT WILSON in Szene gesetzt. Wer MARTIAL ARTS gemixt mit FANTASY und THRILLER mag, liegt hier goldrichtig! Top! 🙂
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Montag, 31. Januar 2022
DAKOTA SMITH und CHELSEA TYLER werden von der Polizei gesucht. Ihre Fahndungsfotos werden im Fernsehen gezeigt. Die Polizei wird angefeindet, denn anscheinend macht sie ihren Job nicht vernünftig und fasst die beiden Frauen einfach nicht. Immerhin gehen zwei Cops einer Meldung nach und befragen eine Kellnerin in einem Diner. Routine. Aber sie werden beobachtet. Und erwartet. Als sie das Lokal verlassen, stellen sie fest, dass sie nicht die einzigen Personen sind, die DAKOTA SMITH und CHELSEA TYLER finden wollen. Ein Wort gibt das andere, dann gibt einer der Cops eine falsche Antwort. Das kurze Treffen endet in einem Blutbad …
Mehr als nur ein Comic. Eine Satire wie auch eine Verbeugung vor den 1980er Jahren. SHOOTING RAMIREZ erzählt nicht nur eine Geschichte, einen Thriller, in dem sich diverse Action-Abenteuer des TVs und des Kintopps jener Ära mischen, es nimmt gleichzeitig die Werbung aufs Korn, die Popkultur. Es spielt mit jenen Tagen, als Frauen zu Action-Heldinnen wurden, ganz im Stile von FRAUEN MIT EINER 45er MAGNUM, und der DEATH WISH zum Vorreiter einer ganzen Generation von Action-Baller-Filmen wurde. Das aufmerksame Auge findet hier den PINK CADILLAC genauso wie einen roten Sportwagen, der einem FERRARI TESTAROSSA wie aus dem Gesicht geschnitten ist (wolle man, wie es manche später taten, einem Auto eine vermenschlichte Persönlichkeit unterstellen), aber anders heißt und echte JAMES-BOND-AUTO-QUALITÄTEN entwickelt.
Kurzum, hier geht es nicht nur um eine Comic-Geschichte, hier geht es NICOLAS PETRIMAUX um die Beschreibung eines Zeitalters und dem damit einhergehenden FEELING jener Tage. Doch nicht zu vergessen: SHOOTING RAMIREZ ist ein Thriller! All das FEELING schafft nur den Unterboden für eine Geschichte, die eigentlich um einen Anti-Helden herum gestrickt ist. Hinzu kommt, dass dieser Anti-Held außerdem kein Wort sagt (weil er stumm ist) und nur über seine Mimik und seine Haltung mit dem Leser kommuniziert. Und natürlich mit allen anderen Charakteren im Comic, sofern sich diese darauf einlassen. Am Beispiel seines Vaters gibt es noch die Variante, in einem eigentlich nicht existenten Gespräch die fehlenden Antworten gleich mitzuliefern.
Staubsaugerbestandteile werden hier als Waffen zweckentfremdet in arg brutalen Auseinandersetzungen. Was wieder zu den toughen Frauen führt. Toughe Frauen sind ein heißes Thema in der medialen Welt. Toughe Detektivinnen in Romanen, toughe Monsterkillerinnen in Horrorserien, toughe Rächerinnen in Filmthrillern, was den Kreis wiederum schließt. DAKOTA SMITH und CHELSEA TYLER sind keine THELMA und LOUISE, sind eher die BRAUT im Quadrat (aus KILL BILL). Hier sind zwei Damen unterwegs, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Sie teilen aus, stecken ein, geben alles, bis zum letzten Quäntchen Power.
Und damit geht es auch sogleich zur grafischen Umsetzung. Nicht nur, dass NICOLAS PETRIMAUX klassische 1980er Film- und Fernsehszenarien mit neuzeitlichen Erzählstrukturen mixt, er wählt für die Optik seiner Seiten auch einen geradezu filmischen Ablauf. Und darüber hinaus, zelebriert er so manche Szene richtig und gibt sich nicht mit einer Seite zufrieden, sondern streckt und intensiviert charakterliche Tiefgänge. Die Figuren werden gut aufgebaut, das Menschliche wird herausgearbeitet.
Im besten Sinne spektakulär sind die Inszenierungen der Action-Szenen. NICOLAS PETRIMAUX will mit seinen gezeichneten Dialogseiten stets einer Statik durch Perspektiv- und Ansichtswechsel entgegenwirken. Filmsprachlich wären das Kamerafahrten. Aber Dialog braucht auch eine gewisse Ruhe. Hier soll die Information rüberkommen, sich festigen. In den Action-Szenen lässt NICOLAS PETRIMAUX die Pferde laufen. Stichwort: Toughe Frauen. DAKOTA SMITH und CHELSEA TYLER sind zu diesem Thema in gleich drei hammerstarken Szenen vertreten, jeweils stets auf sich allein gestellt. CHELSEA schießt hierbei den Vogel ab.
Herausragend ist die Sequenz eines Live-Konzerts. Rock’n Roll und Pyrotechnik auf der Bühne, abertausende von Zuschauern, maskierte Musiker, sozusagen die DAFT PUNK des Rocks und alles mündet, unerwartet, in eine alptraumhafte Erinnerung, die ausgerechnet unserem Helden auf dem Gewissen lastet. NICOLAS PETRIMAUX zeichnet mit leichten Strichen, leichten Outlines. Volumen wird über eine pralle, plastische Farbgebung erreicht. NICOLAS PETRIMAUX ist ein meisterhafter Seitenarrangeur. Zu seinen Skills zählt er laut ARTSTATION STORYBOARDING, und das merkt man auf jeder Seite. Darüber hinaus weiß er eine Sequenz mitreißend aufzubauen. Es gibt welche, die sind von Dialogen geprägt und entsprechend gemächlich. Andere nehmen regelrecht Tempo auf und rasen schließlich mit ihrer Action fast wortlos dahin. Beispielhaft ist das erwähnte Live-Konzert. Es gibt einen Songtext, den man beinahe überfliegt, weil die Szenerie in einem fantastischen Realismus vor dem Auge abläuft.
