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Comic Blog


Montag, 08. September 2008

Monsieur Mardi-Gras – Unter Knochen 1

Filed under: Mystery — Michael um 17:43

Monsieur Mardi-Gras - Unter Knochen 1Eben noch lebendig und nun bereits ein Knochengerippe. Victor Tourterelle, von Beruf Kartograph, stolpert über ein Spielzeugauto und bricht sich das Genick. Eben war alles noch wundervoll bunt, plötzlich ist alles nur noch grau und staubig. Eben hatte Victor noch Gesellschaft, plötzlich sind alle verschwunden. Ganz allein findet er sich auf einer weiten unwirtlichen Ebene wieder, an deren pechschwarzem Himmel ein unheimlich leuchtendes Licht prangt. Victor rätselt. Ganz offensichtlich ist er tot. Das kann aber nicht das Paradies sein. Und für eine Hölle ist es irgendwie zu harmlos. Wo sind die Flammen und all das? Auf jeden Fall ist es in dieser Einöde furchtbar langweilig.

Manchmal gibt es Überraschungen. Eine neue Idee wird einfach umgesetzt, mutig, weil sie nicht vergleichbar ist, weil sie auch abgedreht ist, weil sie nicht weichgespült es jedem recht machen will. Die Geschichte von Éric Liberge ist solch eine Idee.

Sie ruft höchstens die Erinnerung an eine ziemlich alte Gruselgeschichte wach, in der ein junger Mann, von Liebeskummer getrieben, nächtens auf den Friedhof geht. Dort leben nachts die Skelette, die Toten, fort. Als er sich in das Skelett einer jungen Frau verliebt, beschließt er dort zu bleiben. – Die Franzosen sind eben fürchterliche Romantiker.
Victor, der skelettierte Held, erfährt hier alles andere als Romantik. Für ihn ist es erst einmal wichtig, sich zu beschäftigen. Wie er so an seiner Sandburg baut, steht plötzlich ein Postbote neben ihm, gleichfalls skelettiert, aber immerhin mit einem individuellen Schnauzbärtchen im Totenschädelgesicht.

Und jetzt geht die Geschichte erst richtig los.

Unbewusst hat Victor, dessen Name nun Mardi-Gras Aschermittwoch lauten soll, ein Abbild der Oberstadt gebaut, ein Konstrukt, in dem sich sehr viele skelettierte Tote herumtreiben und ihre Zeit hauptsächlich mit Herumvegetieren verbringen. Inmitten all dieser Herumsteher und Blödindiegegendglotzer ist Victor ein Quertreiber, einer, der Fragen stellt, der laut ist, unbequem. Diese Gesellschaft, um Normalität bemüht, hat noch nicht all das zu bieten, was der lebende Mensch noch kennt. Eine Tasse Kaffee kann hier zu einem enormen Zankapfel werden.
Und so kommt es, wie es kommen muss. Victor bekommt es mit der Justiz – oder etwas ähnlichem – zu tun, die es auch hier unten gibt – oder wo auch immer sich Victor gerade befindet.

Man will Victor an den mitgebrachten Kaffee, denn etwas bringt jeder noch mit ins Jenseits. In einer alptraumhaften Sequenz, einen merkwürdigen Prediger mit eingeschlossen, explodiert die Szenerie plötzlich. Für den Leser mag hier auf einmal der vollkommene Wahnsinn ausbrechen – aber immer noch mit Methode – der mit im wahrsten Sinne des Wortes pechschwarzem Humor daher kommt. Es ist sehr göttlich komödiantisch, man möchte sagen französisch, fast könnte man den Eindruck gewinnen, dass ein Pierre Richard der perfekte Darsteller für Victor gewesen wäre – in der Umsetzung etwas schwierig, aber als Synchronstimme und mit neuer Bildtechnik sicherlich machbar.

Hör auf mit deinem Schwachsinn und gib dem Priester sofort seinen Kopf zurück!!

Die Skelette und die Eintönigkeit sind optisch sehr schön adaptiert. Einzelheiten und Kleinarbeit an der Oberstadt im Königreich der Tränen, die zahlreichen Skelettanbauten sorgen für Flair und nötigen etwas Bewunderung für all die Knochen ab, die hier gezeichnet werden mussten. Das ist eine ziemliche Fleißaufgabe, die hier von Bild zu Bild, von Seite zu Seite bewältigt werden musste.
Vielleicht sind die Anbauten eine aus der Not geborene Idee gewesen, um etwas mehr Fülle in die Optik hineinzubringen.

Wie auch immer diese Idee entstanden sein mag, so helfen die kleinen Variationen bei der Identifikation der Akteure und sind neben dem Wortwitz auch Garant für den Bilderwitz. Wenn ein Kellner sich zwei Wasserhähne wie kleine Teufelshörner an die Stirne geschraubt hat, sorgt das zuerst nur für Verwirrung. Aber dann? Sehr schnell entwickelt man einen Sucherblick, um herauszufinden, was Éric Liberge noch so alles eingefallen ist.

Eine tolle Inszenierung mit einer frischen unverbrauchten Idee. Das ist Phantastik und Humor in einer wunderbaren Mischung, die bestens unterhält – sofern man sich auf ein Szenario des Chaos einzulassen vermag und auch Geschichten jenseits der üblichen Welten eine Chance geben möchte. Aber wer das macht, der wird eine schöne Überraschung erleben. 🙂

Monsieur Mardi-Gras – Unter Knochen 1 – Willkommen! – Bei Amazon bestellen

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