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Comic Blog


Samstag, 05. Juli 2008

Baltimore

Filed under: Comics im Roman — Michael um 11:16

Baltimore, oder: Der Standhafte Zinnsoldat und der VampirEs beginnt im Krieg. Jeder Krieg ist schmutzig, doch dieser bringt eine neue schreckliche Dimension in das Schlachtengemetzel ein. Die Soldaten kämpfen sich von Schützengraben zu Schützengraben, von Schlammgrube zu Schlammgrube, von Stacheldraht zu Stacheldraht. Jeder Ansturm auf den Feind ist ein Selbstmordkommando.
Lord Henry Baltimore gehört zu den englischen Soldaten, die einen weiteren heldenhaften Angriff führen sollen. Sie werden schneller von gegnerischem Feuer niedergemäht, als sie vorher gedacht haben. Inmitten der Gefallenen, unter seinen toten Kameraden, macht Baltimore eine fürchterliche Entdeckung. Die Soldaten sind nicht allein auf den Schlachtfeldern. Da ist noch etwas, etwas anderes.

Baltimore wehrt sich gegen den Furchtbaren, verletzt ihn und ruft damit einen Schrecken in die Welt, den niemand erahnen konnte. Baltimore verlässt notgedrungen das Schlachtfeld, dem er ein Bein opfern musste. Aber das Wesen verfolgt ihn, quält ihn, tötet die, die er liebt, macht ihm und der ganzen Welt, wie es scheint, das Leben zur Hölle. Die Zeit vergeht, eine grauenhafte Zeit.
Eines Tages treffen sich drei Männer auf Geheiß von Baltimore in einem heruntergekommenen Gasthaus. Alle kennen sie den Veteranen, jeder aus einem anderen Grund. Und alle sind sie hier, weil sie die Geschichte des Lords glauben. Sie glauben, weil sie ähnlich phantastische Erfahrungen gemacht haben. Sie glauben, weil sie wissen, dass das Böse leibhaftig existiert.

Vier Männer gegen das Grauen. Mike Mignola und Christopher Golden mischen verschiedene Genres und Szenarien zu einer ungewohnten, aber atmosphärisch ungeheuer dichten Mixtur aus Krieg, Horror, Phantastik und Mythen.
Ganz im Stile viktorianischen Horrors bauen die beiden Autoren ihre Geschichte mit verschachtelten Episoden auf. Warum ist jeder der Protagonisten in diesem Gasthaus gelandet, wenn es doch möglich wäre, die abschließende Konfrontation zu vermeiden und damit ein einfacheres Leben zu führen?

Die Antwort geben Mignola und Golden durch ihre Beschreibungen dieser neuen Nachkriegswelt, in der sich die Pest ausgebreitet hat, die Menschen lethargisch geworden sind und Vampire jederzeit zuschlagen können. Wenn der Horror zu einer unendlichen Geschichte würde, wäre dies das Endergebnis.
Doktor Rose, Aischros und Childress sind Männer, wie sie auch ein Bram Stoker zusammengeführt hätte. Ihre Geschichten erläutern dem Leser wie in einem Puzzle, wie die Welt sich änderte und auch wie sie zu dem wurden, was sie nun sind. Außerdem erfährt der Leser, besonders durch Aischros’ Erzählungen, was Baltimore nach dem Krieg widerfahren ist, warum er letztlich der unerbittliche Jäger des Bösen wurde.

Beim Lesen stellt sich automatisch der Eindruck ein, es mit absoluter Kälte zu tun zu haben. Obwohl gefühlvoll geschildert, bleibt die Geschichte kalt, trostlos. Die Männer sind zwar beisammen, trotzdem bleiben sie einsam. In der zweiten Hälfte wendet sich dieses Gefühl. Nun hält eine Endgültigkeit Einzug. Mignola und Golden haben ihre finale Geschwindigkeit erreicht und halten diese. Und sie fahren geradewegs in eine Schlussexplosion, den Endkampf hinein, in dem sich all das entlädt, was zuvor aufgebaut wurde. Die Düsternis mag auch mit den Illustrationen zusammenhängen, die Mike Mignola für diesen Roman angefertigt hat. Im typischen Hellboy-Stil, einer Mischung aus Scheren- und Holzschnitt, werden die einzelnen Passagen optisch begleitet und vertieft.

Das wirklich gelungene dieser Geschichte ist nicht nur die Erweckung des guten alten viktorianischen Horrors, sondern auch ihre Erzählweise.
Jede der einzelnen Episoden, ganz gleich von wem erzählt, ist ein eigenständiges Werk und kann durchaus alleine bestehen. Ob Aischros Baltimore nach Hause begleitet und später noch einmal wiederkehrt, um den einsamen Mahner zu treffen, der sein eigenes Ende vorhersieht oder ob er als junger Mann in ein verfluchtes Dorf gelangt, alles ist stimmig und mit ganz eigenen Wende- und Höhepunkten versehen.
Da mögen besonders solche Ideen, wie die Begegnung von Doktor Rose mit einem dämonischen Bären begeistern und zum sanften Grusel einladen. – Bevor es in einer abschließenden und unausweichlichen Sequenz endet.

Selbst derjenige, der all das auslöste, das Monster, die Kreatur, der Vampir, er kann schließlich nicht mehr. Das muss sich die Kreatur selber eingestehen. Die Unerbittlichkeit des Menschen siegt nicht, wie der Krieg gezeigt hat, aber die Beharrlichkeit führt wenigstens zu einem Ende, einem furchtbaren, dass alle anderen Ereignisse in den Schatten stellt.

Sanfter und eindringlicher Horror, der gefangen nimmt und besonders durch seine sehr gute, sehr fein gesponnene Atmosphäre zu gefallen weiß. Ein klassisch wirkendes Werk, ungewöhnlich für eine moderne Zeit, dafür umso wichtiger. Mignola und Golden wecken den Wunsch, dass dieser Zusammenarbeit noch weitere folgen mögen. 🙂

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