Wo ist Laverdure? Um diese Frage zu klären ist Tanguy sogar bereit, sich durch einen engen Kamin zu zwängen, um an Informationen zu gelangen. Die Schlittenhunde, die in der Hütte aufpassen, lassen sich durch eine zusätzliche Mahlzeit besänftigen. Wenig später macht er sich in Begleitung eines Inuit auf den Weg. Eine Spur scheint brandheiß zu sein. Wie heiß, zeigt sich kurz darauf: Die Besatzung eines kleinen Transportflugzeugs will Tanguy und seinem Begleiter nicht erlauben, das eigens gesteckte Ziel zu erreichen. Es hagelt Kugeln und Granaten. Tanguy ist wieder einmal in Lebensgefahr.
Asterix war schuld! Der Erfolg des kleinen Galliers schien es Albert Uderzo vor langer Zeit, nach der 8. Episode von Tanguy und Laverdure unmöglich zu machen, die Fliegerreihe fortzusetzen. Jean-Michel Charlier war strikt gegen das Aussteigen des Zeichners. Doch Uderzo hatte eine Lösung: Er wollte erst gehen, wenn ein entsprechend fachmännischer Nachfolger eingearbeitet war. Und so fand sich Joseph Gillain, besser bekannt als Jije.
Bevor es jedoch in diesem Band an den Schichtwechsel geht, darf der Leser eine kleine einseitige Episode in Augenschein nehmen, die stark an den Klassiker Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten erinnert. Anstelle eines Gert Fröbe steigt allerdings Tanguy im Ballon auf. Stolz und in militärischer Pracht gekleidet, steigt der Offizier gen Himmel, nur um von einem Laverdure mit einem neuen Raketenexperiment wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht zu werden.
Aus Spaß auf einer Seite wird ein eiskaltes Abenteuer in der Arktis in Albumlänge. Laverdure ist verschwunden. Und mit ihm seine Mirage. Letzteres ist wichtig, doch Tanguy macht sich mehr Sorgen um seinen Freund. Im Abenteuer Cap Zero, auch titelgebend für die dritte Gesamtausgabe, wird der Wechsel der beiden Zeichner vollzogen. Blättert man durch die Seiten, kann man (in diesem Falle ich) von einem schleichenden Wechsel sprechen. Vergleichbare Fälle gibt es in der Comic-Literatur bereits (wie z.B. bei Blueberry), allerdings ist es nur selten so fließend und beinahe unmerklich vor sich gegangen.
Das Wörtchen beinahe ist hier von Bedeutung, denn: Jije ist sehr gut, aber Uderzo ist besser. Der Strich von Uderzo ist feiner, genauer, er wirkt druckreifer. Jijes Technik ist näher an einem Jean Giraud (früherer Zeichner von Blueberry). Der Tuschestrich ist künstlerischer, markiger, energischer, impulsiver, auch ein wenig wie bei Jordi Bernett. Jeder für sich ist ein phantastischer Zeichner, aber Uderzo ist auf seine Art nicht nur Künstler, sondern auch ein Komödiant. Besonders ein Laverdure wurde von ihm mit großer Eindeutigkeit festgelegt, während ein Tanguy eher ein Bond ist, dem es rein äußerlich egal ist, ob er von einem Connery, einem Lazenby, einem Dalton oder einem Brosnan gespielt wird. Mit schwarzen Haaren und kantigem Kinn könnte die Figur des Tanguy auch sofort als Michel Vaillant anfangen.
Insgesamt aber, Zeichnervergleich hin oder her, ist die Mischung aus stimmigen Charakteren, Abenteuer und Fliegertechnik weiterhin in der Richtung unterwegs, die Jean-Michel Charlier beizubehalten wünschte. Es müssen goldene Zeiten gewesen sein, als ein Zeichner eine erfolgreiche Serie verlassen konnte, um sich nur noch einem kleinen Gallier zu widmen. Nach Cap Zero bestritt Jije Piraten des Himmels allein, ein Abenteuer im Stile eines Bob Morane, während der Nachfolger Sondereinsatz eher im Sinne eines James Bond daher kommt, inklusive Skiabfahrt und geheimnisvollem Fremden mit Augenklappe.
Eine geballte Ladung Abenteuer mit kaum merklichen Zeichnerwechsel. Jean-Michael Charlier erzählt, doch Uderzo hört auf und übergibt den Zeichenerstift an Jije. Geballte Action quer durch die Klimazonen mit immer neuen Überraschungen. War Top, bleibt Top! 🙂
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