Der Junge kann fahren! Er hat ein natürliches Talent. Er lenkt im richtigen Moment, hohe Geschwindigkeiten schrecken ihn nicht. Aber er ist auch zu risikofreudig. Als die Seifenkisten den engen Parcours herunterjagen, sind seine Manöver waghalsig und kosten schließlich seiner Schwester beinahe das Leben. Der Junge mit dem Namen Daytona hat keine Wahl. Da weder er noch seine Mutter in der Lage sind für eine vernünftige medizinische Versorgung der Schwester zu sorgen, geht Daytona einen Handel ein, der ihn an eine Rennunternehmung bindet, bis die Schulden abbezahlt sind.
Andernorts sind manche Menschen durch ihre Herkunft mit weniger Sorgen behaftet. Doch Reichtum macht sie auch zur Zielscheibe. Kelly Styler, die das Internat verlässt und sich zunächst auf der Heimreise wähnt, steckt bald in einer handfesten Entführung. Und das Opfer ist sie! Zurück in der Welt, im Universum der Science-Fiction-Geschichte von Golden City, jener Seeheimat der Superreichen des Planeten Erde, erzählt Daniel Pecqueur nun aus einer anderen Perspektive. Die Welt, wie sie hier gezeigt wird, ist mehr zur Seenlandschaft geworden. Einzig an den Küsten scheint das Leben noch möglich zu sein. Im Inland, so wie es hier gezeigt wird, regiert wüste Ödnis.
Die Möglichkeiten, in einer solchen Umgebung einem halbwegs normalen, auch geregelten Leben nachzugehen, sind nicht einfach. Und manchmal scheint erhöhtes Risiko auch der ständige Begleiter zu sein. Ehrliche Menschen sind schwer zu finden. Finten gehören dazu, jeder wurschelt sich durch. Hin und wieder jedoch ergeben sich Freundschaften und Chancen. Daytona, der sich einem Rennzirkus anschließt, um seiner Schwester finanziell helfen zu können, findet schließlich einen solchen Freund durch puren Zufall und nach langer Reise. Die Erzählung seiner Geschichte bis zu diesem Punkt ist ruhige Science Fiction, nicht reißerisch (gut!) und sehr auf die Person fixiert, die von Daniel Pecqueur sehr sympathisch entworfen wurde.
Dem gegenüber steht zunächst der Geschäftsmann Burt Styler, der trotz Sicherheitsvorkehrungen erfahren muss, dass seine Tochter entführt. Styler, ein Mann, der sich ähnlich wie Mel Gibson in Kopfgeld dazu entschließt, nicht zu bezahlen, sondern den Entführern das Handwerk zu legen, geht mit außergewöhnlicher Härte vor. Dieses Vorgehen überrascht bei einem Geschäftsmann und zieht gleichzeitig die Spannungskurve steil nach oben.
Alain Henriet nimmt die Vorgaben des Euromanga-Stils der Ursprungsserie auf. Obwohl der Begriff Euromanga eine stilistische Aussage trifft, ist dies dennoch zu kurz gegriffen. Wie in Golden City wird grafisch auch in Golden Cup nichts dem Zufall überlassen. Strichstärken weisen keinerlei Ausbrüche auf, weshalb der erste Eindruck ein strenger, architektonischer und konstruierter ist. Allerdings ist dies im Hinblick auf futuristischen Darstellungen von Fahrzeugen gewollt. Hier erlebt der Leser solche Gefährte in Aktion, die ansonsten als Studien auf Automessen vorgesellt werden.
Die Landschaften sind, sofern sich Tupfer von grünen Pflanzen mit dem Blau des Meeres mischen, sehr idyllisch. In ihnen gehen entweder die prachtvollen Gebäude der reichen Bevölkerung dieser Zukunftsfantasie auf oder sie werden von den Baracken der ärmeren Bevölkerung durchbrochen. Daniel Pecqueur entwirft eine Welt, in der ein Mittelweg, die allseits beschworene Mittelschicht, keinen nennenswerten Stellenwert mehr hat.
Ein neuer Ausflug in die Welt von Golden City: In einer Mischung aus Rennfahrergeschichte und Entführungsdrama kann der Leser einem kurzweiligen Abenteuer folgen, das den Auftakt zu einer Serie bildet, denn Daytona steht erst am Beginn seiner Rennfahrerkarriere. 🙂
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