Kriss de Valnor ist der Gefangenschaft entronnen. Auch scheint ihre Tortur schon gerächt, doch das Mädchen hat noch nicht genug und so ersinnt sie mit Hinterlist bereits den nächsten Schachzug. Ihr väterlicher Gefährte, der gezeichnete Sigwald, besitzt nicht die Macht, das Kind in der Ausübung ihrer Rache zu stoppen. Er bringt dem Kind alles bei, was jemand benötigt, der draußen am Rande der Zivilisation überleben muss. Kampf mit dem Schwert und dem Bogen, Reiten, Diebstahl. Als sie eine Frau ist, ist sie ihm beinahe ebenbürtig. Ihre Rache hat sie nicht vergessen und ihre Erinnerungen quälen sie, als hätten sie Pein und Schmach erst kürzlich getroffen. Da sich die Gelegenheit ergibt, zahlt sie alles mit Feuer und Blut zurück.
Kriss de Valnor wurde es nicht leicht gemacht. In ihrer Verteidigungsrede, ihrer Geschichte von Kindheit an, die immerhin vor ihren Richtern, den Walküren, Gehör findet, erkennen auch die göttlichen Kriegerinnen ein schlimmes Schicksal. Aber auch viel unkontrollierbare Wut und rasenden Hass, die durch nichts zu entschuldigen sind. Autor Yves Sente schickt die ohnehin rachsüchtige Kriss de Valnor auf einen Lebensweg, der es in sich hat. Die Gefühlsregungen, die das Leben von Kriss bestimmen, werden zur Gänze erklärbar, dennoch bleibt das Mitgefühl für diesen Charakter auf die Dauer auf der Strecke. Allerdings lässt Yves Sente den Leser auch immer aufs Neue an dieser Meinung zweifeln. Stellvertretend für diese Wankelmütigkeit ist der Freund und Erzieher an der Seite von Kriss, Sigwald, der Mann, den selbst das Schicksal strafte und der trotzdem nicht in diesen Rachewahn verfallen ist.
Giulio de Vita wandelt einerseits stilistisch auf den Spuren von Grzegorz Rosinski, dem ursprünglichen Zeichner dieses Comic-Universums, andererseits ist es ein wunderbar klassischer Stil, wie ihn auch der verstorbene John Buscema zu Papier brachte. Sehr intuitiv anmutend weiterhin, mit filigranem, sehr leichten Tuschestrich gestaltet De Vita nicht nur sehr starke Frauen und Männer, er bewältigt auch unterschiedlichste Gesichter und Emotionen mit Leichtigkeit. Besonders dramatisch gelingen die Zusammenfassungen der Übergangszeit von Kriss und Sigwald, während derer sie sich als Halunken einen Namen machen. Außerdem ist die, zwar stark schattierte, Racheepisode sehr eindrucksvoll gelungen.
Die Bilder von Giulio de Vita, die besonders in den Abschnitten im Reich der Walküren an die Glanzzeiten von John Buscema mit seinen Conan-Illustrationen bei Marvel erinnern, reißen mit. Im Abschnitt der ganz persönlichen Rache von Kriss, als sie noch einmal allen Hass aufbietet, um den Schmerz in ihrer Seele endgültig zu vernichten, finden sich die theatralisch besonders packenden Szenen. Hier wandelt sich langsam auch die Farbgebung von Graza von einem Grau hinüber zu einem Braunrot, bis alles in Flammen aufgeht und ein Orange die beherrschende Farbe wird. Dann wieder am Tage erscheint wieder alles freundlich und heiter in natürlichen Farben.
Das Titelbild wurde von Grzegorz Rosinski selbst geschaffen, in seiner gemäldeartigen, technisch feinen Stilistik ausgeführt. Einzig zu bemängeln wäre, dass das Bild zu viel verrät, lautet der Titel des Bandes doch Das Urteil der Walküren. Da es sich aber hier um einen Ableger der Hauptserie Thorgal handelt, das Schicksal der Figuren ohnehin feststeht, mag man es den Machern der Welten von Thorgal verzeihen.
Dramatisch von Anfang bis Ende, mit sehr dicht charakterisierten Figuren. Ausgezeichnet gestaltet von Giulio de Vita. Auch ohne jegliche Kenntnis der Hauptserie beste Fantasy-Lektüre. 🙂
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