Nach seinem letzten Kampf ist der namenlose Junge schwer angeschlagen. Fever, die blinde Frau, die ihn und die kleine Evening Cloud bei sich aufgenommen hat, weiß nun, was zu tun ist. Ihr Reiseziel lautet: New Orleans.
Dieser einzigartigen amerikanischen Stadt haftet immer noch ein magisches Flair an. Dies trifft sogar im wahrsten Sinne des Wortes zu, wie Fever behauptet. Sie besitzt ein herrschaftliches Haus, wohl behütet von einer alten Freundin. Der namenlose Junge, manchmal auch Running Wind genannt, fühlt sich für einen kurzen Moment sich, wenn nicht auch glücklich in der Gesellschaft seiner beiden Freundinnen.
Aber die Vergangenheit holt alle ein. Vor vielen Jahren verließ Fever die Stadt – der Liebe wegen. Nun ist ihr Geliebter von einst wieder da. Alles ändert sich, man könnte auch sagen, es ist, als habe sich nie etwas geändert. Auch Evening Cloud verliebt sich. Plötzlich ist der namenlose Junge allein und aus dem 5000 Jahre alten, unsterblichen Wesen wird wieder ein kleiner Junge, der sich schlicht vernachlässigt fühlt.
Er reißt aus.
Leider ändert er dadurch nichts. Im Gegenteil, denn seine Erzfeindin Ahmasi, unsterblich wie er, hat längst seine Spur wieder aufgenommen. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf.
In der 2. Episode von Vampire Boy mit dem Titel Der Fluch erfährt der Leser sehr viel Neues von dem kleinen Vampir wider Willen.
Der Junge ohne Namen hat ein ähnliches Problem wie Claudia in Interview with a Vampire. Er altert nicht und wird nie erfahren, wie es sein wird, ein Erwachsener zu sein. Er hat trotzdem die Erfahrungen unzähliger Menschenleben, die Anhäufung eines Wissens, um das ihn noch mehr Menschen beneiden würden. Leider belastet sein unsterbliches Leben auch seine Psyche. Nach 5000 Jahren im Körper eines Kindes ist der Junge ohne Namen einem Ende dieses Lebens nicht abgeneigt. Doch da gibt es Hindernis.
Dieses Hindernis heißt Ahmasi. Die ehemalige Geliebte des Pharaos aus dem alten Ägypten lebt eine völlig zügellose Unsterblichkeit. Sex und Gewalt gehören zu ihrem Charakter, der Hass auf den Jungen ohne Namen treibt sie an. Endlich will sie die einzige Unsterbliche des Planeten sein.
Damit verhält sie sich vollkommen entgegengesetzt zu Running Wind, wie der Junge auch von seinen neuen Freunden genannt wird – etwas, das Ahmasi niemals erfahren wird, denn sie benutzt die Menschen nur. Freunde sind ihr vollkommen fremd. Erneut erzählt Autor Carlos Trillo anhand einiger sehr prägnanter Beispiele, wie diese gegensätzlichen Eigenschaften der Hauptcharaktere sie durch die Jahrtausende getrieben haben. Die Unschuld des Jungen ohne Namen und die Durchtriebenheit von Ahmasi hoben sich auf der Waage der Ereignisse stets gegeneinander auf. Außerdem sind beide noch mit der gleichen Schwäche ausgestattet, die im vorliegenden Band ein deutliches erzählerisches Gewicht erhält: Nur bei Sonnenlicht regenerieren ihre Kräfte und Verletzungen.
Letzterer Aspekt stellt immer wieder die Grundlage für gegenseitige Attacken. Carlos Trillo verwendet diese Schwäche, um den Leser deutlich in die Irre zu führen. Zeichner Eduardo Risso hilft ihm dabei durch seinen exakten, unaufdringlichen Zeichenstil, besonders im zweiten Teil der Geschichte. Teilweise darf der Leser dabei durch Ahmasis Augen sehen oder auch als versteckter Zuschauer anwesend sein – der sich besser nicht selber blicken lässt.
Ein erzählerischer und optischer Trick, der Spaß macht.
Gnädigerweise verzichtet Risso darauf, Ahamasis Gewaltorgien allzu deutlich in Szene zu setzen. Schattenspiele, angedeutete Endergebnisse, all diese Ansichten genügen, um die Phantasie des Lesers anzuheizen – was vermutlich noch drastischere Bilder hervorruft.
Der Junge ohne Namen weiß inzwischen, dass die Schwäche der beiden für beide zu keinem Ergebnis führen wird. Carlos Trillo führt die Geschichte in eine neue Richtung. Die Lösung liegt in der ägyptischen Vergangenheit. Ein Fluch soll dem Jungen helfen, die Feindin zu besiegen und wie sich zeigt, ist diese Hilfe dringend nötig.
Geschickt und spannend erzählt, mit außerordentlich gruseligen Ausflügen in die Vergangenheit der beiden Hauptcharaktere, läutet die zweite Episode den Endspurt der Handlung ein. (Leider muss sich der Leser arg bis zur Fortsetzung gedulden, denn lange wurde die Spannung bis zum Schluss nicht mehr so auf die Spitze getrieben.)
Besser kann gepflegter Horror und Grusel in diesen Tagen kaum sein. 😀