Philippe Trent hat keine einfache Aufgabe. Als Sergeant bei der Königlichen Berittenen Polizei (Royal Canadian Mounted Police), von vielen auch schlicht Mounties genannt, ist er häufig auf sich allein gestellt. Nicht nur die kanadische Wildnis ist ein Gegner bei der Erfüllung seiner Pflichten, auch ganz gewöhnliche Gauner machen ihm das Leben schwer. Trents neuer Auftrag führt ihn in Das Tal der Angst. Die Arbeiter dort werden von einer geheimnisvollen Kreatur bedroht. Während sich einige der Männer halsstarrig zeigen und meinen, das Ungeheuer jagen zu können, sind die indianischen Arbeiter klüger: Sie verlassen das Tal und retten so ihr Leben. Als Trent das Lager erreicht, trifft er niemanden mehr an. Was ist hier geschehen?
Weniger gruselig, dafür alltäglicher ist die Überführung eines Gefangenen. Trent hat sich an die Eintönigkeit solcher Aufträge gewönnt, bei denen er trotzdem Vorsicht walten lassen muss. Auf seinem Weg erhält er unerwartete Gesellschaft durch Wild Bill Turkey. Der alte Revolverheld möchte endlich mit seinem früheren, seinem wilden Leben abschließen und sesshaft werden. Was könnte besser geeignet sein als eine Hochzeit mit einer geliebten Frau und dazu noch eine Farm auf die alten Tage zu bewirtschaften? Doch da sind noch diese Träume von dem schwarzen Mann, der sich immer auf die gleiche Art vorstellt: Ich bin der Mann, der Wild Bill tötete.
Nördlich des Polarkreises können die Nächte lang werden, sogar zwei Monate lang. In der lichtlosen Kälte der Polarnacht muss ein Mann sich zusammenreißen, um bei Verstand zu bleiben. Trent, der im Augenblick alleine seinen Dienst versieht in diesem abgelegenen Außenposten im Land ohne Sonne, hört plötzlich seinen Hund anschlagen. Von dem Gebell aus seiner Blockhütte gelockt, hört der Sergeant wenig später einen Schuss. Fernab jeglicher Zivilisation findet er zwei tote Indianer. Und mehr noch: Bei ihnen befindet sich ein kleiner weißer Säugling.
Im vorliegenden Sammelband von Trent sind die Folgen 4, 5 und 6 vereint. Autor Rodolphe und Zeichner Leo haben sich hier als Duo scheinbar gesucht und gefunden. Rodolphe ist ein ruhiger Erzähler, der seiner Geschichte Zeit gibt, sich zu entwickeln. Er versteht sich auf dramatische Elemente, aber er scheut die Effekthascherei. Leo, auch bekannt durch Reihen wie Kenya oder die verschiedenen Zyklen aus einem Zukunftsszenario wie Aldebaran, Betelgeuze oder jüngst Antares, versteht sich auf entsprechend ruhige Zeichnungen. Übertriebene Action wird man bei ihm nie finden. Bei ihm agieren die Figuren wie auf einer Bühne. Ihre Gesichtausdrücke werden wie auf einer zusätzlichen Leinwand in Szene gesetzt.
Trent, ihre namensgebende Hauptfigur, hat vor den Handlungen dieses Sammelbandes drei Abenteuer absolviert. Die Geschichten stehen einzeln für sich, dennoch gibt es einen roten Faden. Trent entwickelt sich, nicht zuletzt durch die Liebe zu einer Frau, die er nach der dritten Episode eigentlich an einen anderen verloren glaubte. Trent ist ein sehr disziplinierter Charakter. Er ist selten (so richtig) aus der Ruhe zu bringen. Er hat Gefühle, dass steht außer Frage, aber Rodolphe hat ihn als Menschen konstruiert, der diese Gefühle herunterschluckt und allenfalls in einer gedankenvollen Melancholie versinkt. Doch sobald die Pflicht ruft – und bei einem Mountie passiert das sehr schnell – hat er wieder alle seine Sinne beisammen.
Rodolphe versucht diesen von ihm eigens geschaffenen Charakter immer wieder aus der Reserve zu locken. Die Liebe ist nur ein Mittel zu diesem Zweck. Beim nächsten Mal ist es eine Art Rachegeist, dann eine neue Freundschaft, die durch ein tragisches Ereignis erschüttert wird. Erst langsam wird für den Leser ersichtlich, wohin die Reise geht. Doch bei aller Unnahbarkeit – und der zum Teil leidenschaftlichen Disziplin – die Trent an den Tag legt, wird einem die Figur von Mal zu Mal immer sympathischer. Sie ist kein strahlender smarter Held, wie es ein John Wayne zuweilen war. Sie ist auch nicht tragisch, wie es ein alkoholkranker Dean Martin war. Sie ist ein wenig wie Mein großer Freund Shane, ohne die Tragik. Die Atmosphäre, die den Mountie umgibt, findet sich auch in Veröffentlichungen von Jack London.
Das Szenario kommt Leo sehr entgegen. Er arbeitet gerne mit Weiten und davon hat ein großes Kanada sehr viel zu bieten. Es ist auch Wilder Westen, aber es ist auch zivilisierter, man könnte sagen höflicher, weshalb die scheinbar leichten, manchmal etwas puppenhaft wirkenden Bilder von Leo hervorragend dazu passen. Leo agiert wie ein Kameramann, der ein Bild wirken lassen will. Jeder ist an seinem richtigen Platz, in der Ruhe, ebenso wie in der Action, wenn eine Kugel Splitter aus einem Holzrahmen reißt. Einfache Farbtönungen von Marie-Paul Alluard stützen die fast schon dokumentarisch zu nennende Zeichentechnik Leos.
Rodolphe hängt sich nicht an einem bewährten Muster auf: Mit Trent versucht er eine möglichst große Bandbreite an Themen und Atmosphäre zu erreichen. Klassischer Western, Indianer als Freunde wie auch als Feinde, Drama, Tragödie wie auch Westernromantik werden in ruhiger Erzählung vorgetragen und reißen dennoch mit. Leos Bilder liefern beinahe vornehm zu nennende Figuren vor einer tollen kanadischen Kulisse. 🙂