Dienstag, 15. Juni 2021
Wie konnte ein Mann Welten ins Chaos stürzen? Wie groß müssen Hass und Verzweiflung sein, um aus Rache einen Völkermord zu gehen? HEATH HUSTON war nicht immer der volltrunkene, zynische FEAR AGENT, der zwischen den Planeten unterwegs ist, mit losem Mundwerk und lockerer Knarre. Es gab eine Zeit, da war er nichts weiter als ein irdischer TRUCKER. Er war mit einer Frau verheiratet. Er hatte einen kleinen Sohn. Die Ehe war glücklich. Er verstand sich mit seinem Vater. Und dann kamen die AUSSERIRDISCHEN. Sie machten die Erde zum Schlachtfeld. Sie kämpften gegeneinander und, wie nebenbei, löschten die Menschheit beinahe aus…
Die wenigen Überlebenden rebellieren. Sie suchen einen Weg des Widerstands. Sie suchen Waffen, die dem technisch überlegenen Feind schaden können. Und sie werden fündig. Das vereinfacht den Kampf keineswegs. Es erfordert Mut und Opferbereitschaft, sich dem Gegner zu stellen. Diese Wesen haben nichts menschliches an sich. Während des Kampfes hat HEATH HUSTON Freunde gewonnen und diese sterben sehen. Jegliche Gnade ist aufgebraucht. Und so kommt es, wie es kommen muss…
RICK REMENDER nimmt uns, die LESER, mit zurück zu dem Punkt, an dem alles begann. Der WERDEGANG des späteren FEAR AGENT ist eine HÖLLENFAHRT. Es ist brutal. Lange Zeit scheint jede Gegenwehr aussichtslos. RICK REMENDER erzählt außerst dicht. Aus dem TRUCKER wird ein knallharter GI. Der Autor baut hier keinen einfachen Charakter auf, keinen toughen Cop JOHN MCCLANE, der schon von Berufs wegen für Recht und Ordnung sorgen will. Nein, hier wird ein Mann gänzlich demontiert, bis es nur noch um Selbsterhaltung und die Erhaltung der eigenen Spezies geht. Da alles sonst den Bach runtergegangen ist, fällt die Konzentration auf diesen Kern eines ansonsten zerstörten Lebens einigermaßen leicht.
Und was der Leser an der Seite von HEATH HUSTON (und anderer Charaktere) nicht alles erlebt! Hier greifen natürlich die Comic-Künstler auf gesamter Breite an, mit Zeichnung, Tusche und Farbe. TONY MOORE bestreitet die erste Hälfte von FEAR AGENT 2, JEROME OPENA zeichnet die zweite Hälfte. Beide Künstler kommen technisch einander nahe (macht Sinn, wenn sie mit denselben Figuren arbeiten). Allerdings gibt es Unterschiede. Hier vielleicht sogar mehr als im ersten Band. Als kleineres Fazit lässt sich vorweg nehmen, TONY MOORE zeichnet den cooleren HEATH HUSTON, aber JEROME OPENA hat einen besseren Strich für Monster und Action.
Insgesamt ist die Szenerie reich an Action, Alien-Kontakten, SciFi-Technik. Außerdem kommen im zweiten Teil noch Piraten hinzu. Und man könnte sagen, dass es etwas übernatürlich wird. Das bedeutet für den Leser eine Achterbahnfahrt, die von einem 1950er-JAHRE-HORROR in immer ernstere Schichten gleitet. Hier wird gesplattert, gerast, geschossen. Die Umsetzung von TONY MOORE ist nicht selten schwarzhumorig, wenn es Außerirdischen oder Menschen an den Kragen geht. Hingegen ist bei JEROME OPENA das Endzeit-Feeling größer, der Look düsterer, gruseliger.
FEAR AGENT 2 einfach nur dystopisch zu nennen, wäre untertrieben. Die Story von RICK REMENDER fügt sich in die klassischen SciFi-Szenarien der fünfziger Jahre ein. Damals lockten Filme wie METALUNA VIER ANTWORTET NICHT, KAMPF DER WELTEN, ALARM IM WELTALL oder DIE DÄMONISCHEN die Menschen ins Kino. In späterer Zeit wurden diese Themen, die Menschen im Kampf gegen Außerirdische oder Roboter zeigten, wieder aufgenommen. Teils ernst, satirisch wie in der Romanverfilmung STARSHIP TROOPERS oder ziemlich humoristisch wie in TIM BURTONs MARS ATTACKS! Mit letzterem lässt sich FEAR AGENT 2 am ehesten vergleichen.
Die außerirdischen Kreationen sind abgefahren. Der mit Reißzähnen bewehrte Kopf auf der Titelseite des vorliegenden Sammelbandes gibt einen minimalen Eindruck. Wahre Giganten greifen hier an, SCHLEIMSUPPEN (ähnlich wie der BLOB), riesige Pflanzen, ROBOTER mit organischen Gehirnen… RICK REMENDER macht vor nichts Halt. Und seine beiden Co-Künstler, die Top-Zeichner TONY MOORE und JEROME OPENA, machen ein rasant ablaufendes Fest daraus.
Kultmäßig gestaltet. Nimmt einen stark mit und Band 2 ist sogar ein echter Einsteigerband, da er mit der bislang nicht erzählten (nur angedeuteten) Vorgeschichte des FEAR AGENTS HEATH HUSTON daherkommt. Zwei verschiedene Storylines, die beide prall, dicht erzählt sind. RICK REMENDER ist in großer Erzählerlaune. TONY MOORE und JEROME OPENA sind die perfekten Künstler für die Umsetzung. Gigantisch! 🙂
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Dienstag, 23. März 2021
Als die Seuche die Oberhand gewann, griffen die Menschen, solche, die sich nicht religiösen Wahn flüchten wollten, zu radikalen Mitteln. Feuer sollte die Erreger vernichten. Städte brannten nieder, weit über jene Grenzen hinaus, die zuvor geplant gewesen waren. Die Menschen sind fort. Jetzt durchstreifen nur noch der ehemalige Soldat JAN und seine neue Begleitung LN die verlassenen Ruinen. Immer gefolgt von MARGARIT, dem Roboter. Der Weg ist beschwerlich und gefährlich. Obwohl sie auf keinen lebenden Menschen treffen. Denn die Hinterlassenschaften einer untergegangenen Zivilisation haben ihrerseits den Menschen den Kampf angesagt, basierend auf Fehlfunktionen, gegen die es aber ein Mittel gibt. Ebenfalls aus der alten Welt …
JEAN-PIERRE PÉCAU (Autor) und DAMIEN (Zeichner) schließen mit DIE GRÜNE ARMEE ihre Trilogie KALTE SONNE ab. Angesiedelt im alten Europa, erlebt der Leser eine apokalyptische Zukunft, in der nicht Kriege, sondern eine Form der VOGELGRIPPE der Menschheit den Garaus machte. Die wenigen Überlebenden verschanzen sich, vagabundieren, bilden Banden. Technische Innovationen von einst haben sich über ihre Grundprogrammierung erhoben und sind zu neuen Raubtieren in den Bergen geworden. Der Bestand echter Raubtiere erholt sich mangels menschlicher Jäger. Und hier beginnen die Veränderungen, die der Leser von düsteren Zukunftsgeschichten nicht oft geboten bekommt.