Ein starker Thriller, weiterhin im gelungenen 1980er-Jahre-Design. Hier werden keine Gefangenen gemacht, szenisch an ein erwachsenes Publikum gerichtet, das mit Quentin Tarantino und/oder Michael Mann aufgewachsen ist. Hier finden unterschiedliche Thrillertypen zueinander, hart, geradlinig, hochgradig spannend von Anfang bis Ende. Der erste Teil sollte bekannt sein. 🙂
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Wer einen Eindruck über die Arbeiten von NICOLAS PETRIMAUX bekommen möchte, findet einen schönen Überblick auf seiner ARTSTATION-Seite: https://www.artstation.com/nicolab (Link)
Mittwoch, 22. Dezember 2021
SHANIA RIVKAS kann es endlich, nach den bestandenen Abenteuern, ruhiger angehen lassen. Ihr neues Ziel ist rein persönlicher Natur. Sie will mit ihrem Vater in den Vereinigten Staaten zusammenleben. Leider hat die Bürokratie hier vorerst einen Riegel vorgeschoben, denn es ist ihr verboten, in die USA einzureisen. Eine Möglichkeit gibt es aber noch. Sie könnte politisches Asyl beantragen und ihrem Vater folgen, dem eine solche staatliche Hilfe bewilligt worden ist. Das Problem: SHANIA muss zu diesem Zweck beweisen, dass ABEL RIVKAS ihr Vater ist.
LADY S hat in ihren jungen Jahren so manches Abenteuer bestanden. Mehr als einmal hätte sie dabei sterben können. In ihrer Gefühlslage schleicht sich eine Art Wunsch nach Ruhestand ein, zumindest in ihrer Tätigkeit im Umfeld von Geheimdiensten und Kriminellen. Ein letzter Trick soll helfen. PHILIPPE AYMOND, Autor und Zeichner in Personalunion, zerstreut die Hoffnungen seiner Hauptfigur LADY S sehr langsam. Der Leser, der mehr weiß als LADY S, kann nur mit einer gewissen Atemlosigkeit verfolgen, wie das Leben von SHANIA RIVKAS wieder den Bach runter geht. PHILIPPE AYMOND geizt nicht mit Überraschungen und Wendungen.
LADY S gehört zu den besten Thrillerreihen, die im Medium COMIC zu finden sind. Ein Rezept, das langlebige Serien dieser Art beherzigen, ist ein dicht gewobenes Netz origineller Schauplätze. So besucht der Leser nicht nur die gewöhnlicheren Schauplätze wie Genf oder Berlin. Man reist mit nach GUANTANAMO oder auch nach PARIS zur kleinen REPLIK der FREIHEITSSTATUE. In MEXIKO und den VEREINIGTEN STAATEN wird vor Kulissen agiert, die jedem WESTERN schmeicheln würden. Weniger plakativ, eher klassisch, fallen Bildfolgen aus, die typische Agentenszenarien beschreiben.
PHILIPPE AYMOND baut über die hier versammelten Abenteuer oder auch Thriller eine schöne Entwicklung von SHANIA RIVKAS auf. DNA, DER BRUCH, KRÄFTEVERHÄLTNIS, KRIEGSVERBRECHEN sind die hier in der dritten GESAMTAUSGABE erzählten Geschichten. Darüber hinweg entsteht ein weiter Spannungsbogen, der von PHILIPPE AYMOND gerne von der zweiten bis zur vierten Episode mit einem Cliffhanger beendet wird. Hiernach muss es noch weitergehen. Entweder gibt es einen Kracher oder jemand steht als neuer Erzfeind auf und nimmt LADY S als Zielobjekt ins Visier. Die erste Episode, DNA, bildet eher einen Abschluss zu den Geschichten, die in der zweiten GESAMTAUSGABE ihren vorläufigen Höhepunkt fanden.
Keine Liebe? Ein Geheimagent ohne erotische Ausflüge kann doch nicht angehen!
Im Prinzip hat auch SHANIA RIVKAS einen Drang zu Affären oder sogar Beziehungen, aber das Leben ist gefährlich. Es bleibt wenig Zeit für Normalität und ein Leben, das quer über den Globus führt, hat für Normalität auch nicht viel übrig. Doch etwas fällt auf. SHANIA RIVKAS ist eben genau das. Eine ganz normale Frau. Vielleicht ein wenig begabter als andere. Aber sie ist nicht auf einem Selbstmordkommando unterwegs. Sie ist kein moderner weiblicher BOND (obwohl ihr Auftreten eine schöne Alternative zur männlichen Variante wäre). Ebensowenig ist sie ein DOM TORETTO. Die ACTION hier ist fast immer realistisch. Fast. In DNA taucht eine Sequenz auf, die kurz über das Ziel hinausschießt (und fast wie eine Hommage an eine verwandte Idee aus dem ALIENS-Comic-Universum erinnert).
Der Thriller KRÄFTEVERHÄLTNIS ist meiner Meinung nach die beste Geschichte der vorliegenden GESAMTAUSGABE. Hier findet sich alles, was LADY S zu einer sehr guten Serie macht. Eine verletzliche, über sich selbst hinauswachsende Hauptfigur. Ein optimales Erzähltempo, flott in der Action, überraschend, durchsetzt von gefühlvollen Ruhephasen. Und als echte Heldin muss sie (nicht zum ersten Mal) erkennen, dass Selbstlosigkeit nicht belohnt wird (zumindest nicht grundsätzlich und schon gar, wenn die Heldin eine Prägung für das weitere Geschehen erleben soll).
PHILIPPE AYMOND steht der Reihe nicht nur als Autor vor, sondern ebenso als Zeichner. LADY S ist eine Wohlfühlfigur. Bedeutet: Gut aussehend konstruiert, aber dennoch durchschnittlich. Sportlich. Anpassbar. Eine, rein optisch, Identifikationsfigur. Darüber hinaus, das ist sehr wohltuend, bricht PHILIPPE AYMOND seine Figuren nicht übers Knie, verpasst ihnen Individualität. Die Entwürfe wirken wie gecastet, besonders bei Schlüsselfiguren, auch solche, die nur in einer einzigen Geschichte ihren Auftritt als Nebenfigur haben. Hierzu gefallen mir die Figuren im vierten Thriller des vorliegenden Bandes, KRIEGSVERBRECHEN, einfach am besten.
LADY S bleibt ein THRILLER-KNALLER. Einzelgeschichten mit einem roten Faden, nämlich der kontinuierlichen Entwicklung der Hautpfigur. Eine Hauptfigur, die sich durchbeißt, von Schicksalsschlägen erschüttert, von Intrigen umgeben, aber auch mit immer neuen Verbündeten. Grafisch und erzählerisch liefert PHILIPPE AYMOND perfekte Comic-Unterhaltung ab. Stark! 🙂
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Sonntag, 07. November 2021
WLASI ist wie der PROTOTYP eines Angestellten im russischen Geheimdienst. Kühl, berechnend, maßlos neugierig. Ein Mädchen namens ZOE, im nordamerikanischen Raum sozialisiert, gerät in seine Fänge. Sie ist überhaupt nicht von ihm beeindruckt. Er hat gesehen, wie sie einen Mann in einer Kirche umgebracht hat. Er ist fasziniert. Offenbar existieren abseits seienr über die Jahre gesammelten Erfahrungen Dinge, die sich bislang seiner Kenntnis entzogen. Und WLASI scheint nicht im Geringsten zu ahnen, in welcher Lebensgefahr er sich wirklich befindet …
Man stelle sich vor, in fünf Jahren gehe nicht nur die Welt zum Teufel (oder sonstwo hin), nein, einfach alles würde verschwinden, verbrennen, zerbröseln. Chancen auf einen Neubeginn, einen neuen Urknall: Null. Bei TERRY MOORE ist eine ganz besondere Bombe für dieses riesige Fiasko verantwortlich. Und ausgerechnet seine Schöpfungen aus den Publikationen wie RACHEL RISING, STRANGERS IN PARADISE, ECHO und MOTOR GIRL wissen, dass der große Knall kommen wird. Also lässt er alle zur Rettung der Welt zusammenkommen.
