Ein Mädchen darf nicht schießen. Ein Mädchen wird niemals ein Revolvermann. Niemals. Doch Aileen Ritter, die Nichte des Ausbilders der Revolvermänner, sieht das vollkommen anders und ist nicht gewillt, sich mit althergebrachten Regeln zu begnügen und diese zu befolgen. Darüber hinaus verfügt Aileen nicht nur über den Willen, mit Waffen umzugehen. Sie besitzt außerdem eine einzigartige Begabung, die sie bereits jetzt besser mit Waffen umgehen lässt als so manchen Anwärter. Allerdings nutzt die größte Begabung nichts, wenn doch die Tradition ein Hindernis bildet, das höher als die höchste Mauer ist. Roland Deschain weiß von alldem noch nichts. Vorläufig machen sich seine Freunde Sorgen um ihn, denn die Beeinflussung durch Mayrlyns Pampelmuse wirkt noch nach.
Die Helden sind zurück, aber von Frieden ist noch keine Spur in Sicht. Denn Verrat bedroht die Revolvermänner, die alten ebenso wie die frischgebackenen, denen der Neid derer im Nacken hängt, die erst dem Waffenmeister gegenüber treten müssen und nicht mit einem fernen Abenteuer prahlen konnten.
Die Vorkommnisse der ersten beiden Teile, die dunklen Geschehnisse, die Gewalt, die Trauer und die Flucht bilden eine sehr finsteren Komplex, der zunächst bei Beginn des dritten Teils abgeschlossen scheint. In Wahrheit wird den Helden und somit auch dem Leser nur eine (sehr) kurze Verschnaufpause gegönnt, bevor die dunklen Mächte wieder in das Schicksal der aufrechten Männer von Gilead eingreifen. Vergebliche Wünsche, Hoffnungen, Intrigen, auch furchtbare Irrtümer prägen die Fortsetzung. Insgesamt ist die Handlung voller Verzweiflung, ein jeder scheint hier gefangen zu sein. Die Geschichte ist von Anfang an eine tickende Zeitbombe, die sich in einer Szene am Ende entlädt. Danach kann nichts mehr kommen (vorerst jedenfalls), denn dies ist der Gipfel einer Tragödie, die im ersten Teil begann.
Robin Furth, Peter David und selbstverständlich Stephen King erzählen mit sehr großer Dichte und Eindringlichkeit ein Abenteuer, für das der Begriff Fantasy nicht passend genug ist. Vielmehr könnte King ein eigenes Genre begründet haben. Der dunkle Turm wirkt (wie die Romane auch) wie von einem Traum inspiriert. Manches ist zunächst verschwommen, wie nach dem Aufwachen, doch bei genauem Nachdenken ergibt einiges einen Sinn, anderes muss durch Weiterblättern ergründet und herausgefunden werden.
Jae Lee, der Meister der dunklen Form, und Richard Isanove, Meister des milchigen Farbauftrags, ergeben zusammen einen Künstler, eine Art Caravaggio des Comics. Einiges an ihrer künstlerischen Technik, insbesondere beim Farbauftrag, wird durch moderne Computerkolorierung erleichtert, aber nicht ersetzt. Dunkle Partien, heller Glanz, starke Gegensätze bestimmen die Bilder. Die Szenen wirken jeweils gestellt, aufgestellt, in Position gebracht, wie Standbilder auf einer Bühne. Die Wirkung ist nicht falsch oder künstlich, im Gegenteil, eher grandios, große Comic-Oper.
Manchmal fühlt man sich bei Inszenierung an alte Schwarzweißgruselfilme erinnert, in denen noch der Stummfilm nachwirkte und das Theater noch einen starken Resteinfluss auf die Kameraführung besaß. Ähnlich ist Wirkung hier, wenn die Schwerpunkte zwischen Bild und Text (dann meist erzählend aus dem Off) genau austariert sind. Jae Lee und Richard Isanove verlieren sich nicht in Details. Die Hintergründe liegen häufig in diffusen Lichtern und Nebeln verborgen. Mal ist es hell, mal dunkel, stets aber ist der Leser im Ungewissen, was ihn hinter diesen Farben oder besser, was die Helden dahinter erwarten wird. Das Surreale der Bilder stützt die Handlung auf perfekte Weise.
Weiterhin eine großartige, wenn auch sehr eigenwillige Erzählung, die sicherlich nicht jedermanns Sache ist. Wer Geschichten von Stephen King mag, muss noch lange nicht den dunklen Turm mögen. Ein grafischer Augenschmaus, auch mit der selben Eigenwilligkeit gezeichnet und koloriert. Herausragend, für Fans ein Muss, Interessierte sollten zuerst einen Blick in die Online-Seitenvorschauen werfen. 🙂
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