Darüber hinaus gibt es hinter allem Geschehen ein Geheimnis, das nun in der finalen dritten Episode gelüftet wird. JEAN-PIERRE PÉCAU wandelt auf den Spuren klassischer Science Fiction, in der sich nicht immer alles zur Zufriedenheit seiner Helden auflöst. Für den Leser jedoch, in diesem Fall für mich, passt es, da sich die Handlung keiner unnötigen und unpassenden Gefühlsdueselei ausgesetzt sieht. Heroisch soldatisch ließe sich der Lauf der Handlung nennen. Erste Aufgabe eines Soldaten ist es, Schwächere zu beschützen. Damit ist für den Charakter des ehemaligen Soldaten JAN fast schon alles gesagt.
Aber eben nur fast. Die Trilogie behandelt zwar einen relativ kurzen Zeitraum, dennoch findet eine Veränderung mit JAN statt. Der Panzer des grantigen Mannes bekommt Risse. Warum das so ist, erzählen einerseits die Rückblicke von JAN in den ersten zwei Bänden, andererseits erlebt es der Leser mit ihm an der Seite von LN. Sogar sein Verhältnis zu MARGARIT dem Roboter wandelt sich. Sicherlich nicht uneigennützig. Tonfall und Verhalten verlieren deutlich von ihrer Kälte zu Beginn der Geschichte.
Die Bilder der Geschichte liefert DAMIEN. Nachdem der Leser in die Vergangenheit blicken durfte, ebenso in eine dystopische Gegenwart, sind es nun karge, spärlich bewachsene Höhenregionen, herbstlich verfärbt, die ihm präsentiert werden. Sie sind durchweg der Hintergrund für den dritten Teil von KALTE SONNE. Vor all dem leben nun Menschen, die schlichtweg all das ignorieren, was einmal war und sich eine neue Legende ausgedacht haben. Diese ist, wie so oft bei Religionen, einfacher einzutrichtern, da es weniger bis keine Erklärungen braucht.
Vor diesem Hintergrund ist zwischendurch und zum Schluss der Kontrast zu einigen technischen Gegebenheiten größer und beeindruckender. Beispielhaft ist ein Schwarm miniaturisierter Roboter, der alles Lebendige tötet, was ihm vor die Sensoren kommt (erinnert an PREY, einen Roman des verstorbenen MICHAEL CRICHTON). Andere gezeigte Technologien deuten Projekte an, die in der Gegenwart des Lesers ins Leben gerufen wurden oder wenigstens Gedankenspiel existieren. DAMIEN arbeitet diese Aspekte sehr schön heraus. Aus Sicht des Lesers (meiner Sicht) hätte es durchaus mehr davon geben können. Dafür ist der Hauptcharakter JAN nach wie vor richtig bärbeißig gelungen!
Ja, zu Ende. Leider. Ein ganz großes Leider! Die Trilogie hätte Potential für eine längere Geschichte gehabt. In jedem Fall hat sie Potential für eine Fortsetzung. Wie auch immer, was hier abgeliefert wurde, ist klasse SCIENCE FICTION, fein erzählt, mit einem Händchen fürs Apokalypsengenre. Darüber hinaus hat die Trilogie mit DAMIEN einen Zeichner erwischt, der mit ähnlichem Feingefühl an die Geschichte herangegangen ist wie Erzähler JEAN-PIERRE PÉCAU. Klare Empfehlung für GENRE- und SCIFI-FANS! 🙂
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Dienstag, 09. März 2021
Man vergreift sich nicht an fremden Suppentöpfen! IRIS kann nicht widerstehen. Der Inhalt des Topfes auf dem Feuer sieht schmackhaft aus. Plötzlich wird sie sehr energisch darauf hingewiesen. Gleichzeitig wehren sich ein paar kleine Gestalten dagegen, von den riesigen Ankömmlingen gefressen zu werden. Es dauert eine kurze Weile, bis die Missverstandnisse geklärt sind und sich eine interessante bekanntschaft anbahnt. WENN NUR DAS MONSTER NICHT ANGREIFEN WÜRDE …
ZAUBERHAFT! Wollte die 2. Ausgabe von DANI FUTURO, WENN DAS MONSTER ANGREIFT, mit einem Wort beschrieben werden, ist ZAUBERHAFT das richtige Wort. Die einzelnen Geschichten bringen eine Art MAGIE in die SCIENCE FICTION oder auch in die SPACE OPERA, je nach Sichtweise des Lesers auf das Gesamtergebnis. DER PLANET DER VERGANGENHEIT, ein längeres Abenteuer in der zweiten Hälfte des vorliegenden Bandes, ist das beste Beispiel für diese Behauptung.
NEVERMOR, DER PLANET DER VERGANGENHEIT. DANIS Begleiterin IRIS ist von der Aussicht auf diesem Planeten notzulanden nicht eben begeistert. Der Legende zufolge haben sich dort Menschen angesiedelt, die dem Fortschritt den Rücken kehrten und jegliche Technik ablehnten. Für IRIS ist das furchtbar, besonders wegen der Konsequenzen, nämlich einem Rückfall in archaische Zeiten, Krieg inklusive. DANI hingegen fällt sofort die wunderbar frische Luft auf. So weit der sehr eingängige Auftakt.