Wer ein Fan von TERRY MOORES Werken ist, hat vielleicht den einen oder anderen Lieblingscharakter. Meine enstammen der siebenbändigen Serie RACHEL RISING. Allen voran geht RACHEL vorneweg, die junge Frau, die nicht mehr sterben kann. Eigentlich. Löscht hingegen besagte Bombe alles aus, komplett alles, bringt auch dieses Dasein nichts mehr. Auf dem zweiten Platz, ebenfalls aus RACHEL RISING, steht ZOE, ein mörderisches Mädchen, die das SLASHER-GENRE erfunden haben könnte (siehe auch Titelbild, erste Reihe, das Mädchen mit dem Beil). Die beiden werden in Mütterchen Russland eingesetzt, um die so genannte PHI-BOMBE zu stoppen.
An TERRY MOORES Arbeiten, der eben nicht nur zeichnet, sondern seine Geschichten auch schreibt, mag ich den zuweilen sehr schwarzen Humor. RACHEL und ZOE nehmen auch hier einen Großteil dieses düsteren Elementes mit. Andere Figuren stehen mehr für echtes Drama. Wenn eine Familie eine vorübergehende Trennung in Kauf nehmen muss und nicht sicher sein kann, ob die andere von ihrem Einsatz zurückkehren wird. JULIE und IVY, einst Feindinnen (in ECHO), arbeiten nun zusammen, trotzdem ist Vorsicht geboten, denn JULIES Kräfte können bei Menschen, die ihr zu nah kommen, Krebs auslösen. TERRY MOORES Figuren haben, so könnte man es umschreiben, haben ein gewisses Handicap, eine Eigenschaft, die sie daran hindert, ein für das gesellschaftliche Umfeld normales Leben zu führen.
Die Aufgabe der Frauen ist schon groß, wird jedoch noch durch die unterschiedlichen Eigenschaften erschwert. Aber es hält auch die Spannung durchweg hoch. Leser, die TERRY MOORE und seine Werke bislang nicht kannten, werden es ebenfalls schwer haben. Das hauseigene Crossover, das TERRY MOORE seinen Figuren beschert, erfordert Vorkenntnisse. Ich hatte Vorfreude auf das Erscheinen mancher Charaktere. Wenn MOTOR GIRL und ihr Kumpel auftauchen, macht das Spaß für Stammleser, Unkundige werden vielleicht etwas ratlos zurückbleiben.
Die Handlung schwankt zwischen Thriller und Mystery. Teilweise ist es eine Agentengeschichte. Andererseits kommen übernatürliche Elemente ins Spiel. TERRY MOORE durchbricht spielerisch sattsam bekannte Muster mit seinen Figuren. So wird Unvorhersehbarkeit zum Programm. Man kann sich als Leser nicht darauf verlassen, dass das Team die eigens gestellte Aufgabe, die Abwendung des Weltuntergangs schaffen wird. Gleich zu Beginn erfährt der Leser, wie die Apokalypse aussehen könnte. Hier werden also bereits Vorstellungen geschürt. Kurz: Der Weltuntergang ist grauenvoll und sehr schmerzhaft. (Man erinnere sich an SARAH CONNORS VISIONEN des JÜNGSTEN GERICHTS. TERRY MOORES VERSION ist fast eine Hommage an diese legendäre Filmszene.)
Ich mag die Kleinigkeiten in TERRY MOORES Szenen. Es sind nicht unbedingt Ereignisse, die die Handlung voranbringen. Es sind eher solche Szenen, Details, die den Geschehnissen einen kleinen Schubs geben. Wenn nach einem Mord ein TODESENGEL erscheint, um sich die SEELE DES TOTEN einzuverleiben, bleibt das im Gedächtnis. Wenn eine muskulöse Blondine höfliches Verhalten gegenüber Männern übt, sind das heitere Elemente, die einen zum Schmunzeln bringen.
Eine geballte Ladung gewöhnlicher und ungewöhnlicher Charaktere mit einer gemeinsamen Mission. Das zündet besonders aus FAN-Sicht. Bei genauer Betrachtung meint man sogar zu erkennen, wo TERRY MOORES Vorlieben bei den eigenen Figuren liegen (ZOE ist zweifellos eine davon). Fast rückt die gestellte Aufgabe etwas in den Hintergrund, steht doch tatsächlich mehr das WIE als das OB im Vordergrund. Gewohnt schön und sicher von TERRY MOORE illustriert, treffen hier THRILLER und MYSTERY fein abgestimmt aufeinander. Klasse! 🙂
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Freitag, 15. Oktober 2021
30. Oktober 1938. Ein korpulenter Junge, eine Gasmaske auf dem Gesicht, mit einer Pistole in der Hand und einer Schussverletzung in der Brust wird nachts auf der Straße von einem Auto angefahren. Sichtlich verwirrt stammelt der Junge etwas von Marsmenschen. Niemand weiß zunächst mit diesen Worten etwas anzufangen. Wenig später liegt der Junge im Krankenhaus. Sein komatöser Zustand macht jede Vernehmung unmöglich. Auch eine Operation scheint in weiter Ferne, denn die Kugel in seiner Brust steckt zu nahe am Herzen …
Das wohl bekannteste Hörspiel der Welt bildet die Grundlage der Comic-Adation von DOUGLAS BURROUGHS‘ Roman FAKE STORY. Der Roman hingegen ist ebenfalls ein FAKE. Gut inszeniert von LAURENT GALADON und JEAN-DENIS PENDANX. Nicht alle mögen das Hörspiel KRIEG DER WELTEN von ORSON WELLES gehört haben. Das Stück Radiogeschichte ist an den gleichnamigen Roman von H.G. WELLS angelehnt. Das ist kein FAKE.
Noch nie vom KRIEG DER WELTEN gehört? In Kurzform: Marsianer greifen die Erde an. Sie wollen die Erde erobern. Die Menschen sind dabei im Weg und werden gnadenlos vernichtet. Am Ende sind es nicht die Menschen, die den Krieg gewinnen, sondern Mikroben, Bakterien, Viren machen dem extraterrestrischen Gegner den Garaus. So jedenfalls im Original von H.G. WELLS. ORSON WELLES machte daraus eine Hörspielversion in Form einer Radioreportage im Jahre 1938. Die Welt lag damals in den Wehen eines heraufziehenden Zweiten Weltkriegs, die Nerven lagen blank und plötzlich berichtete das RADIO live von einer außerirdischen INVASION. Das war blanker Horror, denn so mancher begriff die Übertragung NICHT als Hörspiel.
