ALAMO. Ein amerikanischer Albtraum. Eine kleine Bastion, bemannt mit Teaxanern, die den unbedingten Willen zur Unabhängigkeit besitzen, stellt sich der anrückenden mexikanischen Übermacht unter dem Befehl des Generals Santa Anna. Ein kleiner Junge erlebt die Schrecken dieser langen Schlacht. Die Eltern kommen im Kampf ums Leben. Das Kind versucht sie zusammen mit einem schwarzen Sklaven aus den Flammen zu befreien. Der Junge verbrennt sich fürchterlich, als er die glühenden Holzstücke mit bloßen Händen beiseite räumen will. Die Mexikaner rufen ihn nach der Schlacht Manos Quemadas, verbrannte Hände. Seinen richtigen Vornamen erwähnt der Junge niemals wieder.
Antonio Hernandez Palacios dürfte bei Lesern, die sich noch an Comic-Zeiten erinnern, in denen PRIMO eine Rolle spielte, nostalgische Gefühle auslösen. EL CID und der hier vorliegende MANOS KELLY waren Serienhöhepunkte dieses Magazins. Nun endlich liegt eine Gesamtausgabe des Westerns vor, der viele Facetten jener Region beleuchtet, die durch den Krieg der Vereinigten Staaten mit Mexiko in den Besitz der Amerikaner überging. Es beginnt mit einer Kurzgeschichte, die auf sehr aufschlussreiche Weise das Leben im Niemandsland beleuchtet. Nahe eines Brunnens, der seit jeher jedem, der an ihm vorüber zieht, zur Verfügung steht, hat sich ein Siedlerehepaar niedergelassen. Dieses Verhalten ist ein Affront gegen jeden anderen aus der Gegend. So lassen Widerstände nicht lange auf sich warten.
Ein meisterliches kleines Szenario erschließt den Charakter von MANOS KELLY. Gleichzeitig wird dem Leser ein sehr intensiver Blick auf die Lebensumstände in den Grenzländern des Westens geboten, in denen die blanke Natur zum Feind werden kann. Bisons und Indianer, authentisch dargestellt, lassen die Geschichte größer erscheinen, als sie eigentlich ist. Antonio Hernandez Palacio zeigt hier sein enormes Können als Schwarzweiß-Comic-Künstler. Feinste Striche meißeln die Landschaften und die Gesichter, geben den Figuren Konturen. Palacios spielt mit Licht und Schatten und erzeugt besonders mit den Auftritten der Indianer emotionale Momente.
Ein Spanier im Wilden Westen ist ein albenlanges Abenteuer und der eigentliche Auftakt des Western-Charakters MANOS KELLY. Wie in anderen Serien jener Tage erfolgte eine effektreiche, aber zuweilen psychedelisch wirkende Kolorierung, in der die wunderbare Tuschetechnik von Palacio leider verloren wirkt. Auch ist die Farbgebung zu diesem Zeitpunkt bei Palacio noch nicht derart technisch versiert, wie sie es ab dem dritten Abenteuer Das goldene Grab einmal sein wird. In der Gesamtausgabe lässt sich die Veränderung in der Arbeitsweise des Künstlers, der nicht nur zeichnet und malt, sondern seine Szenarien außerdem schreibt, sehr gut ablesen.
In Ein Spanier im Wilden Westen agieren Tusche und Farbe noch gegeneinander, Farbe überlagert sogar den sorgsamen Tuschestrich. Im zweiten Abenteuer, Der Goldberg, wiegen sie einander bereits auf, bevor sie im dritten Teil wirklich Hand in Hand aufgetragen werden und Palacio die bildhaften Bestandteile zu einem Ganzen verarbeitet. Durch die Strichtechnik, wie auch den Farbauftrag beginnt seine Technik der eines Paolo Serpieri zu ähneln. Im Realismus Comic-Künstlern wie Rafael Mendez (Hombre) nahestehend, werden sich bestimmt auch Fans dieses Zeichners für Palacio begeistern.
Obwohl für das zweite Abenteuer einige Farbfilme nicht vorlagen und nur der Schwarzweißstrich erhalten blieb, bietet gerade diese Geschichte eine der waghalsigsten Fluchten, die es in einem Western jemals zu bestaunen gab. Wie verberge ich meine Spur vor einer mich verfolgenden Horde indianischer Krieger? Die Antwort, die hier geboten wird, kann vor den mordernsten Erzählungen bestehen und würde, gäbe es eine entsprechende Renaissance des Westerns, auf der Kinoleinwand nachhaltig in Erinnerung bleiben. So kann man nur den Western-Freunden empfehlen, jene Sequenz zu lesen, die eine Flucht mit einem halsbrecherischem Höhepunkt beschreibt.
Der Cayuse-Krieg ist eine Arbeit von Antonio Hernandez Palacios, die die schöpferische Tätigkeit des Künstler auf einem Höchststand abbildet. Man fühlt sich optisch in eine Mischung aus Italo-Western und Jack-London-Erzählung hineinversetzt. Der Strich von Palacios ist einmal mehr gewachsen, beinhaltet nach heutigen Gesichtspunkten auch Anmutungen eines Ausdrucks von Namen Richard Corben und Enki Bilal. Die Hitze des Westens weicht einer lebensfeindlichen Winterlandschaft. Die zweite Hälfte ist ein über die Maßen spannend erzählter Akt, ein echter Pageturner.
Ein beeindruckendes Western-Epos, mit einer greifbaren Hauptfigur, ungewöhnlich dicht aufgebaut, grafisch insgesamt opulent gezeigt von einem Meister seines Fachs. Für Westernfreunde diesen spannenden Klassiker neu oder wieder zu erleben. 🙂
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