Der weitere Fortgang der Handlung wird allerdings immer märchenhafter, einfallsreicher und es wird munter fabuliert und erzählt. Sehr bald gilt: ALLES IST MÖGLICH! Es wirkt, als träfen 1001 NÄCHTE auf eine junge Version von FLASH GORDON. Mehr sei nicht verraten. Aber es wird schrill, es hat ein paar schrille Figuren, die auch in einer PLANETENGESCHICHTE der allerersten STAR-TREK-SERIE (hier bei uns RAUMSCHIFF ENTERPRISE) aufgetaucht sein könnten. Dazu kommt eine knallige, fröhliche Buntheit. Kurzum, die Story macht einfach Spaß und unterhält. Im Ergebnis: ZIEL ERFÜLLT!
Aber der zweite Band von DANI FUTURO kommt mit mehr als einer Geschichte daher. WENN DAS MONSTER ANGREIFT (nicht nur der Titel des Bandes, sondern auch einer Episode), DIE TODGEWEIHTE STADT gehen DER PLANET DER VERGANGENHEIT vorweg. Erstere Handlung erkannte ich wieder und aus heutiger Sicht kam sie mir anfangs etwas naiv vor. Sie ist aber auch mit einigen putzigen Figürchen besetzt. Andererseits, im Vergleich zu modernen Produktion wie KONG, folgt die Erzählung von VICTOR MORA denselben Gesetzmäßigkeiten und ist allenfalls etwas kindgerechter aufbereitet als die Mär um den Riesenaffen.
DIE TODGEWEIHTE STADT ist ernster, ernsthafter und eine Spur düsterer geraten und springt mitten hinein ins Abenteuer. Ein Vorausblick berichtet den Leser, wo eine Zwischenetappe enden wird. Entsprechend heißt es: DANI und IRIS geraten einmal mehr in LEBENSGEFAHR. Interessanterweise zieht sich ein Element durch alle drei Geschichten des Bandes: Der futuristischen Gesellschaft, in der DANI FUTURO nach einem Unfall gelandet ist, stehen jeweils fantastische, fast mittelalterliche Gesellschaftsstrukturen gegenüber. Selbst in der ersten Story lebt das Zwergenvolk in einer Art dörflicher Umgebung mit einem kleinen König an der Spitze (kam mir ein wenig schlumpfig vor).
Wie auch im ersten Band ist Zeichner CARLOS GIMÉNEZ auf das Höchste zu loben. Der Comic-Künstler weiß nicht nur realistische Figuren mit fantastischen Hintergründen oder Charakteren zu verschmelzen. Er beherrscht darüber hinaus eine tolle Seiten- und Szenenkomposition. Wie gut die rein schwarzweiße Wirkung seiner Zeichnungen ist, zeigt sich im feinen redaktionellen Teil, der zwischen den Abenteuern immer wieder auf die Entstehung und Veröffentlichungen von DANI FUTURO über die Anfangsjahre hinweg eingeht. Hervorzuheben ist das filigrane Raumschiffdesign der Serie. Gerade in DER PLANET DER VERGANGENHEIT kann sich der Leser auf einer ganzen Seite von CARLOS GIMÉNEZ‘ Fähigkeiten hierzu überzeugen.
Klasse auch im zweiten Band. Natürlich mit einem Hauch Nostalgie vergangener Comic-Hochzeiten versehen. Feine, spacige Abenteuer, toll gezeichnet von CARLOS GIMÉNEZ. Mit Witz und Überraschungen von VICTOR MORA erzählt. 🙂
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Mittwoch, 24. Februar 2021
KRÄHEN! ÜBERALL KRÄHEN! Der Militär-Buggy rast durch die lebende Wolke aus Flügeln und Federn. Der Mann am Steuer versucht Herr der Lage zu werden. Das Maschinengewehr feuert. Immer mehr pechschwarze Vögel werden vom Himmel geschossen. Der ehemalige Soldat nimmt seine Pistole hinzu. Das Magazin leert sich. Das Maschinengewehr leert sich. Handgranaten! Das letzte Mittel! In die Luft geworfen, ein gezielter Schuss, eine Flammenhölle explodiert in der Luft …
Die Welt ist nicht tot. Sie ist auch nicht menschenleer. Noch nicht jedenfalls. Viel fehlt allerdings nicht mehr. JEAN-PIERRE PÉCAU (Autor) und DAMIEN (Zeichner) präsentieren dem Leser einmal ein ungewohntes Endzeit-Szenario, indem sie uns in ein entvölkertes Europa mitnehmen. Eine Seuche ist für die ungeheure Dezimierung der Menschheit verantwortlich. Übertragen durch Vögel hat sich die Krankheit rasant ausgebreitet. Geflügelte Tiere wurden zu Hassobjekten. Die verbliebenen Menschen rotten Vögel aus, wo sie sie antreffen und es können. Aber das sind nicht die einzigen Bedrohungen, mit denen sich die Überlebenden auseinanderzusetzen haben.
An der Seite eines ehemaligen Soldaten erlebt der Leser diese Welt hautnah. JEAN-PIERRE PÉCAU erzählt abschnittsweise, springt in den Zeiten, lässt seine Hauptfigur anderen gegenüber berichten, was geschehen ist. Neben Alltäglichkeiten dieser Zeit, wie etwa der Tatsache sich gegen umherstreifende Banden behaupten zu müssen, existieren Geheimnisse (die vorerst nicht zu lüften sind). Am Himmel ziehen Luftschiffe vorüber (siehe Titelbild). Einst waren sie ein Instrument zur Herstellung eines lückenlosen Internets. Dank eigener Solarstromversorgung können sie auf Jahre hinaus eigenständig agieren. Aber: Er heißt, einige dieser Luftschiffe seien bewohnt. Zumindest für diesen Umstand wird der Beweis erbracht (siehe auch Titelbild).
JEAN-PIERRE PÉCAU streut immer neue Fährten aus, um die Neugier hochzuhalten und er hat Erfolg damit. Hier eine Hintergrundinfo, da ein Geheimnis, dort Action, eine Gemeinschaft, wo gehandelt wird, krümelweise, so dass langsam ein Gesamtbild entsteht, aber kein gänzlich geschlossenes. Für die Hauptfigur bleiben noch genügend Rätsel offen. Interessanterweise ist darüber hinaus ein Lauf- und Transportroboter namens MAGARIT nicht nur der dauerhafteste Begleiter des Helden, sondern wird zu einem wichtigen Überlebensbestandteil des ehemaligen Soldaten.
Begegnungen sind in dieser Welt natürlich weitaus seltener als in einer Zeit vor der Seuche. Unser Soldat trifft dank Zeichner DAMIEN auf TYPEN. Hier ist keiner austauschbar. Grundsätzlich finden sich unverwechselbare Gestalten, die sich dem Leser schon nach wenigen Bildern erschließen. Das ist zweifellos eine von DAMIENS Stärken. Ob es die WEGELAGERER sind oder später die Bewohner des Handelspostens und TYPEN wie BROC oder sogar LN.
