Naim erwacht an Bord des kleinen Fischerbootes. Die Sonne brennt auf den kleinen Kahn hernieder, der seine eigene Route zu fahren scheint. Auch Mzee, der alte Mann, der bei Naim ist, kann das Steuerruder nicht bewegen. Es klemmt, obwohl nichts auf eine Fehlfunktion hinweist. Aber Mzee macht sich keine Sorgen. Er verlässt sich auf die Macht des wahren Steuermanns, der unter einem Segeltuch verborgen, den Kurs bestimmt. Naim, der den alten Mann zunächst für besonders kauzig hält, wird davon überzeugt, es mit einer ungewöhnlichen Macht zu tun zu haben. Auf dem Meer wird sich ihrer beider Zukunft entscheiden. Langsam driftet der alte Mann in weit entfernte Sphären, während die Natur zu einem Schlag ausholt, den der Mensch nicht parieren kann.
Benjamin Flao beschreibt mit KILILANA einen Landstrich stellvertretend für ein immer noch im Umbruch befindliches Afrika. Letzlich ist es auch ein Beispiel für jeden anderen fremden Erdteil außerhalb von Europa und Nordamerika, der im Sinne einer westlichen Gesinnung zivilisiert werden soll. Dieses Land hat Geschichte und Geschichtchen, die Bevölkerung hat eigene Traditionen und Interessen, auch eine Wege des Lebens. Nichts spricht gegen die Annehmlichkeiten der Westler und anderer Kulturen, Gastarbeiter, die sich auf den Baustellen und Industriewerken tummeln, doch begegnen sie dem Land und den Menschen wie kolonialistische Trampeltiere ohne Rücksicht auf Verluste.
Die Zerstörungen, die Benjamin Flao schildert, sind vielfältig, sie beinhalten sicherlich auch Hoffnung. Diese wird aber erst auf den zweiten Blick sichtbar. Eine Hauptfigur für den hoffnungsvollen Teil ist der kleine Naim, der jene verhängnisvolle Fahrt auf dem Meer unternimmt. Diese Episode ist ein echtes Kabinettstückchen, mit viel Gefühl eines Kammerstücks inszeniert, traurig, anrührend, dramatisch, mitreißend. Benjamin Flao nimmt sich für den gezeigten Sturm szenisch viel Zeit, auf dem Meer wie auch an Land. Das ungestüme Element erzeugt Angst und Ehrfurcht bei den Charakteren, es sorgt aber auch für Abgeschiedenheit und ehrenvolle Abschiede.
Bei all dem (und noch mehr) ist Benjamin Flao mit einem sehr eigenen dokumentarischen Strich, der mit toller Beobachtungsgabe nahe bei den Figuren ist und selbst jene, denen man zwischendurch zwiespältig gegenüber steht, noch mit sympathischen Charakterzügen bedenkt. Hier ist nichts richtig schwarz oder weiß, ein durchaus berechtigtes Wortspiel. Benjamin Flao findet viele Facetten im Aufeinanderprallen der Kulturen, die sich durchmischen. Auch jene, die nur zu Besuch sind, können sich dem Einfluss der anderen oder auch der Ereignisse nicht entziehen.
Bezeichnende Weiße sind ein bärbeißiger Seemann und ein Hippiehallodri. Ersterer mischt sich nicht sehr ein, kann einstecken, hat eine (mit Fug und Recht) große Klappe und er bewegt sich wie jemand, der mehr weiß und ahnen könnte, was auf alle Beteiligten zukommt. Das klingt etwas mythisch, trifft es aber angesichts der späteren Ereignisse und ihrer Darstellung genau. Es sind Szenen, in denen Wirklichkeit und Traum verwischen und Erinnerungen Nahtoderfahrungen mit ins Leben zurückbringen. Andererseits machen auch Unbeteiligte Beobachtungen, die selbst für den Realisten nur schwer erklärbar sind. In Afrika, so könnte das Fazit lauten, besitzt das Leben noch seine ureigene Kraft, die einem Zauber gleichkommt.
Benjamin Flao zeigt sich hier, ob gewollt oder nicht, in stilistisch gekonnter amerikanischer Erzähltechnik, mit Episoden, die am Ende zu einem großen Ganzen verwachsen. Grafisch ist er so eigen wie genau und versteht es, Charaktere auf den Punkt zu bringen, in einer gelungenen Mischung aus Realismus und Abstraktion. Eine grafische Novelle im besten Sinne. Sehr schön. 🙂
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