Wilhelm von Tyrus und der junge König Balduin leben noch! Die Hintermänner, die den Jungen und seinen bischöflichen Mentor tot sehen wollen, erhöhen den Druck auf ihre Handlanger. Wilhelm und Balduin indes werden durch den Fehlschlag ihrer Feinde in ihren Bemühungen zur Aufklärung der Ereignisse nur angespornt. Im Heiligen Land sind aber nicht nur Christen in die Geschehnisse verwickelt. Auch Saladin, der Anführer der im Lande ansässigen Heerscharen, weiß von dem, um das es im Kern des Ganzen geht: Ein fünftes Evangelium. Nicht auszudenken, was eine solche Schrift unter der Christenheit und, noch viel wichtiger, in den Reihen der Kirche, anrichten könnte. Doch vorerst ist das unbekannte Schriftstück verschwunden, obwohl die Bemühungen allseits immer größer werden, diesem Text auf die Spur zu kommen.
Meister und Schüler auf beiden Seiten. Autor Jean-Luc Istin kennt sein Metier. Das hat er mit Die Druiden, Das Reich Sienn, aber auch in extremer Form mit Der Herr der Finsternis bewiesen. Istin stellt einem guten Duo ein böses Duo gegenüber. Zwei Mentoren, zwei Schüler, letztere beide gezeichnet. Beide betrachten das Zeichen offenbar als Gabe. Rückblicke werden mit gegenwärtigen Ereignissen verglichen. Während der eine sich dem Hass ergibt, versucht der andere seine Fähigkeiten in die Bahnen zu lenken, die seinem Volk und seinem Gott dienen können.
Aber Istin ist als Erzähler kein Schwarzweißmaler. Beispielhaft nimmt er Wilhelm von Tyrus her, der die Folter an einem Gefangenen zur Erlangung von Informationen nicht nur duldet, sondern auch nachdem sie nicht mehr erforderlich ist, sie als Strafmaßnahme begünstigt. Istin zeigt Wilhelm als Mann, der sich nicht gut dabei fühlt, es aber immer noch als notwendig erachtet, da er seinen Gefolgsleuten diese Maßnahme in gewisser Weise auch als Belohnung zugesteht. Kurzum, es wird zwar nur sehr wenig von der Prozedur gezeigt, wie auch von sonstigen Kämpfen und Gewaltausbrüchen, aber diese von Istin gezeigte Welt ist brutal. Legt man entsprechende Quellen der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zugrunde, sind die von Istin angeführten Szenen nicht einmal übertrieben.
Thimothee Montaigne, ein junger Künstler, beherrscht eine eher klassische Technik. Seine Bilder ähneln den Werken eines Mathieu Lauffray (Prophet), ein wenig einem John Buscema und einem Alan Davis. Es finden sich Anleihen von Mangas, sehr eindrücklich zu sehen in einer Rückblende gleich zu Beginn. Mittels sehr betonter Schwarzflächen, starker Umrisse nimmt Montaigne das Auge des Lesers gefangen. Stetig wechselnde und sehr gut ausgeführte Perspektiven zeugen von einem cineastisch geprägten Auge des Zeichners. Montaigne erhält neben ruhigen Momenten und Szenen der Aktion auch Gelegenheit die Gruselelemente in der Geschichte herauszuarbeiten. Gerade diese Bilder sind atmosphärisch sehr dicht und einprägsam.
Ein sehr dichter und interessanter zweiter Teil, der eine Reihe von Fragen klärt und nun den Abschluss einläutet. Thimothee Montaigne ist ein Zeichner, von dem angesichts seines Stils noch einiges zu erwarten sein dürfte. 🙂
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