Was so überlebt: Ausgerechnet ein zum Pick-Up umgebauter R4 wird zu einem wichtigen Transportmittel. Das Fahrzeug ist kurioser Bestandteil einer Fluchtsequenz und sinnbildlich für eine Welt, die alles irgendwie (was noch so reparabel ist) versucht zu nutzen.
Das Setting ist stark, denn es müssen nicht immer die Vereinigten Staaten sein, die untergehen. Der Rest der Welt, hier Europa, Frankreich, ein alpines Umfeld hat ebenfalls einiges zu bieten. Verfallene Städte wie LYON erzeugen Grusel, ländliches Ambiente oder verwaiste Autobahnen dokumentieren den darüber hinaus reichenden Verfall. Unser Held will sich einen Teil seiner Menschlichkeit bewahren und ist gleichzeitig bestrebt, am Leben zu bleiben. Da ist genug an seinem Charakter, um ihn unbequem zu finden, aber ebenso viel, um sympathische Seiten zu entdecken. Toll von JEAN-PIERRE PÉCAU aufgebaut. DAMIENS Zeichnungen setzen den Resten unserer Wirklichkeit ein unwirkliches Flair oben auf. Die eingefangene Düsternis, die Kälte, ab und zu Momente menschlicher Nähe werden sehr schön inszeniert. Für Fans der Apokalypse. Kenntnis von Band 1 ist Pflicht. 🙂
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Freitag, 05. Februar 2021
Der Flug ist keine Besonderheit. Weder der Pilot noch DANI machen sich Sorgen. Ziel ist der Nordpol, wo DANI seinen Vater auf einer Forschungsstation besuchen möchte. Plötzlich wird dem Piloten übel. Die Flugmaschine, eine Consolidated PBY-6A Catalina (wie sie auch zur Ausrüstung von Jacques Cousteau gehörte), verliert an Höhe, stürzt schließlich ab, streift Eisblöcke, bis der nun flugunfähige Rumpf immer tiefer in eine Eisspalte fällt. Für DANI wird es immer dunkler. Am Ende verliert er das Bewusstsein. Als er wieder erwacht, ist alles anders …
Ende 1969 entstand DANI FUTURO und nahm in den 1970er Jahren Fahrt auf. Genau dieses legendäre Jahrzehnt merkt man dem Comic sehr genau an. Die 1970er gingen modisch neue Wege, es war bunt, schrill. Es war formenreich und der Blick auf die Zukunft äußerte sich entsprechend auch in Architektur und Möbelbau. In dieser Zeit waren spanische Comic-Macher mit ihren Werken in Deutschland stark vertreten. Zwei dieser Künstler waren VICTOR MORA (Autor) und CARLOS GIMÉNEZ (Zeichner). Sie schufen DANI FUTURO.
DANI FUTURO, ein Kind der Vergangenheit (der damaligen Gegenwart der 1970er), wird durch einen Flugzeugabsturz tiefgefroren und wacht in einer Zukunft auf, in der sich so manches zum Besseren gewendet hat. Zumindest damals schien ein Utopia im Medium Comic verlockend, und es macht tatsächlich großen Spaß, die Zukunft einmal so zu betrachten. Die Menschheit kann sich den Annehmlichkeiten des Lebens hingeben. Technik hat das Leben in vielen Belangen einfacher und sicherer werden lassen. Die Natur durfte sich augenscheinlich regenerieren. Fische werden nicht mehr gefangen, sondern sie werden gezüchtet und in den Meeren ausgesetzt. Man kann sich nun mit Delfinen verständigen. Außerdem ist der Mond inzwischen bewohnt und besitzt eine Atmosphäre …
Alles gut in der Zukunft? Im Prinzip ja. Aber das Abenteuer benötigt ein paar Schwachstellen. Diese rühren meist aus vergangenen Zeiten her. DANI FUTURO wird in der ersten Albumausgabe, DAS VERSCHOLLENE RAUMSCHIFF, in Episoden erzählt. Ist die erste Episode, EINE WELT VERLOREN, EINE WELT GEWONNEN, die Einführung zur Hauptfigur und zur neuen Welt, wird es später ziemlich gefährlich. EINE WELT VOLLER SCHROTT sowie DAS VERSCHOLLENE RAUMSCHIFF zeigen dem Leser überdeutlich, dass abseits der sehr gepflegten Zivilisation der Tod lauern kann.
EINE WELT VOLLER SCHROTT ist ein schönes Beispiel dafür. Ein Raumschifffriedhof, sicherlich von realen irdischen Vorbildern inspiriert, zeigt, wo die, im übertragenen Sinne, diese schöne Zukunft ihre Leichen im Keller hat. Heraus kommt ein gruseliger Abenteuerspielplatz. VICTOR MORA bleibt immer nur wenig Raum, eine Geschichte zu etablieren. Jede Episode ist in sich abgeschlossen. Gleichzeitig rundet VICTOR MORA die Welt rund um DANI FUTURO mit immer neuen Details ab. Der Autor arbeitet mit einem Serienkonzept vor der Zeit des roten Fadens und ermöglichte seinen Lesern so auch einen späteren Einstieg in die Reihe. DANI FUTURO (als Serie) ist ein Kind in der wichtigen Phase der Comic-Magazine. Aus heutiger Sicht macht die Erzählweise Sinn.
CARLOS GIMÉNEZ ist als Zeichner in der wunderbaren Position, eine Figur, seine Zuspieler und das Drumherum von Grund auf entwickeln zu dürfen. Stilistisch ist diese gestaltete Zukunft von realen Anteilen, psychedelischen Anklängen und den verspielten Jugendstilelementen durchsetzt. Bestes Beispiel hierfür ist der Anblick der Hauptstadt des Mondes, das Camp TYCHO BRAHE (benannt nach dem berühmten dänischen Astronomen). Der filigrane Aufbau des Doms im Hintergrund der Stadtansicht erinnert stark an die SAGRADA FAMILIA, die weltberühmte Basilika in BARCELONA.
DANI FUTURO wird von CARLOS GIMÉNEZ mit einem starken, wie auch naiven Realismus gezeichnet. Das ist modisch etwas klinisch, aber auch hipp mit den Schlaghosen der 1970er Jahre versehen. Grafisch gehört der Künstler zu den besten Vertretern der spanischen Zunft. Hier sitzt die schwarzweiße Grundzeichnung, ob es nun technische Geräte, menschlische Anatomie oder Tiere sind.