FAKE STORY nimmt sich eines Ereignisses an, das sich im Laufe und der Folge der Hörspielsendung zugetragen haben soll. Nun, eigentlich beginnt die Handlung sogar noch vor der Sendung, aber das wird erst während der Ermittlung zum Geschehen deutlich. Der Journalist und Autor DOUGLAS BURROUGHS soll im Auftrag des Senders CBS herausfinden, ob sich tatsächlich wegen des Hörspiels eine Familientragödie abgespielt hat, in deren Verlauf der Vater und die Mutter des Jugendlichen TED OATES zu Tode kamen. Der Junge selbst liegt schwer verletzt im Krankenhaus.
DOUGLAS BURROUGHS trifft aus der Großstadt NEW YORK im kleinstädtischen GROVERS MILL ein, wo, dem Hörspiel zufolge, die INVASION der MARSIANER stattgefunden haben soll. Zuerst entdeckt der JOURNALIST nur das übliche Gemisch aus Wissen, Nichtwissen, Hörensagen und Gerüchten. Die Wahrheit liegt natürlich viel tiefer vergraben und hat rein gar nichts mit Außerirdischen zu tun. Doch das wird dem Leser allzu schnell klar. Und wenn die Wahrheit ans Licht drängt, ist die Geschichte noch lange nicht vorbei.
LAURENT GALADON, Szenarist, und Illustrator JEAN-DENIS PENDANX nehmen den Leser mit ins Jahr 1938. In NEW YORK lebt man massenorientiert der Zukunft entgegen. In GROVERS MILL, dem späteren Handlungsort, hält die Zeit noch den Atem an. Man begnügt sich mit zwei Polizisten. Nachbarn haben ein Auge auf ihre Umgegend. Im Lokaljournalismus ist das Handwerk etwas schludderig ausgeprägt. Die Sensation liegt im Blick, nicht unbedingt die nervenaufreibendere Wahrheit. Doch DOUGLAS BURROUGHS vergräbt sich in diese Welt, die mit dem CHARME ALTER FOTOGRAFIEN jener Ära daherkommt.
JEAN-DENIS PENDANX‘ Grafiken vermitteln einen handgemachten, uncomputerisierten Eindruck. Gouache, vielleicht Aquarellfarben mögen hier Verwendung gefunden haben. Mit leichtem Strich lässt JEAN-DENIS PENDANX Charakterköpfe und -gestalten entstehen. DOUGLAS BURROUGHS, der ermittelnde Großstädter, hager und abgeklärt, agiert mit detektivischer Sicherheit und optisch nüchternem Auftreten. Er ist der Mann, der Eventualitäten abwägt, sorgsam Beweise sammelt, die richtigen Schlüsse zieht. Ganz anders sein Pendant, die junge REPORTERIN der HEATHCOTE NEWS, ARETHA MILLER. Wenn sie auf ihrem Motorrad zum Tatort düst, mit Beteiligten wie der jungen ORNELLA YATES spricht, hält die starke zur Schau getragene Neugier so manchen auf Abstand und zwingt teilweise sogar zum Widerstand. All das transportieren die Bilder von JEAN-DENIS PENDANX, ohne dass es einer weiteren Erklärung bedarf.
Ein warmer, märchenhafter Vintage-Retro-Look verbirgt das Bitterböse im Kern und das vordergründig Offensichtliche der Handlung. FAKE STORY ist in diesen Zeiten sicherlich kein zufällig ausgewählter Titel. Zu jeglicher Zeit existierte die Bereitschaft das Unglaubhafte zu glauben, wenn Unwissenheit das Fundament bildet. Und sogar ein innerer Zwang jeder Korrektur des Unwissens entgegensteht. Das hier so eingefangene Bitterböse andererseits besitzt ähnlich aktuelle Bezüge und genügend historische Beispiele, leider.
Vordergründig leichtfüßig, hintergründig abgründig. Die schönen, stimmungsvollen Illustrationen von JEAN-DENIS PENDANX tragen eine düster-tragische Handlung, die Krimi und Drama zugleich ist. Das Szenario von LAURENT GALADON schärft durch die Verwendung einer vergangenen Zeit für die Geschichte den Blick auf aktuelles Geschehen. So ganz nebenbei. 🙂
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Sonntag, 10. Oktober 2021
CONAN versucht noch mit seinen Rausch der letzten Nacht fertig zu werden, als ihm ein Angebot gemacht wird. Leider beinhaltet der Auftrag MAGIE. CONAN hält sich allzu gern von solchen Umständen fern. SCHWERTER und MAGIE vertragen sich nicht. Außerdem sehen jene, die ihm das Angebot unterbreiten, wie blutige Anfänger auf dem Gebiet der MAGIE aus. Davon lässt man sowieso besser die Finger. Und CONAN soll Recht behalten …
CONAN ist ein Phänomen innerhalb einer Reihe von Helden, denen eine jahrzehntelange Existenz innerhalb der Pulp-Unterhaltung zuteil wurden. Erschaffen einst von ROBERT E. HOWARD, der wie so manche Autoren den dauerhaften Erfolg der Figur nicht mehr miterleben konnte. Dabei ist CONAN sehr einfach gestrickt. Die Geschichten hier kokettieren teils mit diesem Charakterschema.
Bekannte Autoren wie ROY THOMAS, KURT BUSIEK, KEVIN EASTMAN, CHRIS CLAREMONT, STEVEN S. DEKNIGHT und ESAD RIBIC steuern die Abenteuer des Barbaren bei. ESAD RIBIC macht den Einstieg außerdem als Allrounder, indem er die Story nicht nur schreibt, sondern auch darüber hinaus komplett künstlerisch gestaltet. Das erste Ergebnis, die erste Kurzgeschichte ist denn auch ein richtiger Kracher (im grafischen Stil eines VINCENTE SEGRELLES). Gänzlich ohne (verständliche) Worte verfolgt der Leser den Reifungsprozess des Cimmeriers vom Jungen zum Mann und schließlich zum Krieger. In einer Welt der Gefahren, einer lebensfeindlichen Umgebung, samt Raubtieren, tierischen und menschlichen, wächst CONAN heran. Ständig werden seine Kräfte und sein Mut gefordert. Jedes Mal triumphiert er, nicht ohne Verletzungen, bis es schließlich so aussieht, als würde jedes Aufraffen noch doch im Keim erstickt.
