Chinook. Ein ganz besonderer Wind, dicht und dunkel, geheimnisvoll, beinahe wütend. Nicht nur Buddy Longway gerät in diesen seltsamen Sturm. Auch ein Auswandererehepaar verschlägt es mit ihrem Planwagen in dieses merkwürdige Naturereignis und macht prompt eine mysteriöse Entdeckung. Die Entdeckung bildet den Auftakt weitreichender Ereignisse, während derer nicht nur die Bekanntschaft neuer Freunde macht, sondern sich auch einstige Freundschaften umkehren, freilich nicht durch Buddys Schuld. Die Zustände haben sich arg geändert. Die Armee nimmt sich, was sie will, die indianischen Ureinwohner verlieren immer mehr. Konflikte sind unausweichlich und keine Alternative mehr. In die Ecke gedrängt wird Verzweiflung der Antrieb, der die Sioux in den Aufstand zwingt.
Ein langer, spannender Wegesabschnitt, der zu einem lange ersehnten Ziel führt. Die hier abgedruckten vier ehemaligen Einzelabenteuer sind vielmehr Akte eines großen Handlungsbogens, der von Autor, Zeichner und Kolorist DERIB geschickt miteinander verwoben werden. Der wilde Wind, Der Schwarzrock, Hooka-Hey und Die letzte Prüfung bieten nicht nur ein starkes Stück Gegenwart des BUDDY LONGWAY, sie führen den Leser auch in dessen Vergangenheit, in die nahegelegene einer wunderbaren Ehe und Familie wie auch einer längst fernen Kindheit an die Seite des Vaters und die Hoffnung auf ein besseres Leben in einem unbekannten Land.
Und mehr noch: BUDDY LONGWAY erfährt von seiner Herkunft und bemerkt erst jetzt, wie tief die Verbundenheit mit diesem Land reicht, dass Wurzeln existierten, von denen er nicht einmal eine Ahnung hatte. EIN BESCHWERLICHER WEG lautet der zusammenfassende Titel der vierten Gesamtausgabe und hätte kaum treffender formuliert sein können. Denn BUDDY LONGWAY befindet sich auf zweierlei Spuren. Einerseits ist er weiterhin auf der Suche nach seiner Frau und seiner Tochter, andererseits beschreitet er auch einen Weg tief ins Innere seiner Selbst. Die Verbundenheit, die er mit Natur, Land und Menschen entwickelt hat, wurde von DERIB selten eindringlicher gezeigt.
Diese Verbundenheit kehrt DERIB aber auch noch an anderen Stellen heraus, weshalb gerade diese Lehre für den Comic-Künstler sehr wichtig gewesen sein muss. Aber er zeigt auch die Grenzen dieser Lehre auf. Weil manche Menschen wollen einfach nicht lernen. Auf beiden Seiten. Zuerst sind es ein Siedlerehepaar, das Missverständnisse über die amerikanischen Ureinwohner auszuräumen lernt. Im Verlauf kommt ein Schwarzrock hinzu. Der Priester sieht, dass sein christlicher Glaube ihm nicht jede Frage beantwortet und im Zusammenleben der Indianer und ihrer Spiritualit?t weitere Antworten verborgen sein können.
Grafisch ist DERIB hier auf dem Höhepunkt seines Könnens. Er beherrscht die individuellen Charaktere, die er gerne auch der Realität entnimmt. Er zeichnet ein Land und seine Menschen mit Bravour, wie ein Gerichtszeichner, der sieht, was er malt. Vielleicht mag BUDDY LONGWAY mittlerweile vor dem inneren Auge agieren sehen. Vielleicht ist diese Theorie richtig, denn er lässt für den Leser sogar einen Erinnerungsfaden vor einem inneren Auge, BUDDY LONGWAYS nämlich, auferstehen und er macht dies in einer äußerst liebevollen, sehr verdichteten Weise, so dass eine schöne Kurzgeschichte in einem Abenteuer entsteht. In beidem, in der langen wie auch der kurzen Erzählung, kann er den großen amerikanischen Erzählern auf Augenhöhe begegnen.
Durchaus könnte ein Leser hier in die Geschichte einsteigen, da BUDDY LONGWAY sehr viel aus seiner Familiengeschichte preisgibt, andererseits findet sich auch ein vorläufiges Etappenziel, das noch einmal mehr Freude beim Lesen bereitet, wenn die bisherige Strecke hierhin bekannt ist. DERIB zeigt, wie stark er in der ernsthaften Comic-Erzählung ist und gleichzeitig, was Comic für erwachsene Leser wie auch für Heranwachsende zu leisten vermag. Melancholisch, nostalgisch, einfühlsam, geheimnisvoll und spannend, dramatisch allemal, präsentiert sich hier einer der besten Comic-Western überhaupt. Ganz, ganz toll! 🙂
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