Der erste von insgesamt acht Bänden präsentiert ein nostalgischen Rückblick auf eine schöne Comic-Zeit innerhalb Europas und auch Deutschlands. Die Zukunftsschau des DANI FUTURO besticht heute durch Charme, eine genau geplante Erzählweise und dem Werk eines Zeichner, CARLOS GIMÉNEZ, der aktuellen Künstlern mit seinen Arbeiten immer zeigen kann, wo es lang geht. Ein sehr guter redaktioneller Teil rundet den ersten Band ab. Schön! Für Comic- und SciFi-Enthusiasten! 🙂
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Sonntag, 17. Januar 2021
Die Karten für HARRISON BANKS wurden neu gemischt. Der Mann war ganz oben, wurde ausgebootet, verfolgt, erlebte mehrfach Attentate auf seine Person und ist nun, nachdem eine zweite Version von GOLDEN CITY nicht mehr die Weltmeere bereist, sondern im erdnahen Weltraum kreuzt, erneut auf dem Weg an die Spitze. GOLDEN CITY war und ist eine reisende Stadt. Darüber hinaus ist sie nur den Reichen vorbehalten. Wer über weniger finanzielle Mittel verfügt und sich trotzdem an Bord befindet, ist schlicht ein Angestellter. GOLDEN CITY ist außerdem ein Mikrokosmos. Als solcher wird er medial genauestens unter die Lupe genommen. HARRISON BANKS ist ein Junggeselle, den ein Haufen Glamour umgibt. Nicht absichtlich, aber ein Flair, das er gerne benutzt, um seine Ziele zu erreichen …
Die Beschreibung sollte nicht täuschen. GOLDEN CITY ist keine Soap Opera. DANIEL PECQUEUR, Autor, erzählt im 13. Band der Reihe, Untertitel AMBER, einen Science-Fiction-Thriller, der strikt aus unserer Zeit weiterentwickelt worden ist. Die Technik könnte diesen Weg nehmen, die weltpolitische Lage, der Reichtum, die Natur, die Meere, die an den Küsten der Länder nagen und Lebensraum abgraben. Vor diesem Hintergrund erlebt der Leser Machtspiele, Intrigen, Gewaltausbrüche und -exzesse. Eine Leben für ein Leben. Auch Reichtum beschützt nicht in letzter Konsequenz. Irgendwann wird jeder unvorsichtig oder ist so überheblich, sich für unantastbar zu halten.
DANIEL PECQUEUR ist kein Schwarzweißmaler. Diese Welt hat an (fast) jedem Charakter gekratzt. Die Menschen nehmen für sich in Anspruch, sich auf jede erdenkliche Weise zu wehren. Sicherheitskräfte, Polizei sind trotz überlegener Technologie häufig machtlos. An diversen Schlüsselszenen arbeitet er heraus, dass sich niemand mehr in die Opferrolle begeben will. Vor allem jene nicht, die diese Rolle schon zur Genüge inne hatten und sich nun verbissen wehren. Oder auf brutalste Weise rächen. Szenisch wird in der 13. Folge nichts versteckt. Teilweise musste ich über die Vorgehensweise der Hauptakteure staunen.
Die von NICOLAS MALFIN (Zeichnungen) und PIERRE SCHELLE (Farben) gestalteten Bilder stellen die Geschichte auf zwei Schienen dar. Die eine ist jene vom erwähnten HARRISON BANKS, die andere jener jungen Erwachsenen, die ihm vor einiger Zeit auf der Erde halfen und nun gute Freunde geworden sind. Beide werden angegriffen, unerwartet. Und jeder geht auf seine Art damit um. Die Handlung ist global. VENEDIG und sein KARNEVAL werden als Kulisse genutzt. In RUSSLAND haben Kriminelle das Sagen. Das Stichwort lautet illegaler Organhandel. Menschen sind stets etwas stilisiert gezeichnet, etwas puppenhaft von NICOLAS MALFIN, aber es passt hier, zumal es sich gut in das futuristische Ambiente mit all seinen technischen Spielereien einfügt. Da NICOLAS MALFIN von Anfang an dabei ist, gibt es auch keine Stilbrüche.
PIERRE SCHELLE koloriert bonbonbunt, grell. Das lenkt ein wenig von mancher Brutalität ab. Das findet nicht oft statt, natürlich nicht. Aber wenn es explodiert, explodiert es mit aller Gewalt. Das ist vor mancher Fassade, die sich gelackt, technisch perfekt gibt, ein Tiefschlag und darf den Leser auch einmal betreten schlucken lassen. Es ist eine bewährte Technik innerhalb der Serie, sie fällt nur hier besonders auf. Im Team arbeiten NICOLAS MALFIN und PIERRE SCHELLE sehr gut zusammen. Für sie könnte der Begriff eines europäischen Mangastils kreiert worden sein.
Nun hat die Serie bereits rund zwei Jahrzehnte auf dem Buckel. Dennoch erfährt der Leser romantische Neuigkeiten aus der Vergangenheit von HARRISON BANKS. Dadurch erhält die Figur zusätzliche Tiefe und einen für diese Folge dringend benötigten Sympathiefaktor.
Dramatisch! Und hier gilt auch: Keine Figur ist sicher. Wer die Serie verfolgt, kann sich auf eine (böse) Überraschung einstellen. In bewährter Illustration von NICOLAS MALFIN und PIERRE SCHELLE. DANIEL PECQUEUR, Autor, führt uns einzelne Charaktere etwas zwiespältiger vor als bisher. Top-Science-Fiction-Serie! 🙂
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Ein Virus hat zugeschlagen. Die Menschheit hatte ihm nichts entgegenzusetzen. Jegliche Maßnahmen zur Bekämpfung und zur Eindämmung sind gescheitert. Ein Subtyp der Vogelgrippe ist auf die menschliche Spezies übergesprungen. Vögel sind zu Hassobjekten geworden. Wer sie antrifft und die Möglichkeit hat, tötet sie und verbrennt die Überreste. Mittlerweile sind die letzten überlebenden Menschen weit verstreut, Misstrauen hält die kleinen Gruppen streng getrennt. Im Jahre 2030 hat sich eine Gewöhnung an die Situation eingestellt. Wer sich keinen Zufluchtsort erschlossen hat, streift umher. So wie der ehemalige Soldat JAN und sein Lauf- und Transportroboter MAGARIT …
Wir leben im Zeitalter der Endzeitszenarien. Es mag damit zu tun haben, dass an so vielen Ecken der Welt immer noch (im übertragenen Sinn) Brände lodern und Menschen zu Millionen leiden. Kriege, Klimakatastrophen und nun globale Pandemien schüren die Fantasien. Oft wurden weite Sprünge in die Zukunft unternommen. KALTE SONNE nimmt sich, von jetzt an gerechnet, gerade einmal neun Jahre Zeit dafür. Ort der Handlung: das gebirgige Grenzgebiet von Frankreich Richtung Schweiz in der Nähe von Chamonix.