In der Geschichte von ESAD RIBIC zeigt sich ein weiterer Kernbestandteil der Figur CONAN. Der BARBAR gibt niemals auf. Dieser Wesenszug zieht sich von der ersten Geschichte, AUFBRUCH, bis zum letzten Abenteuer, SCHIFF DER VERDAMMTEN. STEVEN S. DEKNIGHT bringt dem Leser mit dieser Handlung eine ganz besondere Figur an CONANS Seite zurück: BELIT. Diese Piratenkönigin nimmt einen großen Stellenwert innerhalb der Welt CONANS ein, gehört zu doch zu den Frauen, die den BARBAREN lange Zeit an sich fesseln konnten. Gerade in den Comics wurden die Abenteuer der beiden gern (und sehr gut) behandelt. Wie es nun Sache des vorliegenden Bandes ist, bietet das SCHIFF DER VERDAMMTEN eine Essenz der Beziehung dieser beiden unzähmbaren Charaktere und mischt eine ordentliche Portion MAGIE und HORROR hinzu.
Als CONAN noch Hörner hatte! Bilder solcher Art, auf denen CONAN einen behörnten Helm trägt, verdanken wir ausdrücklich einem Zeichner wie BARRY WINDSOR-SMITH. Mit der Geschichte NACHSPIEL – UND EIN NEUANFFANG greift Illustrator STEVE MCNIVEN das Design des BARBAREN seines Vorgängers auf. CONAN ist hier zwar muskulös, aber er platzt noch nicht vor lauter Bizeps, sondern ist deutlich jünger, drahtiger, insgesamt athletischer. So wirkt er auf dem gezeigten Schlachtfeld agiler, lebensnäher. Das ist ein Bildreigen, teils sehr großformatig, der szenisch den neuen Anforderungen von Leseraugen Rechnung trägt, die von SCHILD-UND-SCHWERT-SERIEN der letzten Jahre geprägt worden sind. Die Action nimmt den Betrachter mitten hinein, teils über die Schulter des BARBAREN hinweg. Manchmal darf er auch einfach nur Mäuschen spielen. Ein toller Look, den man sich einmal über die gesamte Länge eines Albums wünscht.
An anderer Stelle, im Abenteuer, TOD DURCH DAS SCHWERT, trifft der Leser auf einen CONAN, der ebenfalls über ein Schlachtfeld stapft. Aber dieser hier entspricht eher der grafischen Vorlage eines JOHN BUSCEMA (für mich immer noch einer der besten MARVEL-Comic-Künstler). Dieser CONAN kam der späteren Filmumsetzung mit ARNOLD SCHWARZENEGGER am nächsten, wirkte sogar noch grobschlächtiger, brutaler. ROBERTO DE LA TORRE eifert dem klassischen Zeichner aus einer tollen MARVEL-ÄRA in einer sehr finsteren Geschichte nach. Hier hat CHRIS CLAREMONT das Elend einer Schlacht und ihre Nachwirkungen eingefangen. Ein Gespräch schärft den CHARAKTER des CIMMERIERS auf simple und eindrückliche Weise.
Ein toller Querschnitt aus dem Leben des CIMMERIERS CONAN (mit nur einem Durchhänger, aber das ist angesichts der Qualität der übrigen Abenteuer zu verschmerzen). Sicherlich für Fans, aber in jedem Fall sehr gut geeignet, um einfach mal in die Welt des hyborischen Zeitalters hineinzuschnuppern! 🙂
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Mittwoch, 22. September 2021
Es ist Winter, ein Baby schreit. WOLVERINE fährt mit seinem Motorrad über eine Landstraße. Niemand sonst ist zu sehen. Über den Motor hinweg hört WOLVERINE das Kleinkind. Flugs ist das Motorrad abgestellt, und der MUTANT rennt in das verschneite Waldgebiet. Keineswegs zu früh, denn die Eltern des Kindes sind bereits tot …
Manchmal genügt eine schwarzweiße Umsetzung eines Comics vollkommen. Vor geraumer Zeit unterzog sich BATMAN bereits diesem Experiment, mit Erfolg. Zahlreiche Comics, die eine große Leserschar um sich versammeln konnten, warteten mit rein schwarzweißen Zeichnungen auf. In Italien hat diese Form Tradition. Kurzum, in der Mehrzahl der Fälle, fallen die Ergebnisse sehenswert aus. Nun also hat WOLVERINE seinen schwarzweißen Auftritt. Aber er ist eben auch WOLVERINE und nicht irgendein Superheld. WOLVERINE findet sich mit seinen sechs Adamantiumkrallen häufig in Gemetzeln wieder. Unzählbar sind die Verletzungen, die der MUTANT schon dank seiner SELBSTHEILUNGSFÄHIGKEIT überstehen konnte. Und eines tritt immer aufs Neue zutage: BLUT! Dieser besonderen Komponente nimmt sich diese SONDERAUSGABE in ALBENGRÖSSE an.
WOLVERINE: SCHWARZ, WEISS & BLUT. Verschiedene Autoren und Zeichner präsentieren hier ihre Ansichten eines Comic-Charakters, dessen Komplexität nicht unerreicht, aber verdammt groß ist. Vom bestialischen Killer bis zur treu sorgenden Vaterfigur ist alles dabei. Besonders angesichts seiner, auch in diesem Band gezeigten, Brutalität ist es fast schon kurios, dass WOLVERINE nicht einen ähnlichen Weg beschritten hat wie ein SABRETOOTH. Gerade dieser MUTANT kreuzte häufiger WOLVERINES Pfade, besitzt ähnliche Fähigkeiten, verdingt sich jedoch lieber als Auftragskiller. In der Kurzgeschichte UNERLEDIGTE GESCHÄFTE stehen sich die beiden gegenüber. Kompromisslos hart von VITA AYALA erzählt, noch härter gezeichnet von GREG LAND.
BLUTROT ist die zugesetzte Farbe. In den seltensten Fällen wird sie für ein Getränk oder eine Haarfarbe verwendet (wie bei MYSTIQUE). Bereits das Titelbild geizt nicht mit BLUTROT und setzt es sogar als spiegelnde Oberfläche für einen vor Blut triefenden WOLVERINE ein. HYDRA, BANDENMITGLIEDER, der SILVER SAMURAI, ein WEISSER HAI, ein TYRANNOSAURUS REX und einige mehr bereichern die Gegnerschaft des wölfischen MUTANTEN. Die Geschichten sind knackig, auf den Punkt erzählt. Zeit für Lückenfüller bleibt hier nicht. Allen ist gemeinsam, einen strikten Vorwärtskurs zu halten. Überraschungen gibt es dennoch. Sogar in der Thematik der Geschichten selbst. Nimmt man den Thriller ROT SEHEN, könnte man glauben, es mit einer Hommage an ein Horror-Franchise wie SAW zu tun zu haben.
