Richard Drake, der Abenteurer, ist zurück in London. Doch eigentlich will er gleich wieder weg. Irgendwie sagen ihm die Salons und Festlichkeiten, die Riten der oberen Klasse nicht so recht zu. Aber was soll er machen? Denn hier findet er das Geld, um seine nächste Expedition zu finanzieren. Eher nebenbei findet der bärbeißige Mann auch noch die Liebe. Diese will jedoch erkämpft sein. Seine Auserwählte, die junge Catherine Lacombe, kann er zunächst nicht beeindrucken. Ihr Verhältnis ändert sich schlagartig, als ein Unbekannter in der Verkleidung eines Dieners Catherine pfählen will.
Die Geschichte des mit Hammer und Pfahl bewaffneten Mannes hört sich hanebüchen an: Er behauptet von sich, ein Vampirjäger zu sein. Eigentlich war Miss Lacombe nur nebensächlich. Das eigentliche Ziel war ein gewisser Lord Faureston, ein langhaariger blonder Dandy, der plötzlich in der Gesellschaft auftauchte und seither für allerhand Gesprächsstoff sorgt. Drake, der vieles von der Welt gesehen hat, aber noch nie einen leibhaftigen Vampir, hält den dürren Mann, der so kleinlaut ein Geständnis ablegt, für einen harmlosen Irren.
Das ist er natürlich nicht! Die beiden Macher von Garulfo, der Autor Alain Ayroles und der Zeichner Bruno Maiorana, sind zurück. Sie haben sich von den Märchen abgewandt und nehmen sich nun des Vampirthemas an. Es beginnt klassisch, viktorianisch, es wirkt vertraut und doch erkennt der Leser niemanden aus der originalen D-Geschichte wieder.
Wer Garulfo gelesen hat und auf den gleichen Humor hofft, wird leider enttäuscht. Natürlich gibt es auch humorvolle Stellen, nicht zuletzt durch einen verhinderten Vampirjäger, dessen bestechendes Charaktermerkmal eine ausgeprägte Schüchternheit ist. Man könnte sagen, dass Ayroles und Maiorana auf ihre Art Dracula neu erzählen.
Der Vampir, der ungebetene Gast. Lord Faureston, ein Mann, der auffällt und auch während des Tages gesichtet wird. Bruno Maiorana macht aus dem Vampir (leider ist es für den Leser kein Geheimnis, dass er einer ist) eine schmale, fast schon modellhafte Kreatur. Es ist eine sexuelle Figur, wenigstens für seine Opfer, und wird auch nur sehr behutsam eingesetzt. Lord Faureston ist die Bedrohung und bleibt, auch für den Leser, undurchsichtig. Der Gesamteindruck eines schleichenden Jägers ist sehr gelungen.
Sein Gegenspieler, Richard Drake, ist ein Held im Stile eines Sean Connery in seinen besten Jahren. Wo Faureston mit toter Leidenschaft lockt, ist Drake Leidenschaft in allem, was er macht. Ob er selber jagt, ob er liebt oder ganz einfach lebt. Maiorana und Ayroles schaffen einen Helden, der in der feinen Gesellschaft eingeht, der aus den Nähten platzen möchte, wenn er nur einatmet.
Für den Leser bedeuten die Figuren wie auch die gesamte Inszenierung eine hohe atmosphärische Dichte. Maioranas Bilder besitzen ihren ganz eigenen Stil aus Eckigkeit und Zerbrechlichkeit. Maiorana ist ein Charakterzeichner. Individuelles Aussehen seiner Figuren erhöht den Reiz der Handlung, äußerliche Gegensätze, wie hier der beiden Jäger und des späteren Sidekicks heben D aus der Masse anderer Vampir-Geschichten, ganz gleich aus welchem Medium, hervor.
Spannend, anders, wie zuletzt bei Garulfo, jenem Hauptwerk des Künstlerteams, allerdings müssen die Leser auf den Humor verzichten, dafür wurde der gruselige Kern der Handlung sehr gut herausgearbeitet. 🙂
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