Das Titelbild gibt einen Vorgeschmack. Ein Mann allein mit seinem Roboter, stets auf der Hut vor Tieren, zu Land und aus der Luft, und anderen Menschen. Fast eine Art moderner Ötzi. JEAN-PIERRE PÉCAU, der Autor, trifft die Stimmung in der verschneiten Gebirgswelt der Alpen und den Erinnerungesfetzen JANS sehr dicht. Letztere bieten einen guten Ausgleich zur Einsamkeit nach der gezeigten apokalyptischen Atmosphäre. Eine Robinson-Crusoe-Stimmung wird auf Dauer etwas schwierig, mitunter beklemmend. Es gehört mindestens ein Freitag dazu, hier in Form von MAGARIT, dem Roboter. Der ist zwar sprachtechnisch etwas eintönig, dafür wird er von JAN gerne mal ausgiebig beschimpft. Ein Verhalten, das MAGARIT mit einem stoischen POSITIV quittiert und sich nicht weiter darum schert, wenn es sich nicht um echte Befehle handelt.
DAMIEN, der Illustrator, zeichnet kantige Charaktere, gut erkennbar herausgearbeitet. JAN, die Hauptfigur ist eine Mischung aus Clint Eastwood und Vincent Cassel. Meist mürrisch, finster dreinblickend, auf seine Aufgabe konzentriert. DAMIEN hat Zeichnungen und Farbgestaltung gleichermaßen übernommen. Die Striche sind häufig skizzenhaft gesetzt, teils fett ausgeführt. Das genügt. DAMIEN hat einen feinen Blick für das Nötigste. Das bringt die Geschichte für das Auge des Lesers gut voran. Action, von der es neben einer guten Charakterbeschreibung reichlich gibt, lebt von einer exakten Darstellung (Fahrzeuge, Umgebung etc.) und einer abwechslungsreichen Perspektive.
Farblich hält es DAMIEN klar, realistisch, einfach. Und wieder muss festgestellt werden, dass es genügt. Nichts wird an farblicher Tiefe vermisst. Kolorierte Grundstimmungen grenzen einzelne Szenen oder Sequenzen voneinander ab. So sind JANS Erinnerungen an die Auflösung der menschlichen Zivilisation in einem ocker-bräunlichen Farbspiel gehalten. Wer häufiger Comics liest, findet das Farbspiel und diese Technik öfter vor. Die Überleitungen zu den Erinnerungen fallen meist kurz aus. In der Regel geht JAN schlafen und wird von seinen Alpträumen aus dem Untergang gequält.
Ein europäischer Handlungsort für ein Endzeitszenario. Auf Realismus bedacht. Präzise erzählt, ruhig, auf den Punkt gebracht. Die Zeichnungen vermitteln die Einsamkeit der Berge, in denen dennoch stets eine Bedrohung vorhanden ist. Schön von JEAN-PIERRE PÉCAU und DAMIEN umgesetzt. Ein feiner Science-Fiction-Thriller. Für Fans des Genres sehr lesenswert. 🙂
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Freitag, 08. Januar 2021
Manche Helden sind einfach kaputt. Manche davon aus gutem Grund. Manche haben derart viel verloren, dass ihnen die Last einfach zu viel wird. So wie HEATH HUSTON, ein so genannter FEAR AGENT. Er hat seine Frau verloren. Und außerdem noch die Erde. Seither säuft er, prügelt sich für Geld mit Aliens herum, oft in Lebensgefahr, kommt um Haaresbreite davon und macht sich auf den Weg auf der Suche nach dem nächsten Auftrag. Alles ist irgendwie Business As Usual. Bis eines Tages alte Bekannte auftauchen und HEATH HUSTON in ein Abenteuer hineinstolpert, das nichts weniger als die nächste große Katastrophe des Universums ankündigt.
Der vorliegende Sammelband von FEAR AGENT ist aufgeteilt in die beiden Abenteuerstränge NEU ENTFACHT und MEIN KRIEG. Autor RICK REMENDER ist ein Mann mit vielen (guten) Ideen und seit Jahren sehr bekannt. Zu seinen Erfolgen, die hierzulande auch veröffentlicht wurden, gehörten THE LAST DAYS OF AMERICAN CRIME oder natürlich DEADLY CLASS (eine Serie, die den Sprung auf die Mattscheibe geschafft hat). RICK REMENDER ist in sämtlichen Gernes zuhause: HORROR, THRILLER oder wie hier in der SCIENCE FICTION. Obwohl man die Einschränkung machen muss, dass FEAR AGENT sich ordentlich in der PULP-Ecke des Genres bedient. Heißt: Es wirkt, als habe sich RICK REMENDER von alten SCIFI-Ausgaben der 1940er oder 1950er inspirieren lassen. Ein deutlicher Schritt zurück vor die Zeiten von STAR WARS (dahin, wo ein GEORGE LUCAS ebenfalls seine Vorbilder und Kindheitserinnerungen fand).
So ist FEAR AGENT befreit von erzählerischen Altlasten der jüngeren SCIFI-Vergangenheit. RICK REMENDER kann sich dafür nicht ganz von erzählerischen Richtlinien jüngeren Datums trennen. HELDEN MÜSSEN LEIDEN. Das ist allgemein bekannt. Aber HEATH HUSTON muss extrem viel einstecken. Kapitel für Kapitel wird regelrecht auf ihn eingehämmert (nicht nur im übertragenen Sinn). Er wird so lange malträtiert, bis fast gar nichts mehr von ihm übrig ist. Dabei erhält HEATH HUSTON die Chance seines Lebens. Hierauf baut die gesamte Geschichte auf. (Mehr wird nicht verraten.) Die Handlung erreicht in NEU ENTFACHT ein hohes Level und hält es bis zum Ende von MEIN KRIEG.