Auffallend ist, dass besonders Zeichner die Gelegenheit nutzen, um sich auszutoben. Das Albenformat macht es noch interessanter. Ganzseitige Illustrationen, oder mindestens halbseitig bringen optisch eine viel größere Dynamik. Selbst eine Aufteilung in vier Panels lässt im Gegensatz zum normalen Heft-Comic-Format viel Luft, expressiven Raum, der das Auge des Lesers regelrecht anzuspringen vermag. PAULO SIQUEIRA, der bereits erwähnte GREG LAND, ADAM KUBERT, SALVADOR LARROCA und JORGE FORNÉS bringen für mich die herausragendsten Interpretationen des SUPERHELDEN bei.
JORGE FORNÉS ist darüber hinaus erwähnenswert, weil er einer der Zeichner ist, die am besten mit einer rein schwarzweißen Umsetzung des Themas (plus natürlich BLUTROT) umgehen. Ein Zeichner wie GREG LAND arbeitet eigentlich wie immer. Es fehlt lediglich die Farbe. JORGE FORNÉS hingegen lässt sich auf das Spiel mit Licht und Schatten ein. Hart definierte Konturen dominieren. Zeitweilig fühlt man sich an chinesisches SCHATTENTHEATER erinnert. Zugleich besitzt es fast eine Optik wie die filmische Umsetzung von SIN CITY (nicht der Comic, der weißt wieder ganz eigene Qualitäten auf). WOLVERINE und MARIKO agieren hier wortlos wie auf einer Bühne. Text gibt es nur abseits vom Erzähler (WOLVERINE). Aber Dialoge kommen nicht vor.
Das knallt! Sehr komprimierte Erzählungen, Abenteuer, Thriller. Alles konzentriert sich auf WOLVERINE. Ein paar bekannte Schurken und Partner kommen vor, sind aber nur Zuspieler, nehmen der Figur WOLVERINE nichts weg. Das dürfte selbst Fans von langen, über mehrere Hefte reichende Geschichten bannen. Die Optik und grafische Finesse ist fast über die gesamte Länge des Bandes toll bis grandios. SCHWARZWEISS wird zuweilen als Experiment im Comic benutzt. Hier ist es zu einer einhundert Prozent geglückt! 🙂
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Dienstag, 07. September 2021
Gerade haben sich HEATH HUSTON und sein russischer Kumpel noch mit außerirdischen Kreaturen herumgeschlagen. Der Kampf gegen diese wie riesige Insekten aussehenden Monstren endete mit einem gewaltigen BLACKOUT. Das Erwachen war kein böses, eher ein seltsames. Plötzlich war da DER WILDE WESTEN. Menschen halfen ihm. Ein junge Frau päppelt ihn auf, verarztet ihn. Badet ihn. Und versucht ihn dann zu ersäufen …
Helden ist der Undank ein Lohn. Davon wusste schon TOWN MARSHAL WILL KANE (GARY GOOPER in 12 UHR MITTAGS) ein Lied zu singen. Und HEATH HUSTON, der FEAR AGENT, weiß es ebenfalls. Doch manchmal entscheidet sich das Schicksal anders und reagiert freundlicher als angenommen oder befürchtet. HEATH HUSTON landet im WILDEN WESTEN. Nicht ganz der WILDE WESTEN, der ihm von der ERDE her bekannt ist. Außerirdische COWBOYS gab es dort weniger (oder gar nicht). Aber HEATH HUSTON ist bereit, über dieses Detail hinweg zu sehen. Alles dort fühlt sich nach einer zweiten Chance an. Einer Chance an der Seite seiner geliebten Frau.
Blick zurück nach vorn. Wer ist HEATH HUSTON? Wann? Und wie viele? Es ist faszinierend, wie RICK REMENDER, Autor und mitunter auch Layouter von FEAR AGENT, mit den Gefühlen und Wünschen seiner Hauptfigur spielt, welche Realitäten und Zeitebenen er ihr zur Verfügung stellt, um sich fein und immer wieder ungewöhnlich zu entfalten. RICK REMENDER zeigt dem Leser hier, wie ein HEATH HUSTON sein könnte, wenn das Schicksal ihm eine neue Chance gibt. Und er zeigt, was ein HEATH HUSTON anstellt, der sich einen Deut um eine zweite Chance schert. Das wäre schon Stoff genug für ein Abenteuer. Was aber geschieht, zwei solche HEATH HUSTONS aufeinandertreffen?
Wie in den vorangegangenen Bänden besteht auch der dritte aus zwei Storylines, nämlich ICH GEGEN MICH und AUS DEM SCHRITT. Diese SPACE PULP SOAP ist deswegen so bemerkenswert, weil sie von Anfang an nicht auf ein Setting gesetzt hat, sondern direkt klar machte, dass in FEAR AGENT eine Geschichte nicht den üblichen Regeln folgt, sondern diese beugt und bricht, wo und wie es spannungs- und überraschungsfördernd ist. RICK REMENDER kann inzwischen auf ein reichhaltiges Comic-Portfolio zurückschauen. Vieles von ihm erschien bei MARVEL, IMAGE COMICS und DARK HORSE, aber auch anderweitig können Action-Fans auf ihn gestoßen sein, so zum Beispiel mit der Comic-Serie (und inzwischen auch Fernsehserie) DEADLY CLASS.
HEATH HUSTON ist einer dieser Charaktere, die irgendwann Amok laufen. Könnte man meinen. Die Voraussetzungen sind (reichlich) vorhanden. Die eigene Welt verloren. Ein komplettes anderes Volk ausgelöscht und das nicht richtig verarbeitet. Den Rest des Universums gegen sich. Die eigene Frau auch. Die Tochter ebenso. Und irgendwie trachtet ihm gefühlt sowieso jeder nach dem Leben. Warum also nicht den anderen zuvorkommen? Aber vorher noch zur Flasche greifen, ein wenig Selbstmitleid einstreuen und der eigenen Verzweiflung nachhängen. RICK REMENDER hat, objektiv betrachtet, vor dem Hintergrund des dritten Bandes, nicht gerade eine Sympathiefigur geschaffen. Trotzdem bleibt man als Leser bei HEATH HUSTON, denn der FEAR AGENT ist vor allem eines nicht. Er ist KEIN AUFGEBER.
RICK REMENDER ist ein Erzähler mit Blick für viele, viele Einzelheiten. Verweise in die Vergangenheit werden verarbeitet. Wechsel von Zeitebenen und Orten sind bei ihm Programm. Seine Serien sind nichts für Späteinsteiger. Man muss als Leser von Anfang an dabei sein. Die Rahmenhandlung im zweiten Teil des Bandes, AUS DEM SCHRITT, unterstreicht diese These. HEATH HUSTON ist alt geworden. Zeitreisen können einen menschlichen Körper über Gebühr beanspruchen (siehe auch Titelbild). Und sich dem Suff zu ergeben, macht es nicht besser. Aber als Leser leidet man mit HEATH HUSTON, einem Mann, der buchstäblich alles verloren hat. RICK REMENDER zeigt noch mehr. Denn der Glaube an einen solchen Zustand kann trügerisch sein. Tatsächlich kann man(n) noch mehr verlieren.
