Um ein vortrefflicher Attentäter zu sein, ist die Kenntnis von Örtlichkeiten eine Notwendigkeit. Viel wichtiger ist es jedoch, die Schwachstellen des Gegners zu kennen. Nävis, die den Attentäter aufhalten soll, ist eine Expertin, wenn es darum geht, Schwachstellen bei ihren Feinden zu finden. Sie beeilt sich, den Standort des Attentäters zu erreichen. Ihre Verfolger, wahrlich nicht unbedarft in ihrem Gewerbe, tun sich schwer, auch nur einen Treffer bei ihr zu landen. Doch bei aller Mühe, die sie sich gibt: Am Ende muss doch Plan B herhalten.
Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Als Teil einer Formel vor Gericht mag diese Ankündigung von dem einen oder anderen etwas lasch gehandhabt werden. Auf dem Planeten Absoluta jedoch ist diese Formel kein leeres Gerede. Hier wird Wahrheit gesprochen. Ob man will oder nicht. Jean David Morvan schickt Nävis, die Agentin der Konstituante, in eine Welt, die für jemanden, der sich tarnt, täuscht und natürlich auch für seinen Auftrag lügen muss, ein recht unbequemer Ort ist.
Jean David Morvan legt die Handlung in drei Abschnitten an. Am Anfang steht eine Jagd, von dort geht es in ein Kloster und am Ende steht die Flucht. Doch hinter dieser Oberfläche findet noch etwas anderes statt. Morvan vergisst bisherige Geschehnisse nicht, flechtet weitere Informationen zum Fortgang der Reihe ein. Für Neueinsteiger in die Serie ist es schwierig, über diesen Teil hinweg zu lesen. Nävis, die Heldin der Serie (Titelbild des Bandes: die Figur in der Mitte), ist stets ein sehr starrsinniger Charakter gewesen. Ihre Auffassung von Gerechtigkeit, auch Recht, von Freiheit und Freundschaft haben sie mehr als einmal anecken lassen. Wer sie hier zum ersten Mal kennenlernt, wird nicht auf einen besonders zugänglichen Comic-Charakter stoßen.
Aber: Das ist auch das Schöne an der Serie. Morvan lässt seine Comic-Heldin leben. Bei Nävis (selbst wer die Reihe nicht verfolgt hat, kann das anhand der Handlung erahnen) hat sich eine ordentliche Portion Verbitterung angesammelt. Der Starrsinn wurde hierdurch noch vertieft. Die Beschreibung mag ein Bild eines eigensinnigen Kindes vermitteln, aber Nävis ist darüber hinaus eine Agentin und eine sehr fähige dazu. Nur ihre Professionalität hält sie aufrecht, so mag es in mancher erklärenden Szene wirken.
Die gute Charakterzeichnung Morvans ist eines, die stilistisch sehr saubere, klare und mit Hang zum Perfektionismus umgesetzte Grafik von Philippe Buchet ist der andere Garant für die Vorzüglichkeit dieser Space Opera. Ist Nävis mit hoher Korrektheit menschlicher Anatomie gezeichnet worden, sind es besonders die Außerirdischen, die einen hohen Reiz von SILLAGE ausmachen. Abgesehen davon, dass Nävis sowieso der einzige Mensch in dieser Serie ist, gibt sich Buchet bei den fremden Wesen ganz besondere Mühe. Im Kloster (ich nenne es so, ohne zu viel verraten zu wollen) haben sich viele unterschiedliche Exemplare versammelt, die durch ihre Gestaltung ein weiteres Leben-Element der Reihe sind.
Klare Gestaltung bis in den kleinsten Knopf und die Gürtelschnalle. Buchet zeichnet einen Comic, das steht außer Frage und die Gestaltung versucht auch nicht, diesen Umstand zu übertünchen. Aber Buchet ist dennoch höchst realistisch. Wenn er es zeichnet, dann soll es auch so aussehen, als könne es funktionieren. Wer von anderen Sternenepen her ein gebraucht ausschauendes Universum gewöhnt ist und diese Form der Space Opera mag, liegt hier mit der Optik goldrichtig.
Ein faszinierendes SciFi-Universum: Nävis kann als vielschichtiger Seriencharakter weiterhin überzeugen. Die Grafiken von Philippe Buchet dürften jedem Fan von Space Operas durch ihre frische, genaue und farblich stimmige Umsetzung Spaß bereiten. Top. 🙂
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