Auch 1922 war Gotham City schon eine dunkle Stadt. Der Mann der dort, nur mit einem Nachthemd bekleidet, durch die nächtlichen Straßen läuft, wird von einer höllischen Angst getrieben. Der erste Polizist, der ihn aufhalten, erkennt den Mann zunächst nicht. Die Verwunderung ist groß, als der andere Ordnungshüter ihn darüber aufklärt, er habe es mit Alan Wayne zu tun, dem Mann, der die halbe Stadt habe bauen lassen. Von dem großartigen Bauunternehmer ist in diesem zitternden und paranoiden Häuflein Elend, das im Griff des Polizisten hängt, nichts mehr übrig geblieben. Kurz darauf ist der Mann verschwunden.
Es gibt bereits eine lebende Legende in Gotham City: Batman. Aber, der Rat der Eulen? Das ist doch ein Ammenmärchen. Wer soll den Geschichten über die geheimnisvollen Kräfte im Hintergrund glauben, die an Gothams Strippen ziehen wie an einer Marionette? Die Figur des Batman hat sich schon häufiger Bedrohungen stellen müssen, die augenscheinlich mächtiger waren als sie. Eine Legende in dieser Form ist eher selten. Scott Snyder ist ein Autor, der sich mit düsteren Stoffen auskennt, wie seine Zusammenarbeit mit Stephen King (American Vampire) beweist und weitere Batman-Geschichten zeigen. Hier stellt er Batman in der dunklen, wenig lebenswerten, weil vom Verbrechen zerfressenen Stadt gleich mehrere Rätsel gegenüber und eines davon führt tief in die Familiengeschichte von Bruce Wayne, Batmans zivilem Ich.
Es beginnt mit einem Knaller, bei dem sich Batman-Fans, die nicht nur lesen, sondern auch Computerspiele um den dunklen Ritter zocken, sicherlich freuen wird. Arkham hat Ausgang und Batman schafft den wilden Haufen wieder zurück in seine Zellen. Und wild ist der Haufen dank Greg Capullo, der sich mit Spawn und Haunt einen Namen im Horror-Comic-Genre machte. Der Unterschied zu besagten Publikationen ist deutlich. Greg Capullo nimmt sich ein Stück weit zurück, lässt seine Striche oder auch die Seitenkompositionen weniger ausufern, gibt sich selber mehr Raum, während er früher dichter zeichnete, jeden Platz an sich zu raffen schien. Bruce Wayne und Batman sind luftiger arrangiert, aber er bleibt, besonders in den dunklen Szenen, ein Greg Capullo, wie man ihn als Fan kennt und zweifellos auch lieben gelernt hat, denn anders ist sein Erfolg kaum zu begründen.
Die Gegner Batmans sind hier weniger ausgefallen als jene von Spawn, dafür sind sie nicht weniger gefährlich und erinnern daran, wie ein Batman als Eulenmann hätte werden können. Batman, der seit längerem optisch auf den vorgegebenen Spuren eines Frank Miller wandelt, schmutziger, gemeiner, muskulöser, so dass von Wayne zum Fledermausmann eine echte Verwandlung eintritt, tritt so auch auf Augenhöhe gegen seinen neuen Feind an, der nur die Speerspitze einer gesammelten Riege von Gegnern bildet, die allerdings niemals selbst Hand anlegen würden.
Ein Markenzeichen von Greg Capullo ist eine überaus feine Strichtechnik mit leichter bis hin zu starker Abstraktion, die hier allerdings in den Hintergrund rückt. In Spawn war er eindeutig experimenteller. So rückt er in seinem reduzierten Stil mehr in die Nähe eines Eduardo Risso (100 Bullets). Capullo arbeitet jedoch mehr organisch, weniger architektonisch. In Capullos Bildern ist die Bewegung spürbarer, seine Gesichter besitzen einen Hauch mehr Leben. Insgesamt kann er mit dieser Stilrichtung völlig überzeugen, die gerade in den Batman-Sequenzen mit der erforderlichen Härte und Düsternis aufwarten, die der Comic-Fan inzwischen erwartet, auch erwarten darf, nach diversen Kinohöhepunkten, deren Stilistik ihren Weg zwischen die Comicseiten gefunden hat (und nicht anders herum).
Eine starke Geschichte, ein sehr ursprünglicher Batman mit einem zünftigen Gegner, der mit der richtigen Mischung aus Rätsel und Aktion daherkommt. Snyder und Capullo etablieren sich hier als ordentliches Team für den Dunklen Ritter. Wenn Snyder noch mehr von solchen Szenarien schafft, dann nur her damit. 🙂
BATMAN, Der Rat der Eulen: Bei Amazon bestellen