Ein Angriff will gut überlegt sein, obwohl so viele wohl meinende Kampfgefährten auf eine Attacke drängen. Richard Löwenherz, gerade erst in Palästina angekommen, will zuallererst seine Sachen auspacken und dann auf den deutschen Kaiser warten, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Jene, die sich aus dem Krieg gegen die Ungläubigen im Heiligen Land einen Profit erhoffen, sind vom zaghaften und kampfesunlustigen Verhalten ihres Königs mehr als nur enttäuscht. Der Feind hingegen findet das Verhalten auch merkwürdig, hat er doch eigens eine Attentäterin auf den fremden König angesetzt. Saladin, der Gegenspieler von Richard Löwenherz, besinnt sich eines Besseren und ändert seinen Plan.
Es waren einmal die Kreuzzüge … Mit der historischen Vorlage hat die Geschichte von Brremaud und Federico Bertolucci nur noch in sehr groben Zügen etwas gemein. Es geht abenteuerlich, auch kriegerisch zur Sache, aber im Kern bestimmen Humor, Fantasie, auch kindliche Naivität die Handlung, in der auch ein Dschinn nicht fehlen darf. Brremaud und Federico Bertolucci vermengen Bilderbuchästhetik mit Action, die auch schon mal blutig anzusehen ist. Darüber hinaus werden hier und da satirische Spitzen verteilt, auch gegen Disneys Tiergeschichten, denn wer halbwegs genau hinsieht, wird schnell fündig.
Eine Müllkippe und die Rettung des Richard Löwenherz … Spätestens mit der Öffnung einer Dose Sardinen und der Blutinfusion durch einen Quacksalber, der sich ausnimmt wie Donald Duck mit Turban, überdecken diese Sticheleien beinahe die Handlung und degradieren sie zugunsten eines seitenweisen Suchbildes zur Nebensache. Ein weggeworfener Winnie Puuh auf einer Müllkippe löst diese Tendenz wieder auf. Brrenaud und Federico Bertolucci widmen sich der Entwirrung der aufgeworfenen Handlungsfäden und fügen eine Spur Romantik hinzu, die allerdings noch eine geraume Weile benötigt, bis sie die beiden Liebenden erreicht, womit endgültig bewiesen wäre, dass die beiden Comic-Macher ganz und gar nicht historienkonform erzählen wollen.
Die Form bestimmt letztlich die Handlung. Zwei Löwen stehen sich als Feinde gegenüber. Federico Bertolucci zeichnet lieb ausschauende Tiere. Selbst die Bösewichte weisen einen gewissen Charme auf. Grundtendenzen, wie sie seit dem unerreichten Zeichentrickfilm Dschungelbuch von 1967 vorhanden sind, werden hier spielerisch aufgegriffen und fortgeführt. Tierfiguren stehen hier nicht für eine Charaktereigenschaft im übertragenen Sinne. Derart hintersinnig wurden die Vorbilder nicht verwendet. Wer die spätere Schlacht zwischen den beiden Herrschern, wohl gemerkt Löwen, verfolgt, begreift schnell, dass Bertolucci mögliche fabulöse Charaktereigenschaften wie edel oder königlich gerne in der Form von Löwenherz und Saladin veralbert.
Kindgerechtes Design, qualitativ prima und technisch sehr versiert, liefert Federico Bertolucci in dieser abgeschlossenen Geschichte ab. Da er auch die butterweiche Kolorierung übernimmt, entstehen Bilder aus einem Guss in sehr unterschiedlichen und abwechslungsreichen Seitenstrukturen, die auch die Collage gerne einmal zur Auflockerung zur Hilfe nimmt. Mit durchweg pastellartigen Farbaufträgen werden die Augen regelrecht verwöhnt.
Ein kunterbuntes Abenteuergeschehen mit der Zeit der Kreuzzüge als Hintergrund. Brremaud und Bertolucci erzählen frei von der Leber weg, ohne historischen Anspruch. Es darf mitgefiebert und gelacht werden. Teils rasant, immer wieder überraschend. 🙂
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