Saindoux hat ein Problem. Die Schussverletzung in seinem Bauch wird wahrscheinlich seinen Tod bedeuten. Der gepanzerte Raum der Matroschka, der den eigentlichen Tresor enthält, weist in seiner Tür ein riesiges Loch auf. Saindoux’ Kumpane sind tot, niedergeschossen. Saindoux selbst erwartet mit einer gehörigen Portion Galgenhumor das Ende – und die Polizei. Der Kosak, ermittelnder Polizist, sterbenskrank, kennt kein Erbarmen, aber das kurze Verhör ergibt nichts.
Der als absolut einbruchssicher bekannte Tresor Matroschka wurde geplündert.
Dabei hatte es für William Saindoux doch einigermaßen gut begonnen. Gerade war er im Gefängnis, wurde entlassen, beschloss den Freitod, da erhält er einen Tritt zwischen die Beine und findet sich auf einem Treffen für heruntergekommene Verbrecher wieder. Gorgo, ein bekannter und berüchtigter Einbrecher, plant, sich aus dem Berufsleben zurückzuziehen.
Dem äußerst radikalen Verbrecher scheint es daher angebracht, einige Loser anzuheuern und mit der Aussicht auf etwas Glück zu ködern. Anders gesagt, Gorgo macht ihnen ein Angebot, das sie nicht ablehnen können. William lässt sich als Hacker anwerben, er macht sich nicht einmal richtig Gedanken darüber, ob er will oder nicht, plötzlich hat er lediglich den Wunsch weiterzuleben.
Aus Angst. Und auf einmal findet er einen richtigen Freund.
Break Point 1 – Die Matroschka bildet in bester Thriller-Manier den Auftakt zu einer Geschichte, der neuere Erzähltechniken verwendet, wie der Leser sie vielleicht von Filmen wie Die üblichen Verdächtigen kennt.
Wie geschah es? so lautet die Frage. William weckt zu Beginn sicherlich keine Sympathien. Er liegt im Sterben, verflucht eigentlich alles, was geschehen ist, bis auf Alex, den er als Freund schätzen gelernt hat. Fragen durchziehen die Geschichte von Anfang bis Ende, denn die Geschichte schlüsselt sich auf in die Rahmenhandlung und die Erlebnisse, die die Charaktere in diese auswegslose Situation gebracht haben.
Die Brutalitäten, der William und die anderen Gang-Mitglieder begegnen, sind nichts Besonderes, sie sind ein Teil ihrer Welt. Wie man ihnen begegnet, so begegnen sie anderen. Beim Anblick von Toten bleiben ihre Gesichter absolut ausdruckslos.
Erfahrungen, wie sie Alex macht, sind kurzzeitige Ausreißer, die sogleich in einer Katastrophe münden. Menschen wie Alex, so die Theorie des Thrillers mit Underground-Protagonisten, verdienen keine Hoffnung und besitzen schon gar kein Recht auf etwas Liebe in ihrem Leben. Auch William stolperte über diese Erkenntnis. Was sich mit grundsätzlicher Sicherheit sagen lässt, ist, dass diese menschlichen Wesen sich im besten Fall das Leben untereinander so schwer wie möglich machen werden.
Aber trotzdem lernt der Leser, die verschiedenen Gangster, die in eine Falle Gorgos tappen, zu mögen oder wenigstens zu bemitleiden. Autor P. Saimbert außerordentlich spannend und greift die neue Krimikultur auf, die den Verbrecher wieder vermehrt in das Zentrum des Interesses rückt, setzt jedoch auch viele eigene Akzente.
Es ist bitterböser Humor, wenn ausgerechnet eine festungsähnliche Anlage zum Schutze von millionenschweren Diamanten den Namen einer putzigen kleinen, in sich verschachtelten Puppe (Matroschka) erhält. Es ist eine Tragödie, wenn eine Gruppe von Menschen einen Coup in Angriff nimmt, der zum Scheitern verurteilt ist – zumal sie allenfalls eine 50prozentige Chance vorausgesagt bekommen. Selbst Gorgo, der ihnen diese Chance wie einen Knochen vor die Nase hält, glaubt nicht an ihren Erfolg.
Die Welt im Untergrund ist tot. Die, die in ihr leben, sind nichts als lebende Leichnahme – diesen Eindruck vermittelt der Aufbau der Seiten wie auch die Farbgebung durch Busachini. Einige wenige schöne Erinnerungen bringen realistische, von der Sonne beschienene Farben in die Geschichte, oder auch eine Katze, der William ein klein wenig Liebe schenken kann, weil sie ähnlich wie er auf der Seite der Verlierer beheimatet ist.
Die Individuen, die Saimbert entwirft, werden von Zeichner Andrea Mutti sehr schön in allen Einzelheiten entworfen. Der gruseligste von ihnen, Karl, erinnert durch sein Verhalten und Aussehen an eine Art Monster von Frankenstein, schweigsam, stark, übergroß, ein Mensch, der sich durch Schweißen ablenkt.
Die Farbgebung hat diese wunderbaren milchig ausgeführten Farbtöne. Solche mit dem Pinsel ausgeführten Bilder haben inzwischen einen feinen authentischen Charakter. Das funktioniert und passt nicht immer zur Geschichte – hier allerdings, in Verbindung mit einer knallharten Gangsterstory, passt es ganz hervorragend.
Daumen rauf für eine moderne Verbrecherballade, die spannend von Anfang bis Ende ist. 😀