Ein Großteil der Zeichnungen entfällt auf TONY MOORE, sein Kollege MIKE HAWTHORNE übernimmt den Rest und gleichzeitig den leicht derben, anarchischen Zeichenstil, der gleichzeitig den Realismus mitnimmt und andererseits sich keine Grenzen auferlegen will. So ergeben sich organische, pulsierende Seiten, immer neu strukturiert. Als Leser gewinnt man den Eindruck, als nutze TONY MOORE (und MIKE HAWTHORNE) jedes dramatischen Thema, um eine neue Note in den Bildern anzuschlagen, FEAR AGENT optisch neu zu erfinden.
Starke SPACE OPERA mit vielen düsteren Untertönen, wie ein Tarantino mit Brecht gewürzt und einer Spur Wayne, einer Prise Pilcher (für die Liebe und die Familienszenen). Ein Page-Turner zweifellos allein schon wegen seiner packenden Geschichte. Optisch eine tolle Arbeit, weil es Spaß macht zu sehen, wie TONY MOORE eine Comicfigur prägt (und auch genüßlich durch die Mangel dreht). Würde mich nicht wundern, wenn eine Verfilmung von FEAR AGENT eines Tages bei einem Streamingdienst auftaucht. 🙂
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Freundschaft im Krieg. Liebe im Krieg. Starke Gefühle in einer Welt am Abgrund. An jedem Tag kann jeder neue Einsatz den Tod mit sich bringen. JOHNNY BUTCHER, FRED OGLALA und GLENN BAXTER gehören zur Besatzung einer B-24, eines Bombers der Vereinigten Staaten im Zweiten Weltkrieg. Es sind junge Männer mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen, mit verschiedenen gesellschaftlichen Hintergründen. Einer ist der Farmesjunge, ein anderer indianischer Abstammung und mit dem großen Wunsch einmal für eine Zeichentrickfilmfirma zu arbeiten. Der dritte ist Pilot und Geologiestudent. Kurz vor der Abkommandierung nach Italien treffen sie auf die Armeekrankenschwestern ALICE MORALES, CANDY GLOVER und die von vielen Männern umworbene LANA.
Die Männer werden sich einig, ihr Flugzeug mit einem PIN-UP zu verzieren, eine gängige Praxis jener Tage. Teils ein Wunschtraum, die an Bord ihren Dienst versehen, teils aber auch ein Maskottchen, als Glücksbringer. Das Äußere der Krankenschwestern verschmilzt grafisch zur Traumfrau ALI-LA-CAN und ziert fortan den Bug der B-24. Und das Bild scheint zu hilfen. Eine geradezu magisch anmutende Glücksserie entfaltet sich für die Besatzung des Flugzeug. Langsam entstehen Gerüchte. Anfeindungen. Andere Besatzungen weigern sich, im selben Verband wie die ALI-LA-CAN zu fliegen. Denn die kehrt immer zurück. Andere nicht …
Bomben können regnen. Technik mag den Verstand der Menschen beflügeln. Aber ein Funken Aberglaube verbleibt immer. JOHNNY, FRED und GLENN haben zwar Glück. Ihnen begegnet die Liebe mitten im Krieg, doch leider ist ihre Glückssträhne nicht von jedem Kameraden akzeptiert. Während die ALI-LA-CAN durch Flagfeuer und die Geschosse von gegnerischen Jagdflugzeugen steuert, explodieren die Maschinen neben ihnen, verlieren ihre Tragflächen und stürzen ab. JACK MANINI, seines Zeichens AUTOR und Verwantwortlicher für die FARBGEBUNG des vorliegenden ersten Bandes des Zweiteilers DAS PIN-UP DER B-24, führt den Leser mit seiner Erzählung tief in die Dramatik des Fliegeralltags in den luftigen Fronten in den Mittelmeerraum unweit der italienischen Küste.
Als Leser weiß man bereits von Beginn an, was mit der ALI-LA-CAN geschehen wird (das soll auch gar kein Geheimnis sein). Wie es geschieht, erfährt der Leser später. Tatsächlich ist es nachher nur ein Detail, denn die Vorgeschichte, zu einem Teil Kriegsabenteuer, zu einem anderen Teil Buddy-Geschichte, zu einem weiteren Teil romantisches Drama, nimmt einen so weit gefangen und ist so gut gut und flüssig erzählt, dass es sehr schade ist, wenn der Rückblick endet und der Sprung zurück in die Gegenwart des Jahres 1959 erfolgt, dem Jahr, in dem sich GLENN BAXTER fragt, was aus seinen Kameraden geworden ist.
Ich muss sagen, dass einen diese Frage wirklich beschäftigt, als habe man soeben einen sehr intensiven Roman oder einen ziemlich dramatischen Film (oder eine Serie) gesehen. JACK MANINI ist hier eine schöne Geschichte gelungen, von der sich nicht sagen lässt, wohin sie im zweiten Band führen wird.
Maßgeblich am tollen Ergebnis von DAS PIN-UP DER B-24 beteiligt ist Zeichner MICHEL CHEVEREAU, der den Figuren ein höchst individuelles Aussehen verschafft und so die Buddys und ihre Freundinnen regelrecht zum Leben erweckt. Bereits die sehr kurzen Einführungen der drei Figuren, gerade einmal eineinhalb Seiten lang, finde ich so gelungen, dass ich mir gewünscht hätte, JACK MANINI und MICHEL CHEVEREAU hätten der Zeitspanne vor dem Kriegseinsatz noch mehr Raum gegönnt (oder gönnen können).
Eine abwechslungsreiche Atmosphäre bestimmt den kompletten Band. Ob es nun die Kriegseinsätze sind, das soldatische Miteinander, die friedlichen Pausen, die Paare, die einfach nur das Leben genießen wollen und doch immer wieder auch von ihren Vergangenheiten und Erinnerungen vereinnahmt werden. Es entsteht sogar der Eindruck von zeitbezogenen Gesichtern. Wer zum Beispiel Filme der 1940er Jahre mit denen des 21. Jahrhunderts vergleicht, wird sofort einen Unterschied finden, der sich aber nicht recht benennen lässt.
