Sar Ha Sarim wollte seine Mission ursprünglich alleine begehen. Er wollte niemanden belasten und so scheint es, den Gefahren aussetzen, die eine solche auch lange Reise bereithalten wird. Aber diejenigen, die sich für seine Jünger halten, denken gar nicht daran, ihren Messias alleine ziehen zu lassen. Und sie tun gut daran, die Gefahren nicht zu unterschätzen, obwohl sie das Ausmaß der Bedrohung noch gar nicht kennen. Sieben Männer sind es, die sich dem Mann mit der schwarzen Haarpracht andienen. Einer stößt noch hinzu, weil er es seiner Tochter versprochen hat. Diesem Sar Ha Sarim soll nichts geschehen. Zwar glaubt Julius nicht an diese Märchen um den Messias, doch irgendwie kann der Römer den Judäer gut leiden.
Die Verfolger, die römische Armee, lassen sich Zeit. Sie marschieren in der Gewissheit, ihre Beute nicht verlieren zu können. Alsbald macht sich ein neuer Feind auf den Weg, die Römer und ihre bewährte Taktik abzulösen. Derweil machen die Reisenden um Sar Ha Sarim eine völlig neue und ungewöhnliche Erfahrung. Sie treffen in einer der größten und glanzvollsten Städte ihrer Zeit ein. Die große Hure Babylon beeindruckt die Männer augenblicklich, denn selbst sie finden hier gelebte Geschichte. Über der Stadt, halb eingestürzt und doch imposant wie eh und je, erhebt sich ein gigantisches Gebäude: Babel.
Geheimnisvoll, sympathische Charaktere, eine verschworene Gemeinschaft, teils wider Willen, düstere Feinde und Verfolger, die Wüste und eine Stadt, wie es sie in jenen Tagen nur wenige gab. Das Gemisch, das die beiden Autoren Alex Alice und Xavier Dorison hier präsentieren, aus Abenteuer, altertümlichem Roadmovie, Gruselgeschichte und historischer Darstellung packt gleich zu Beginn durch seine Dichte. Denn hier wird nichts dem Zufall überlassen. Jede Zeichnung, jede Haltung, jeder Blick und jedes Wort, genauer, jeder Millimeter Papier wurde peinlichst genau für das bestmögliche Ergebnis genutzt.
Das bedingt eine sehr feine Zeichnungsstilistik, teilweise auch kleine Bilder, die sich auf den Seiten drängen und mit Blickwinkeln spielen, Mimiken regelrecht auslesen. Die grandioseste Sequenz in diesem Band spielt in Babylon, jener Stadt, die einen solch mythischen Beiklang erwerben konnte, dass er sich den Geschmack alles Schlechten und Missratenen verdient hat. Auf der Grundlage der Erzählung schaffen die beiden Comic-Künstler Thimothee Montaigne und Francois Lapierre eine kolossale Ansicht der vergangenen Metropole. Auch auf die damalig erwähnten Weltwunder wird nicht verzichtet. Es sind solche Ansichten, die ihren Weg auch in einen illustrierten Geschichtsband gefunden haben könnten. Das ist in seiner Präsentation mehr als nur Comic, das ist bereits das legendäre Breitwandkino auf Papier.
Aus der unbekannten Bedrohung, der vergleichsweise gemächlichen Reise wird durch den Aufenthalt in Babylon sehr bald eine richtige Flucht. Zu diesem Zeitpunkt hat das gesamte Comic-Team alles vorbereitet, um die Geschichte von einem Historienabenteuer in eine handfeste Gruselgeschichte umschlagen zu lassen, deren Mysterien der Leser noch nicht erklären kann. Klugerweise lassen Alex Alice und Xavier Dorison den Leser kaum mehr wissen als die Flüchtigen. Für den Leser bedeutet das Finale (leider auch ein Cliffhanger) ein rasant spannendes Ende, auch wieder kinoreif inszeniert.
Was für eine Fortsetzung! Sie übertrifft die Messlatte, die der erste Band vorgegeben hat, ist toll illustriert und wie aus einem Guss koloriert. Wer sich für Historienabenteuer in römischen Hochzeiten begeistern kann, wird hier fündig. Die erste Folge sollte man aber kennen. 🙂
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