Wer einen Zauber beschwört wollte in jenen Tagen nicht anderes als die endgültige Vernichtung des Feindes. Selbst dem Untergang geweiht schickte der Gegner den tödlichsten Zauber, den Bleiernen Himmel. Der Eindruck dieses fürchterlichen Phänomens dauert noch lange an, doch zwei Jahrhunderte später hat der Frieden scheinbar gewonnen, strahlt das Land und haben selbst die Magier keinen nennenswerten Schaden heraufbeschwören können. Bei einer der üblichen Zusammenkünfte, bei der die Zeitenformer, ein Zweig der Zauberer, wie immer als letzte zu Wort kommen, entsteht ein Tumult über eine Neuentdeckung, die niemand für möglich gehalten hat.
Die Zeitenformer behaupten, es sei ihnen geglückt die Zeit in Abschnitten auf einem begrenzten Raum zu beeinflussen. Ein kleines Experiment beweist sogleich die Behauptung und die zahlreichen Gegner und Spötter aus den übrigen Magiesparten geben sich kleinlaut. Allerdings erkennen bereits innerhalb kurzer Zeit einige Zuhörer den Nutzen einer solchen Zauberei. Insbesondere die Krieger können sich schon strategische Manöver mit dieser Magie vorstellen. Das Prestige der Zeitenformer steigt an diesem Tag enorm, allerdings haben sie nicht allzu viel davon, denn bereits in der nächsten Nacht löscht eine Serie von Attentaten diese Magierkaste auf einen Schlag aus. Bis auf einen, der entkommen kann.
Sylvain Cordurie kreiert eine vordergründig mittelalterliche Welt, deren Gefüge nicht nur durch Magie aus der Bahn geworfen wird, sondern besonders durch Intrigen und Zänkereien um die Macht. Nicht jeder hilft den Verschwörern bereitwillig. Manchmal sind es Erpressung und die Furcht um die engsten Familienmitglieder, die die Helfershelfer zur Mithilfe nötigen. Niemand hier in dieser geheimnisvollen Geschichte ist völlig böse oder vollkommen gut. Ausnahmen bestätigen die Regel. Und jene Gestalten, die als Feind im Hintergrund lauern, machen auch nicht wirklich einen menschlichen Eindruck, so dass sie sich einer entsprechenden Definition auch entziehen können.
Grafisch kann sich Zeichner Leo Pilipovic in die erste Garde seiner Kollegen einreihen. Einerseits steht er Meistern ihres Fachs, wie John Buscema (muss ich einfach immer wieder als Beispiel anführen) oder Ernie Chan, in Nichts nach. Andererseits verfolgt er auf die Art wie weitere seiner Kollegen eine klassisch realistische Linie, durchaus mit vielen Variationen in den Äußerlichkeiten seiner Charaktere, aber auch mit deutlichem Hang, möglichst schöne Figuren zu zeichnen. Selbst wenn sie hässlich sind. So paradox das auch klingen mag. Hier liegt er auf gleicher Linie mit seinem Kollegen Iko (Finsternis).
Eine fantastische Welt lebt von der optischen und gefühlten Atmosphäre. Leo Pilipovic setzt für den szenischen Wechsel oder die Einführung einer Sequenz gerne ein größeres Bild ein, eine Außenansicht oder auch eine heimelige Inneneinrichtung. Hier gibt es viele Orte, die dem Leser nach und nach eine genaue Sicht auf dieses mittelalterliche Reich gewähren und beinahe mit dem Fingerspitzengefühl für Postkartenidylle zu Papier gebracht wurden. Hier stimmen Strich und Perspektive. Für den Leser gibt es dank der Details vieles zu entdecken. Aufwand wurde auf keiner Seite, in keiner Szene gescheut. Hier findet sich einmal mehr fantastisches Kino.
Ravermoon ist eine Serie, die optisch auch all jenen gefallen dürfte, die bereits an der Lektüre von Götterdämmerung oder Lancelot ihre Freude hatten. Die Abkehr in dieser Serie von bekannten Themen sorgt entsprechend für Überraschungen, beginnend bei dem großen Feind im Hintergrund, der ausgerechnet eine kirchliche Organisation ist.
Spannender Auftakt, optischer Genuss, dank eines neuen Umfelds der Handlung, neuen Figuren, vielversprechenden Verwicklungen eine sehr unterhaltsame Lektüre. 🙂
Ravermoon 1, Das Versprechen der Flammen: Bei Amazon bestellen