Der Leser darf sich auf zwei Top-Zeichner freuen. TONY MOORE und JEROME OPEÑA. TONY MOORE kennen die Comic-Fans aus den Anfangstagen von THE WALKING DEAD oder auch von DEADPOOL. Ihm und seinem Kollegen JEROME OPEÑA ist zueigen, dass er sehr gut mit diesem freakigen Universum und seinen kuriosen Kreaturen umzugehen versteht. Und davon gibt es in dem 256 Seiten umfassenden Band reichlich. Alles in allem hat das Styling der Bilder etwas von einem durchgeknallten FLASH GORDON (um bei den Vergleichen von oben zu bleiben). Das schön altbackende RAKETENDESIGN von HEATH HUSTON ist ein deutlicher Fingerzeig für die Vermutung.
Die Inszenierung ist filmisch ohne wirklich lange Ruhepausen für den Helden. Der Leser benötigt keine. Die Hatz, auf die HEATH HUSTON und seine spätere Begleiterin MARA, hier geschickt wird, ist eine Achterbahnfahrt, die einfach nur Spaß macht und keine Wünsche offenlässt. Optisch lässt sich der Leser entweder auf iteressante neue Aspekte der Geschichte ein, tolle Aliens, ausgeklügelt (irre) Wesen oder rasante ACTION. Das ist auf jeder Seite ein PAGETURNER. Aber ich empfehle dringend, jede Seite genau anzuschauen. Es lohnt sich. Das ARTWORK ist stimmig und klasse (für diese Art Stoff vorbildlich).
TONY MOORE und JEROME OPEÑA sind für die Handlung stilistisch sehr angeglichen. Bei JEROME OPEÑA möchte ich fast behaupten, dass da ein paar Anflüge eines RICHARD CORBEN (BIG FOOT) zu entdecken sind. Wer darüber hinaus die exakteren Zeichnungen eines GUY DAVIS (B.U.A.P.) mag, wird sich über die Außerirdischen und insbesondere die verrückten ROBOTER hier besonders freuen. Farblich knallend grell, ohne Zurückhaltung von LEE LOUGHRIDGE und MICHELLE MADSEN koloriert. Die Zukunft eines HEATH HUSTON mag düster sein, aber sie auch verdammt bunt (und das ist verdammt gut so).
STARK! FEAR AGENT füllt eine Lücke in der COMIC-SCIENCE-FICTION. Etwas abgefahren, in Hochgeschwindigkeit erzählt, fast wie altes (aber sehr gutes) amerikanisches Samstagnachmittagskino, CLIFFHANGER inklusive. Wunderbar illiustriert von TONY MOORE und JEROME OPEÑA. Klare SCIFI-Empfehlung! 🙂
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Montag, 04. Januar 2021
Arbeit für das IMPERIUM. Ohne Begeisterung, in ständiger Angst vor dem obersten Diener des IMPERATORS: DARTH VADER. DOKTOR APHRA hat sich einen kleinen Bonus erarbeiten können, weshalb sie sich ein wenig in Sicherheit wähnt und sogar den IMPERATOR persönlich als eine Art Gönner betrachtet. Genau genommen aber, hindert das die imperialen Offiziere nicht daran, Bestrafungen über zugefügte Schmerzen bei ihr anzuwenden. Und es könnte auch DARTH VADER nicht hindern, ihr Leben zu beenden, wenn ihn die Willkür oder der bloße Zorn überkommt. In Sicherheit wiegen, kann sich allenfalls derjenige, dessen Existenz von Nutzen ist. Das ist spätestens dann nicht mehr der Fall, als ein zweiter DOKTOR APHRA auf der Bildfläche erscheint …
DAS ENDE EINER SCHURKIN (Untertitel des Bandes) wäre ein starker Spoiler-Titel, bezeichnete er denn das, was man sich allgemein darunter vorstellt. Mir machte es jedenfalls keinen Spaß, eine Geschichte zu lesen, von der ich weiß, dass sich die Hauptfigur am Ende aus dem Leben verabschiedet. Also, keine Bange, weil diese abgeschlossene Serie um die junge Frau, DOKTOR APHRA, eine weitere Serie beschert bekommt (seit 2020 in den USA am Start). Alles in allem hat sich die Figur gemausert. Ursprünglich als Nebencharakter in der DARTH-VADER-Serie erfunden worden, hatte diese Figur bald schon derart viel Profil, dass sie ihre Geschichte als Hauptcharakter tragen konnte.
Verdammt schlau, sehr intelligent, rotzfrech, Überlebenskünstlerin, einsam mitunter, Planerin und einfach gut in dem, was sie macht. Meistens. Gäbe es keine Schwierigkeiten, wäre sie perfekt, gäbe es keine Geschichte zu erzählen. Ihre Beziehung zu CAPTAIN MAGNA TOLVAN ist eine On-Off-Hängepartie. Allein deshalb, weil DOKTOR APHRA sie als IMPERIALE kennenlernt und später erlebt, wie MAGNA TOLVAN die Seiten wechselt und die REBELLION unterstützt. Ja, es geht auch um Liebe. Überhaupt lebt die Handlung, erst recht jene letzte Episode, DAS ENDE EINER SCHURKIN, von Beziehungen und Kreisen, die sich endlich schließen. Nachdem der Leser im letzten Band mehr über DOKTOR APHRAS Kindheit und ihr Verhältnis zur Mutter erfahren hat, betritt nun der Vater in der Gegenwart die Bühne.
SIMON SPURRIER ist weiterhin der Erzähler der Serie, dafür hat den Schlussspurt am Zeichenstift CASPAR WIJNGAARD übernommen. So kommen die zusammengefassten Folgen 37-40 und der DOKTOR APHRA EPILOGUE aus einem Guss daher. Grafisch gefällt mir der Stil besser als im Vorgängerband (da waren unterschiedliche Zeichner am Werk). Es wird Wert auf Realismus gelegt, aber die Technik ist verspielt und leicht. Ähnliche Arbeiten gab es schon häufiger von Kollegenseite im STAR-WARS-Universum und wie hier passt es ganz wunderbar zur Thematik. Das ist ein wenig Zeichentrick, ein wenig märchenhafter und stützt den alten Auftaktspruch ES WAR EINMAL VOR LANGER ZEIT IN EINER WEIT, WEIT ENTFERNTEN GALAXIS sehr gut.
