Die Welt zerbricht. So oft hätten die kleine Reisegruppe, der hoch gezüchtete Krieger RINGO und seine drei jugendlichen Begleiter, glauben können, dass es nicht schlimmer werden kann. Hingemetzelte Schweine, in Teilen aufgespießt, bilden eine Warnung in dem sumpfigen Gelände, ehe die vier Wanderer auf eine künstliche Wand aus lauter menschlichen Totenschädeln stoßen. Doch das ist erst der Anfang. Niemand der vier Reisenden hätte hier ein vermintes Gebiet erwartet. Wenig später findet sich RINGO in Gefangenschaft wieder. Ein Mann, der sein Gesicht hinter einer rituellen Maske verbirgt, hat besondere Pläne mit diesem Krieger.
TABULA RASA lautet der Untertitel von Band Nummer 5 des WAISEN-Spin-offs RINGO. Wie immer ist der Band in zwei Episoden unterteilt. In der ersten Geschichte werden sich Fans von THE WALKING DEAD, sei es der TV-Serie oder der Comic-Reihe, sofort heimisch fühlen. Das große Thema dieser Episode lautet Hunger. In einer Gegend der apokalyptischen Welt, in der immer noch Asche vom Himmel schneit, ist Nahrung ein ständig fehlendes Element. Aus dem Mangel entwickeln sich schnell Kulte und es ändern sich die Machtverhältnisse. Roberto Recchioni und Mauro Uzzeo haben hier eines fürchterlichsten Schreckensszenarios in der Reihe RINGO bisher entwickelt.
Grausam, verdreht, mit halbtoten Kannibalen erreicht die Wanderschaft der vier Weggefährten einen grausamen Höhepunkt. Es beginnt mit einer Art erzählerischer Verbeugung vor dem Herrn der Fliegen. Nicht einer, sondern gleich zig Schweineköpfe ragen offensichtlich als Warnung aufgespießt in einer von Nebel umwaberten Landschaft ringsum empor. Wie ernst die Warnung gemeint ist, zeigt sich innerhalb kürzester Zeit. Und es zeigt sich auch, wie untertrieben die Warnung letztendlich war. Roberto Recchioni und Mauro Uzzeo bleiben ihrem Szenario treu, mischen aber auch etwas von dem oben erwähnten Apokalypsen-Hit hinzu, sogar ein wenig von den Necromongers (Riddick 2).
Der von Matteo Cremona und Luigi Pittaluga vorzüglich gezeichneten Episode wurde ein mysteriöser Aspekt beigefügt. Brutalität allein gewährleistet noch keine Spannung. Deshalb haben Recchioni und Uzzeo ganz im Stil von Horrorspezialisten wie King, Koontz oder Morrell zwei Handlungsstränge eingebaut, die den Schicksalen von RINGO selbst und der jungen Rosa folgen. Einige Individuen dieser merkwürdigen Gemeinschaft haben ihre eigenen Vorstellungen, wie diese gesunden Menschen von Nutzen sein können. Sind ein paar Zustände eher plakativ zu nennen, wird es gerade in den Szenen mit RINGO und Rosa gruselig intensiv.
Ein Verräter in der Gruppe! RINGO hat seine Erfahrungen mit Verrätern gemacht. In gewissem Sinne verfolgen ihn die Krähen, die Killer der Präsidentin, genau aus diesem Grund. Nun hat sich aber ein Verräter in ihre kleine Gemeinschaft eingeschlichen. Bislang stand im Zentrum von RINGOs Besorgnis die Annahme, dass einer der Jugendlichen ein Kind von ihm sein könnte. Kann diese Vermutung Anlass für Gnade gegenüber dem Verräter sein? In der von Luca Saponi exakt und versiert gezeichneten Episode kippt die Stimmung von einer Szene zur nächsten und gerät zu einem Kammerspiel, wie es die vier Hauptfiguren so noch nie abliefern mussten. Bisher galt als ungeschriebenes Gesetz, dass die Kerncharaktere innerhalb der Handlung folgerichtig mit Leben davon kommen mussten. Diese unausgesprochene Vorschrift wird nun zu den Akten gelegt.
In der ersten Hälfte purer Horror, in der zweiten Hälfte apokalyptisch menschelnd. Mit starkem Ernst erzählt, dramatisch aufbereitet. Die beiden Autoren, Roberto Recchioni und Matteo Uzzeo, verstehen es, eine lieb gewonnene Gemeinschaft durcheinander zu wirbeln und den Zeiger kurz vor Serienende noch einmal auf Null zu stellen. Sehr gut. 🙂
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