Ein Jugendlicher hat es nicht leicht. Er muss mit den üblichen Verwirrungen des Heranwachsens kämpfen, sich für das Leben orientieren – in einem totalitären Staat sind all diese Aspekte noch viel schwieriger zu bewerkstelligen. Jugendliche Rebellen müssen gebändigt werden, sie müssen stets auf das Schlimmste gefasst sein. Wer nicht artig ist, kommt ins Programm. Keiner kann vorhersagen, wann und ob überhaupt es ihn treffen wird. Niemand ist gefeit. Es ist ganz gleich, ob jemand aus armen oder reichen Verhältnissen kommt. Es interessiert nicht, ob die Eltern einflussreich sind oder nicht. Es kann jeden treffen und wer sich beschwert, hat mit Sanktionen zu rechnen – milde ausgedrückt.
Eben noch saß die Schulklasse im Bus, nun findet sie sich in einem Klassenraum wieder. Soldaten sichern den Raum ab, ein Klassenlehrer erörtert ihnen die neuen Spielregeln. Mehrere Tage lang wird die Klasse 3b am Programm teilnehmen. 42 Schüler werden sich solange gegenseitig töten, bis nur noch einer von ihnen übrig ist. Jeder wird mit Ausrüstungsgegenständen versorgt, die ein Überleben ermöglichen. Ein Einteilung des Spielfeldes, einer Insel, in Planquadrate soll dafür sorgen, dass die Spieler sich bewegen. Von Zeit zu Zeit wird ein Planquadrat zur verbotenen Zone erklärt. Wer sich nach Ablauf einer bestimmten Frist noch auf dem Gelände befindet, stirbt.
Die Regeln sind einfach – aber nicht alle halten sich daran. Koushun Takami schrieb die Romanvorlage zu diesem Manga, dessen erster Teil in dieser Form neu erscheint und über 600 Seiten umfasst. Battle Royale kann inzwischen auch auf eine Verfilmung nebst Fortsetzung zurückblicken. So weit, so erfolgreich. Koushun Takami wendet einen sehr schönen erzählerischen Trick an. 42 Charaktere erlauben ihm 42 Geschichten in der Geschichte zu erzählen. Außerdem arbeitet er noch auf mehreren Zeitebenen, zögert auch nicht in die Grundschulzeit der Jugendlichen einen Abstecher zu machen. Dadurch ergeben sich unendliche Möglichkeiten zur Vermittlung von Informationen, die gerade immer so eingestreut werden können, wie es spannend und sinnvoll erscheint.
Selbstverständlich gibt es einige Figuren, die besonders in den Vordergrund gestellt werden. Ihre Charaktere sind sehr verschieden, ihre Verhaltensweisen während des Programms sind es noch mehr. Einige wollen sich dem Programm widersetzen, wollen zusammenarbeiten, andere entziehen sich durch Selbstmord oder fallen durch ihre Panik jenen zum Opfer, die das Programm aktiv gewinnen wollen. Zu allen Zeiten werden sie überwacht und bald müssen viele einsehen, dass das Programm nicht (so einfach) zu überlisten ist.
Koushun Takami wartet mit den verschiedensten Überraschungen auf – die hier natürlich nicht vorweg genommen werden sollen. Aber ihre Einbindung sitzt in dieser Manga-Umsetzung auf den Punkt genau. Gleich zu Beginn wird dem Leser die Siegerin eines Programms präsentiert. Zwei kleine Jungen (spätere Teilnehmer des Programms) und ihre Betreuerin erleben die Präsentation live über das staatliche Fernsehen. Bereits dieser erste Schockeffekt stimmt. Der Leser beginnt zu fürchten, was ihn erwartet.
Masayuki Taguchi, Zeichner dieses Mammutwerks, übernimmt nicht nur eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, er löst sie auch mit einer hervorragenden Technik. Für rund 42 Figuren eine gewisse Individualität herauszuarbeiten, ist nicht leicht. Es wird auch für Masayuki Taguchi kaum einfacher durch die Tatsache, dass ein paar Figuren nur Bauernopfer der Geschichte sind und mehr beiläufig zum Drama der Handlung beitragen. Andere Charaktere werden viel deutlicher vorgestellt, bevor sie auf die eine oder andere Art zu Tode kommen oder selber zum Täter werden.
Es sind keine Monster, die Masayuki Taguchi zu zeichnen hat – sieht man einmal vom Klassenlehrer ab, dessen Gesicht Bände spricht – sondern Menschen, denen ihr Charakter äußerlich nicht anzumerken ist. Masayuki Taguchi versteckt die Guten wie die Schlechten. Manga-Gesichter sind immer etwas glatter, einander ähnlich, dennoch gelingt es Masayuki Taguchi hier viele Unterschiede herauszuarbeiten, sehr viele sogar. Die Strichführung ist schlicht perfekt und bisweilen mit großem Aufwand umgesetzt.
Sehr klein dimensionierte Seitenaufteilungen mit vielen Bildern und ganzseitige Darstellungen wetteifern miteinander. So züchtig, charmant, ja auch romantisch manche Szene gerät, so heftig und deftig ist manch andere Szene in der Darstellung von Gewalt und Sex. Es sind diese sehr stark ausschlagenden Waagschalen, die den Leser immer wieder aufs Neue zu schockieren vermögen. Beide, Masayuki Taguchi wie auch Koushun Takami, wiegen den Leser immer wieder in Sicherheit, dass dieser versucht ist zu glauben, es werde schon nicht so schlimm werden – nur um die Vorstellungsmöglichkeit des Lesers beim nächsten Mal erzählerisch wie optisch zu übertreffen.
Ein dramatischer Knaller mit sehr echten Charakteren. Koushun Takami versteht sich ungeheuer gut auf Charakterstudien und nutzt das vielfältige Szenario, um möglichst viele Charaktere zu versammeln und gegeneinander ins Rennen zu schicken. Die Mixtur aus gegenwärtigen Ereignissen und Rückblicken sowie die exzellente grafische Gestaltung macht diesen ersten Teil von Battle Royale zu einer sehr spannenden Lektüre. 🙂
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