Aber MICHEL CHEVEREAU hat diese Unterschiede bemerkt und verarbeitet. So finden sich in der Figur des GLENN BAXTER Anleihen eines ELVIS PRESLEY oder eines ROCK HUDSON. In JOHNNY BUTCHER lassen sich Ähnlichkeiten zu einem jungen JAMES CAGNEY herstellen. Insgesamt sind es nie Stereotypen, sondern stets Charaktergesichter. Es braucht zu dieser Feststellung nicht einmal erhöhte Aufmerksamkeit, betrachtet man die Besatzungsmitglieder der B-24.
Eine Geschichte über Menschen im Krieg, in der Krieg aber nicht das zentrale Thema ist. Drei Freunde finden drei Frauen. Es finden sich drei Liebespaare. Amerikaner planen in Italien unter ständiger Lebensgefahr eine Zukunft. JACK MANINI erzählt vorbildlich, sehr gut, schafft Charaktere, die den Leser schlicht mitziehen. MICHEL CHEVEREAU gibt den Figuren Gesichter, die echt, aus dem Leben gegriffen wirken. Durchweg klasse. Wer im Comic fein erzähltes Drama mag, sollte sich von der Kriegsthematik nicht täuschen lassen. Die ist nur sekundär. 🙂
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Dienstag, 17. August 2021
Es regnet in Strömen in NEW YORK. Ein ganz normaler Tag mit einer ganz normalen Verfolgungsjagd auf den Straßen. Das Knallen einer Schießerei hallt die Wolkenkratzer herauf. Oben an einem Fenster hört ein junger Mann die für andere menschen verstörenden Geräusche. Nicht in meiner Stadt! Nicht meine Bank! Nicht in meiner Straße! Flugs ist eine schwarze Maske über das Gesicht gezogen. An einem Spinnenfaden schwingt sich SPIDER-MAN NOIR hinab, zieht seine beiden Pistolen und stoppt die flüchtigen Bankräuber, rabiat und endgültig. Ein ganz normaler Tag in NEW YORK für PETER PARKER – im Jahre 1939!
Dank des SPIDER-VERSE ist der MARVEL-FAN inzwischen mit sehr vielen Varianten unserer Spinne von nebenan vertraut. Ein paar blieben Randfiguren in der zweiten Reihe, hinter den allseits beliebten PETER PARKER und MILES MORALES. Andere Kreationen stellten sich als zu interessant heraus, um sie wieder ins Abseits der Vergessenheit zu schieben. Eine dieser Kreationen ist SPIDER-MAN NOIR. Diese Variante führt den Leser geradewegs ins Zeitalter des ZWEITEN WELTKRIEGS, einer Epoche, der sich manche Autoren gerne bedienen. (INDIANA JONES zum Beispiel lässt hier vielmals grüßen.)
KURIOS, mit einem Wort. SPANNEND, mit einem zweiten Wort beschrieben. Einen SPIDER-MAN in schwarz kannten wir bereits dank der Symbiose mit VENOM. Einen solchen SPIDER-MAN, als Privatdetektiv, mit Hut und Mantel, sahen wir so noch nicht (außer in besagtem SPIDER-VERSE). Wir befinden uns im Jahre 1939 und der kleine Hinweis auf einen ziemlich bekannten Filmarchäologen ist im Zusammenhang mit der Handlung hier, BERLIN BIS BABYLON untertitelt, nicht verkehrt. Ganz im Gegenteil, wenn, denn man fühlt sich hier und da sehr an INDIANA JONES erinnert. Eine Flugzeugszene ist ohne Zweifel eine Hommage an den Mann mit HUT und PEITSCHE.
Der fantastische Einschlag der Geschichte, der im Verlauf der Handlung immer mehr Raum einnimmt, der letztliche Showdown kann auch nicht die hollywoodsche Inspiration verleugnen. Das passt aber noch ins Bild der SPIDER-MAN-Mythos, wie ihn der Leser aus ursprünglicheren Storylines her kennt. Beispielhaft erwähnt sei hier die von MICHAEL J. STRACZYNSKI entwickelte Handlung um MORLUN und EZEKIEL. Auch dort ist das FEELING weitaus magischer als in sonstigen Handlungssträngen. Doch zuvor gibt es Begegnungen. Nicht nur ein SPIDER-MAN existiert in dieser anderen Welt. Den einen oder anderen Freund und Feind findet der Leser hier ebenfalls.
Ein überaus interessante Variante von Gegnern des schwarzen Spinnenmenschen ist ELECTRO. Der hat so gar nichts mit dem ersten Auftritt von ELECTRO im Comic gemeinsam. Aber, seltsam genug, auch nichts mit der Version, die den Zuschauer von der Kinoleinwand her ansprang. Das hier ist ein Rammbock, muskulöser Knaller mit Schiebermütze, von der Konzeption her nicht uninteressant und sicherlich ins Geschehen passend, aber selbst vor einem verschobenen Universum, zeitlich und stilistisch, wirkt er zu klobig, zu derb. Die Abweichung vom Original ist einfach zu groß.
JUAN FERREYRA ist der Comic-Künstler dieses im Sammelband zusammengefassten Abenteuers. Es heißt NOIR und geht bekanntlich, so begrifflich verwendet, auf die SCHWARZE SERIE HOLLYWOODS zurück. Als die Welt insgesamt noch schwarzweiß war und GUT und BÖSE ebenso klar zu trennen waren. Auf der Leinwand jedenfalls. Mit Stars wie JAMES CAGNEY, HUMPHREY BOGART oder EDWARD G. ROBINSON. Damals entstanden viele Handlungsmuster, die selbst heutzutage noch aufgegriffen werden. Die anfängliche Stimmung der Geschichte, ungefährt bis zur Ankunft in EUROPA, passt zu jenen alten Krimis. Je näher sich die Handlung dem Eintreffen in BABYLON nähert, desto mehr nehmen fantastische Elemente Fahrt auf.
Hauptsächlich in schwarzweiß-grau gehalten, setzen vereinzelte rötliche Farbtupfer Akzente. Weiße Lichter tun ihr Übriges. Das ist in Zeiten, in denen einem in Comics die Farbpaletten nur so um die Ohren fliegen ungewohnt, aber nicht übel. Die Farbreduktion fördert eine Konzentration auf das Wesentliche, ein Aspekt, den sich bereits rein schwarzweiße Produktionen zunutze machen. Das sieht schön aus und hat einen leichten Zeichentrickcharakter. Manchmal blitzt ein wenig WHAT-IF-Feeling durch (siehe das aktuelle MARVEL-Trickfilm-Projekt).
SPIDER-MAN einmal ganz anders. Anderes Outfit, andere Zeit, anderes Vorgehen. Raus aus New York, hinaus in die Welt. Fast eine Mischung aus SPIDER-MAN, Humphrey Boargt und INDIANA JONES. Es wird heldisch, es wird magisch, es wird ganz im Sinne SPIDER-MANS spektakulär. Für Fans des SPIDER-VERSE und von alternativen Realitäten innerhalb von Comic-Universen allgemein. 🙂
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