Gwenc’hlan folgt im strömenden Regen auf dem schrägen Dach dem Fremden. Der geheimnisvolle Unbekannte, den der Druide gestellt hat, kann sich nicht mehr einem Kampf entziehen. Ein Schwert blitzt auf. Doch der Druide lässt sich davon nicht beeindrucken und greift an. Gwenc’hlan will endlich Antworten. Zu viele Menschen sind bisher aus unersichtlichen Gründen gestorben. Ist es nur Hass auf die alte Religion, der sich dahinter verbirgt? Oder steckt noch mehr dahinter? Gwenc’hlan gibt sich die allergrößte Mühe, aber vorerst erhält er keine Antworten. Der Fremde kann fliehen.
An der Seite von Prinzessin Dahud kann Gwenc’hlan eine kleine Spur lüften. Tatsächlich scheint es um keltische Artefakte von großer Macht zu gehen: Der Kessel von Dagda und die Lanze des Lug. Ein Trunk aus dem Kessel zu sich genommen, verleiht Wissen und sättigt. Außerdem kann er auf dem Schlachtfeld getötete Krieger zum Leben erwecken. Die Lanze des Lug hingegen ist eine gefährliche Waffe. Kein Stoß oder Wurf mit ihr geht fehl. Mit jedem Stoß oder Wurf tötet sie gleich neun Männer. Die Waffe erstrahlt in gelblich grünem Licht. Ihr Zorn kann nur betäubt werden, wenn die Klinge in den Kessel des Dagda getaucht wird. Und sollten die Texte, die Dahud und Gwenc’hlan finden, die Wahrheit sprechen, ist die Lanze ganz in der Nähe versteckt.
Ein Geheimnis wird gelüftet. Langsam, mit großer Ruhe erzählt, kribbelt die Spannung während des Lesens geradezu. Die beiden Autoren Jean-Luc Istin und Thierry Jigourel schildern diese Begebenheiten aus der keltischen Geschichte und Mythologie mit Hingabe und sie erklären damit gleichzeitig den Stolz eines Volkes, das seine Identität immer mehr durch den Einfluss der christlichen Religion untergehen sieht.
Nach den bisherigen beiden Bänden ist der Leser davon überzeugt, dass Magie, wie die Kelten sie kannten, hier auch tatsächlich stattfindet. Die weiteren Geschehnisse hier, Spurensuche, Schatzsuche, Intrigen, Kämpfe und Erzählungen, münden in eine apokalyptische Stimmung mit faszinierenden Bildern. Die Geschichte lebt durch die Qualität ihrer Charaktere. Gwenc’hlan, der zuerst an eine Figur wie William Baskerville angelehnt schien (aus Der Name der Rose), hat sich deutlich weiterentwickelt und besticht nun durch völlige Eigenständigkeit. Prinzessin Dahud ist eine Bilderbuchsagenfrau. Sie erinnert, auch durch die Verflechtung in die Handlung, an Brunhild, jene sagenhafte Kriegerin aus der Nibelungen-Sage, die nur den ehelichen wollte, der sie im Zweikampf besiegte.
Die Atmosphäre erinnert an die grandiose Neuerzählung der Artus-Sage von Marion Zimmer-Bradley, die unter dem Titel Die Nebel von Avalon bekannt ist. Wer auch nur hin und wieder einmal in die eine oder andere Sage, einem darauf beruhenden Roman geschnuppert hat, wird einiges wiederentdecken. Und sogleich auch in die Falle tappen. Denn es scheint, als würden die beiden Autoren Jean-Luc Istin und Thierry Jigourel genau damit rechnen. Anschließend verlassen sie den bekannten Pfad und nehmen einen neuen, manchmal auch zwei parallel verlaufende. Unerwartete Wendungen sind in jedem Fall, ob Teile der Geschichte bekannt oder unbekannt erscheinen mögen, vorprogrammiert.
Die Geschichte selbst, so gut und so spannend sie im dritten Teil auch gerät, ist nur eine Seite der Medaille. Die enorme Dichte und die Ausstrahlung wäre nicht ohne die grafische Gestaltung des ausführenden Künstlers Jacques Lamontagne möglich. Ich würde gerne wissen, wie hoch sich der zeitliche Aufwand in Arbeitsstunden beziffert. Tatsache ist, dass bei genauer Betrachtung der einzelnen ein wahnsinnige Leistung ersichtlich wird. Lamontagne ist hier als Zeichner und Kolorist tätig. Es lässt sich ohne Übertreibung sagen, dass die einzelnen Seiten mit ihrer aufwendigen Maltechnik durch die Bank Cover-Qualitäten aufweisen. Sie bieten einen faszinierenden Blick auf alte Landschaften, in die keinerlei Zivilisation eingedrungen ist. Sie zeigen sehr schöne Rekonstruktionen alter Baukunst, innen wie außen. Viele Szenen sind optisch so angelegt, dass sie ohne Probleme als Storyboard für einen Film herhalten könnten. (Was in diesem Fall auf einer großen Leinwand ein Erlebnis sein könnte.)
Eine tolle grafische Leistung, über die es sich vortrefflich in die mystische Vergangenheit eintauchen lässt. Eine Geschichte, atmosphärisch angesiedelt zwischen Der Name der Rose und Die Nebel von Avalon, fesselt im vorliegenden dritten Teil zunehmend (und hat den bisher gemeinsten Cliffhanger der Reihe). 🙂
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