CASPAR WIJNGAARDs Stil ist überaus klar. Der Künstler begeht nicht den Fehler, sich in Details zu verlieren. Nur, wo es Sinn macht, wird darauf nicht verzichtet oder bewusst reduziert. Beispielhaft hierfür sind die beiden DROIDEN TRIPLE-ZERO und sein kleinerer Kollege BT-1 (BEE-TEE), die zur überzeugenden Darstellung Details dringend benötigen. Äußerlich an C3-PO und R2-D2 angelehnt, konnte der Leser einen Teil ihres Werdegangs in der Storyline verfolgen. Diese ist angesichts der Charaktere ungewöhnlich, denn beide sind Verbrecher und arbeiten gerne als Folterer. Zurück im Dienst des IMPERIUMS handeln sie im Auftrag DART VADERs als Verhörspezialisten.
Zum guten Schluss wartet eine Episode (ANNUAL 3) unabhängig vom Rest der Handlung. SIMON SPURRIER ist wieder der Autor, aber ELSA CHARRETIER ist die Illustratorin. Technisch weicht die deutlich vom Realismus ab und ist stilistisch eher einem Künstler wie DARWYN COOKE zugeneigt. Die Linien und Schatten sind teil sehr fett, Details arg reduziert, die Farbgebung einfach, mit schlichten Tönungen. Die Zeichnungen wirken insgesamt schwer, etwas klobig, aber sie packen den Leser (rückt auch ein wenig stilistisch hin zu den CLONE-WARS-Kapiteln der STAR-WARS-ADVENTURES).
Keine gänzliche Verabschiedung von DOKTOR APHRA, aber immerhin ein vorläufiger Schluss einer sehr gelungenen Saga um eine Figur, die nicht innerhalb eines Films des STAR-WARS-Universums entstanden ist. Aber sie hätte es verdient, dahingehend lebendig zu werden. Insgesamt, auch mit dieser Abschlussausgabe, bestes Lesefutter für STAR-WARS-FANS. Zum Einstieg geeignet, da es eine sehr eigenständigeHandlung innerhalb des Kanons ist. Sehr gut. 🙂
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Donnerstag, 31. Dezember 2020
Keine direkt zerrüttete Kindheit. DOKTOR APHRA ist eine junge Frau geworden, auf die ihr Vater in gewisser Weise stolz gewesen wäre. Irgendwie ist sie in seine Fußstapfen getreten. Ihr Interesse für andere Kulturen, erst solchen, die lange vergangen sind, hat sie bestimmt von ihm geerbt. Ihre Mutter verließ den Vater, nahm die Tochter mit. Währenddessen war der Vater mit seiner Arbeit beschäftigt und wunderte sich allenfalls über die eingetretene Stille. In der Gegenwart ist aus dem neugierigen Mädchen eine Abenteurerin geworden. Belastet vom Schicksal der eigenen Familie schlittert sie in den größten Konflikt ihrer Zeit, die Rebellion gegen das allmächtige IMPERIUM.
DIE UNGLAUBLICHE REBELLENSUPERWAFFE lautet der Untertitel der 6. Folge um die räuberische Historikerin DOKTOR APHRA. Tatsächlich stößt die junge Frau bei ihren Aktivitäten auf ein legendäres Gewehr, das es dem WIDERSTAND ermöglichen könnte, dem IMPERIUM einen entscheidenden Schlag zu versetzen. Die Idee ist so fantastisch gut, dass sie für einen Film oder wenigstens eine Episode in der einer der neu geplanten STAR-WARS-Streamingserien umgesetzt zu werden. Interessant ist DOKTOR APHRA darüber hinaus, weil sie mit ihrer Kaltschnäuzigkeit bis ins Zentrum zweier Machtblöcke vordringt. Das gibt dem Leser tolle Einblicke in bereits bekanntes Geschehen (ähnlich wie es THE MANDALORIAN praktiziert hat).
Der vorliegende Band nimmt sich sehr viel Zeit um einiges aus der Familiengeschichte von DOKTOR APHRA zu enthüllen. Konzentrierten sich die Vorgängerabenteuer mehr darauf, wie die junge Frau ein ums andere Mal den Kopf aus der sprichwörtlichen Schlinge zog oder auch auf ihre Liebschaften, nimmt die weitere Entwicklung der Handlung einen konkreten bezug auf die Vergangenheit. Mit dabei, so viel zum Thema Liebschaften, eine Ex, die DOKTOR APHRA mit einer Art Hassliebe betrachtet. Die weibliche Zukunftsvariante von INDIANA JONES ist eben nicht nur eine Diebin und Schurkin, sie ist eine liebenswerte Diebin und Schurkin. Und verdammt abgebrüht.
Das stellt sich im Verlauf der Handlung heraus, als SIMON SPURRIER seine Heldin auf eine irre Mission schickt. Grafisch findet eine Umorientierung statt. Immer noch wird Wert auf eine realistische Darstellung gelegt, aber sie schwankt zwischen Manga-Einflüssen und Zeichnungen, die eher europäisch wirken und ich so stilistisch in einem franko-belgischen Album vermuten würde. Auffallend (und eine gute Lösung) ist die deutliche Separierung der Gegenwarts- und Vergangenheitsepisoden durch unterschiedliche Zeichner innerhalb eines Heftes (der Sammelband beinhaltet die Ausgaben 32-36 der Serie). Die Wirkung ist sehr leserfreundlich und imitiert auf ihre Weise entsprechende Bildtechniken, wie sie Serienjunkies von Rückblicken auf dem Bildschirm kennen mögen.
Ohne alte Bekannte geht es nicht. Neben besagter Ex von DOKTOR APHRA gibt sich auch ein pechschwarzer WOOKIE die Ehre: BLACK KRRSANTAN. Der alte Bekannte aus einer düsteren Vergangenheit ist zur Stelle, als DOKTOR APHRA Hilfe braucht (und außerdem, wie kann es anders sein, schuldet die junge Frau dem WOOKIE noch Geld). Doch dieser Rückschritt auf bekannte Charaktere ist ein dramatischer Vorgeschmack, auf ein sehr interessantes Finale, bewegt es sich doch mitten ins Herz des Imperiums.
Einerseits wegen DOKTOR APHRA ein tolles Kapitel der STAR-WARS-SAGA, andererseits wegen neuer Einblicke in das imperiale Geflecht auch für Hardcore-Fans der SAGA sehr lesenswert. Spannend von Anfang bis Ende und gleichzeitig das große Einläuten des Serienabschlusses im folgenden Band. TOP! 🙂
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