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Comic Blog


Dienstag, 26. Oktober 2010

Monsieur Mardi-Gras – Unter Knochen 4

Filed under: Mystery — Michael um 17:30

Monsieur Mardi-Gras - Unter Knochen 4 - Die Formel der WiederauferstehungHerr Ascherwittwoch, das Skelett mit der Kaffeemühle auf dem Kopf, der diese Existenz für einen schlechten Witz hält, der sich nichts sehnlicher wünscht, als wieder in sein altes Leben zurückkehren zu können, versucht den anderen Skeletten die Wahrheit zu sagen. Und Mut zu machen. Aber sie wollen keinen Mut. Sie wollen rein gar nichts von dem Leben auf der Erde mehr. Keinesfalls das allgegenwärtige Schlechte, die Krankheiten, die Bösartigkeiten, das Leiden. Auch nicht das Gute. Denn hier gibt es keine Fragen mehr nach dem Sinn des Lebens. Hier muss niemand mehr irgendetwas hinterher jagen. Hier ist endlich Frieden. Ohne Organe. Ohne Fleisch und Haut. Es gibt nur noch das Grau, die Nebelschwaden und den düsteren Himmel. Aber der Friede ist auf ewig.

Eric Liberge lässt im Vorwort zum 4. Band, oder auch Nachwort zur gesamten Serie, je nachdem, durchblicken, dass das Zustandekommen allein des ersten Bands kein Zuckerschlecken war und nicht grundsätzlich auf Zuspruch gestoßen ist. Das verwundert nicht. Skelette sind als Hauptdarsteller gewöhnungsbedürftig, wenn sie nicht von Hollywood ausgebrütet werden und Piratenschiffe befahren. Und wer allein einen Blick auf das Titelbild des vierten und abschließenden Bandes wirft, erhält sehr schnell einen Eindruck von dem, was den Leser auch inhaltlich erwartet: Komplexität. Das gilt für die Erzählung einerseits, wie auch für die Grafiken andererseits. Jeder Band der vierteiligen Reihe darf ruhig mehrmals gelesen werden, jedes einzelne Bild darf und sollte mehrmals bestaunt werden.

Das ist ein Albtraum: Der Leser begegnet einer Welt im Umbruch. Hatten sich die Skelette an ihr Leben in dieser Existenzphase gewöhnt, hatten sie einen neuen Namen erhalten, bricht nun alles zusammen. Plötzlich erinnern sie sich an den Namen ihres früheren menschlichen Lebens. Dies ist eine der schockierenden Szenen der Handlung (wenn man sich auf sie einlässt). Mit dem alten Namen kommen die Erinnerungen an ein früheres Leben und die Erkenntnis, verstorben zu sein. Aus der Erkenntnis wird in gewissem Sinn ein zweiter Tod, eine Erfahrung, den alle auf einmal teilen: Chaos entsteht aus tiefster Verzweiflung.

Eric Liberge gelingt die große Kunst, die vielen kleinen und großen Emotionen in die Gesichter und Haltungen von Skeletten zu stecken. Auf den Leser wartet die große Kunst, sich in diese apokalyptische Welt zu versenken. Gelingt es ihm nicht, hat er etwas verpasst. Es ist ein Comic, der ein Stück abseits des Mainstreams läuft. Er ist unterhaltend, keine Frage, doch ganz selten nur entstehen Comics oder auch Graphic Novels derart komplex und aufwendig. Ob es tiefgründig und hintersinnig ist, muss jeder für sich selbst entdecken und entscheiden.

Grafisch mag der Leser vom Thema halten, was er will, der starke Arbeitsaufwand ist in jedem Fall unübersehbar. Das Fegefeuer, dieser Vorhof zur Hölle, irgendwo draußen zwischen den Sternen, die kathedralenähnlichen Bauten, die allgegenwärtige Weltuntergangsstimmung, auch eine Art unheimlicher Komödie, in schwarz, graublau, kaltes rot und braun getaucht, fein ziseliert. Es ist diese Kleinstarbeit, die eine ungeheuer dichte Atmosphäre erzeugt. Liberge gelingt es sogar, Mitleid im Leser zu wecken. Wenn Skelette, denen nichts mehr geblieben ist, die zur Instandhaltung ihrer Knochen auf Ersatzteile angewiesen sind, dennoch bis auf den oberen Schädelteil zusammenschrumpfen, in dieser Unbeweglichkeit gefangen sind und dem Alptraum um sie herum hilflos mitzusehen müssen, dann kippt die Komik ins Tragische.

Ein ausführlicher Abschluss. Jeder mag für sich entscheiden, ob es ein im hollywoodschen Sinne gutes Ende ist. Ein beeindruckendes Ende ist es allemal, textlich und bildlich. 🙂

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