China. Die geheime Einsatzgruppe Women On War, kurz W.O.W., ist in ihrem zugewiesenen Gebiet angekommen. Die Begrüßung fällt sehr unangenehm aus. Eine japanische Zero schießt ihr Transportflugzeug ab. So hatten sich die als Nonnen verkleideten Frauen ihre Ankunft nicht vorgestellt.
Glück im Unglück heißt es für die außergewöhnlichen Frauen, als sie erleichtert feststellen, dass sie außer den beiden toten Piloten im Cockpit noch einen Piloten unter den Passagieren haben – dieser ist leider stark alkoholisiert.
Und betet, dass meine Leber durchhält. Sofort macht er sich ans Werk. Um die Maschine zu retten, ist es bereits zu spät. Jetzt geht es nur noch um Leib und Leben, denn die Zero hat bereits umgedreht, damit sie einen neuen Angriffsflug starten kann.
Die W.O.W. lassen sich nicht auf Dauer von solchen Widrigkeiten beirren. Ihre Fähigkeiten sind die Garanten für eine erfolgreiche Mission. Die jüngste in der Gruppe, Deckname Poison Ivy, kann mit ihrem Kuss töten. Boston Iceberg kann mit einer Berührung alles zu Eis erstarren lassen. Memory kann in Blitzgeschwindigkeit alles lernen, Gorgon Lady ist zwar blind, dafür verfügt sie über ein übermenschlich gutes Gehör. X-Raymonde ist telepathisch sehr begabt. Und Yum Yum Jaw ist die Frau für’s Grobe. Als Kannibalin ist sie dazu auserkoren, unliebsame Wachen außer Gefecht zu setzen.
Besondere Fähigkeiten sind noch kein Ersatz für gute Planung und Ausführung. Das müssen die sechs Frauen mit Sonderbefehl vom Präsidenten der Vereinigten Staaten bald feststellen. Poison Ivy ist außerdem enttäuscht. Ihr Bruder, den sie bei den Flying Tigers wähnte, einer amerikanischen Fliegereinheit, die dem chinesischem Oberbefehl unterstellt ist, hat sich unerlaubt ein Flugzeug genommen, um gegen die japanischen Feinde zu kämpfen. Seither gilt er als verschollen.
Es bleibt keine Zeit zum Trauern. Die chinesische Stadt Loiwing droht vom Feind mit Brandbomben angegriffen zu werden. Die W.O.W. haben sich geschworen, diesen Angriff unschädlich zu machen. Zu diesem Zweck haben sie sich einen waghalsigen Plan ausgedacht. Werden sie ihren Auftrag ausführen und lebend zurückkehren können?
In Poison Ivy 2 – Flying Tigress gehen die Abenteuer der Women On War nahtlos dort weiter, wo sie in der ersten Ausgabe endeten. Philippe Berthet und Yann erlauben sich neben einem ordentlichen Abenteuer-Feuerwerk einige Anspielungen auf bekannte Figuren aus Historie, Film und Comic.
Der rothaarige Pilot, der den W.O.W. das Leben rettet, erinnert ein wenig an Sonny Tuckson aus den Rex Danny-Comics. (Manchmal auch Buck Danny genannt.) Witzigerweise heißt der Pilot, der Sonny so ähnlich sieht, auch noch Sonny. Die W.O.W. finden sich bald im Lager der Fliegenden Tiger wieder (auch einst ein Thema bei Rex Danny). In einer ganz kleinen Szene findet sich einer jener Helden, der sogar die Hauptfigur einer amerikanischen Fernsehserie werden durfte. Greg Boyington, auch als Pappy Boyington bekannt, war 1942 erwiesenermaßen Angehöriger der Flying Tigers. Berthet und Yann nutzen die Legende der Jagdflieger für einen kleinen Witz, der das Fliegerass in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt.
Gegenüber des ersten Bandes, der sich der Einführung der verschiedenen Figuren, insbesondere der W.O.W., gewidmet hat, ist der Abenteuer-Charakter noch stärker geworden. Wer sich für eine gelungene Mischung aus 3 Engel für Charlie, Indiana Jones, Agenten-, Kriegs- und Mystery-Abenteuer begeistern kann, liegt mit der Lektüre der Fortsetzung von Poison Ivy goldrichtig. Oben drauf gibt es noch eine gute Portion Humor und fertig ist der Lesespaß.
Bei genauerer Betrachtung sind es die einzelnen Bestandteile, die sehr sorgsam gemischt wurden und so einen ungewöhnlichen Comic entstehen ließen. Die Prise Mystery entsteht durch die Fähigkeiten der Agentinnen. Der Schauplatz, das umkämpfte China, bietet reichlich Action und reißt den Leser sehr schnell mit. Die Luftkämpfe und Verteidigungskämpfe sind hochdramatisch geschildert und gezeichnet. Die Kapriolen am Himmel, mit der sich amerikanische (eigentlich chinesische) Curtiss P40 und japanische Zeros bekriegen, sind eindrucksvoll gestaltet und stehen den Klassikern des Comics auf diesem Gebiet in nichts nach.
Das Agentenszenario wird gehörig veralbert, wenn sich die als Nonnen verkleideten Agentinnen als Angehörige des Dritten Reiches gegenüber den Japanern ausgeben. Hier, bei einem der Achsenmächte des Zweiten Weltkriegs, ist man wenig begeistert über die Anwesenheit dieser merkwürdigen Betschwestern. Bei der kleinsten Aggression heißt es für die Damen: Kopf ab. Ein kleiner Sergeant ist nur zu gern bereit, zu diesem Zweck sein Katana auszuprobieren. In bester Manier, wie es schon in der Reihe Peter und Alexander geschah, werden hier die Asiaten durch den Kakao gezogen.
(Witzigerweise finden sich auch hier wieder Moskitos, die auch schon in der erwähnten Abenteuer-Reihe mit den beiden Freunden zur Geheimwaffe werden sollen. Ein zufälliger Gedankenstreich oder eine kleine Hommage an einen anderen Klassiker?)
Zuerst macht die Geschichte einen verschachtelten Eindruck. Schließlich werden verschiedene Handlungsstränge verfolgt. Aus der ursprünglichen Mission wird sehr schnell eine Rettungsaktion, bis es wieder in den Endspurt geht, der in eine Materialschlacht mündet. Die Zeichnungen und die schlichte, aber sehr plastische Kolorierung geben den Bildern Trickfilmcharakter.
Für die W.O.W. ist es dank ihres Mentors Roosevelt noch lange nicht das Ende. Auch für Tinkleberry und seinen Freund ist die Geschichte noch nicht aus – ihr Schicksal muss sich noch aufklären. Ein rasantes Abenteuer mit viel Spaß und spannenden Wendungen erzählt.
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