Ein Friedhof, ein offenes Grab, ein Unhold verübt ein unbeschreibliches Verbrechen, dass selbst den erfahrenen Detective Dietz nach so vielen Jahren Dienst schockiert. Die Beschreibungen eines Augenzeugen machen den Fall umso rätselhafter. Aber Dietz lässt sich nicht irritieren. Er vertieft sich in die reinen Fakten, drängt seine aufgewühlten Gefühle in den Hintergrund. Leider sind die Fakten nicht so, wie er es gerne hätte: Sie werfen weitere Fragen auf und mögliche Antworten lassen keine rationalen Schlüsse zu.
Dietz befindet sich scheinbar auf der Spur eines Unholds, der seit hunderten von Jahren verstorben ist. – Was natürlich Unsinn ist. Aus Dietz’ Sicht.
Es bleibt nicht bei einem Toten. Bald werden Dietz und sein Kollege Bennett zu einem weiteren Tatort gerufen. Die nächste Tat ist schlimmer als die vorherige. Eine Gruppe ausgewachsener Männer umringt die Toten und kann es kaum fassen. Dietz und Bennett überspielen ihren Schock. Der Tag war lang. Dietz fährt nach Hause, er macht es sich bequem, sofern das nach all den Ereignissen möglich ist.
Plötzlich fährt ihm der Schrecken in die Glieder. Dietz erhält ungebetenen Besuch. Doch Dietz ist nicht ängstlich, er macht sich an die Verfolgung des Unbekannten und streckt diesen mit seiner Schusswaffe nieder. Die Freude währt nur kurz und wird schnell durch eine Überraschung abgelöst. Dietz hat den Falschen erwischt.
Die Toten stellen sich auf Dietz’ Seite. Leider nützt Dietz diese Verstärkung nicht sehr viel, denn der Mörder ist uralt, verschlagen und mächtig. Selbst die Toten haben ihm kaum etwas entgegen zu setzen. Schließlich gerät selbst Dietz’ Familie in Gefahr.
The Lurkers ist eine sehr dicht erzählte Horror-Geschichte. Ein Polizist gerät ungewollt in eine Welt der Schatten, des Zwielichts und wird mit Gestalten, Legenden und dem Grauen konfrontiert, die er bislang eher für pure Phantasie gehalten hat. Dietz ist ein waschechter Cop, lang gedient, erfahren und abgeklärt. Der erste Fall, der noch kein Mord ist, mit dem er es hier zu tun bekommt, geht selbst ihm hart an die Nieren. Weit aufgerissene Augen künden von dem Schrecken, der von den Fundorten ausgeht.
So muss es sein, wenn man den Verstand verliert. Wenn man anfängt Dinge zu sehen. Dietz, der Cop, der glaubte, den Durchblick zu haben, erlebt die Welt plötzlich aus einer völlig neuen Sicht.
Autor Steve Niles und Zeichner Hector Casanova nehmen den Leser mit auf eine Reise in eine verwunschene Wirklichkeit, die nichts als die Nacht oder wenigstens die Dunkelheit kennt.
Die Erzählung geht konsequent ihren Weg von Beginn an. Es findet sich keine zögerliche Stelle, keine Irreführung des Lesers, obwohl dieser mal mehr als Dietz weiß (oder zu wissen glaubt), mal auf dem gleichen Wissensstand ist wie der Hauptcharakter. Zu Beginn lässt es sich noch annehmen, dass der Irre vielleicht doch noch menschlicher Natur ist. Später hat der Leser das Wissen um die Übernatürlichkeit Dietz voraus.
Steve Niles erfindet eine neue Grusel-Legende, ähnlich der von Vampiren, Werwölfen oder Ghouls und fügt diesen einen Nachtmahr hinzu, der im Gegensatz zu den eher tierischen Horrorgestalten mit einer enormen Schläue zu Werke geht – und mit der Brutalität eines Gangsters, der einem Cop das Leben schwer machen will. Aber im Grundsatz hat Niles ein Wesen erschaffen, das sich hinter bestehenden Klassikern nicht zu verstecken braucht.
Die Geschichte hat sogar bei aller Dramatik (und einem gewissen Ekelfaktor) etwas Romantisches, was nicht zuletzt an den Toten liegt, die in der Dunkelheit ein beinahe schüchternes Dasein fristen. (Es erinnert ein wenig an eine alte französische Gruselmär.)
Wer den Comic betrachtet, wird möglicherweise Stilähnlichkeiten zu einem anderen Meister des Makabren herstellen können. Hector Casanova setzt die Geschichte von Niles um, wie es vielleicht ein Tim Burton machen würde. Wer Produktionszeichnungen, aber auch die phantastischen Filme wie Corpse Bride, Sleepy Hollow oder Nightmare Before Christmas, dieses außergewöhnlichen Regisseurs kennt, wird auch den gestalterischen Stil dieses Comics ziemlich genau vor Augen haben. Er muss nur die eher putzigen Ausgestaltungen beiseite lassen und die gruseligen Aspekte hernehmen und schon befindet man sich in der Welt des Hector Casanova. Dank ihm gelingt es Dietz’ Feind wirklich, einen Schauer zu erzeugen – er ist richtig eklig, gruselig, am Ende kann der Leser ihn wirklich flüstern hören. So gut finde ich ihn gelungen.
The Lurkers, die in der Dunkelheit lauern, herumschleichen, haben einen hohen Gruselfaktor, sind atmosphärisch gezeichnet und haben mich als Freund von Horrorgeschichten sehr angesprochen. Die Schlusssequenz hat sogar etwas von Poesie, selten in Comics zu finden – aber es funktioniert, wie der gesamte Band, ausgesprochen gut. 😀